Impressionen zum 125. Geburtstag von Erich Kästner
Als Kind ließ er den Blick gern von der Villa seines Onkels über das Leben am Albertplatz schweifen. Schon früh übte er sich dabei als scharfsinniger Beobachter, dessen Erzählungen vom Menschsein wir bis heute lieben: Erich Kästner, einer der bekanntesten Söhne Dresdens, würde am 23. Februar 2024 seinen 125. Geburtstag feiern. Und wir feiern mit ihm!
Im Jahr 1899 in der Neustadt geboren, schöpfte Kästner noch Inspiration aus seiner Kindheit in Dresden, als er der Enge des Elbtals längst entkommen und ein erfolgreicher Schriftsteller war. So setzte er seiner Heimatstadt in der autobiografischen Erzählung „Als ich ein kleiner Junge war“, seinem ersten Kinderbuch „Emil und die Detektive“ sowie in zahlreichen Gedichten, Geschichten, Romanen und Essays ein literarisches Denkmal.
Liebevoll poetisch beschreibt Kästner die Türme und Straßen der Stadt, nimmt augenzwinkernd Dresdner Eigenarten aufs Korn und bringt in mancher Zeile auch offenherzig das nostalgische Befremden eines nach längerer Zeit Zurückkehrenden zum Ausdruck. Erschüttert äußert er sich zur Zerstörung Dresdens beim Bombenangriff am 13. Februar 1945, den die Eltern auf der rechten Seite der Elbe wie durch ein Glück überlebten, während die prächtigen Bauten der Altstadt fast ausnahmslos in Schutt und Asche lagen.
Kästners Schriften sind so zu einer bewegenden Dokumentation geworden. Prägende Orte wie die Straßenzüge der Neustadt, das Hechtviertel, das alte Theater am Albertplatz, die Schule in der Tieckstraße, die Augustusbrücke und die Türme der Altstadt schillern als wiederkehrende Motive in seinen Erzählungen auf. Die Ausbildung am Lehrerseminar in der Marienallee ab 1913 wird zur Inspirationsquelle für „Das fliegende Klassenzimmer“. Seine Figuren entspringen alltäglichen Situationen und realen Vorbildern, von denen nicht wenige seine Wege bereits in Dresdner Kindertagen kreuzten.
Da ist zum Beispiel die innig geliebte Mutter, die das Leben des Sohnes mit einem Frisiersalon im heimischen Schlafzimmer stets besser machen wollte. Auch der reiche Onkel, Pferdehändler Franz Augustin, so mancher Nachbar aus der Neustadt und Schulkameraden am Gymnasium haben für Kästners Figuren Pate gestanden. Die kindlich unverstellte Wahrnehmung der Welt prägt auch sein Schreiben nachhaltig. Sei es die klare Bewertung von Ereignissen oder das phantasievolle Fabulieren über Charakterzüge und Begegnungen. Alles Stilelemente, die Kästners Geschichten so liebens- und lesenswert machen.
Bei aller vermeintlichen Leichtigkeit sind seine Texte niemals belanglos. So humorvoll wie nachdenklich äußert Kästner stets Kritik am unvernünftigen, egoistischen und streitsüchtigen Handeln der Erwachsenen (und das betrifft nicht nur seine Kinderbücher) und wird zu einem Autor, der sich mit hellwachem Blick in die Herzen aller Generationen schreibt. Geschuldet ist dies mit großer Wahrscheinlichkeit auch dem Umstand, dass er als kleiner Junge keineswegs ganz unbefangen war. Die Mutter depressiv und selbstmordgefährdet, projizierte ihre ganze Liebe auf den Sohn und verlangte ihm auch einiges ab.
Als Kind saß der Junge nicht nur auf der Mauer des herrschaftlichen Anwesens seines Onkels, er sah vom Fenster der elterlichen Wohnung aus auf der Königsbrücker Straße regelmäßig Aufstände und Demonstrationen vorüberziehen. Die Vorwehen eines gesellschaftlichen Umbruchs, der ihn vielleicht sein Leben lang beschäftigen würde. Aus dem Militärdienst, in den er mit 17 Jahren einberufen wurde, kehrt er schließlich mit einem Herzfehler und einer umso tiefer verankerten antimilitärischen Einstellung zurück. All das Eindrücke einer Kindheit in Dresden, die sich mannigfaltig in seinem Werk widerspiegeln.
Im Alter von 20 Jahren verließ Erich Kästner Dresden für immer, um zunächst nach Leipzig, später nach Berlin und München zu ziehen, wo er 1974 starb. In seine Heimatstadt kehrte er nurmehr als Besucher zurück, hielt jedoch engen Briefkontakt mit der geliebten Mutter und schickte auch ab und an einige Zeilen an ehemalige Nachbarn. So behielt Kästner „sein“ Dresden fest im Herzen, und setzte der lieben Heimatstadt ein literarisches Denkmal, das uns bis heute ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern vermag.
Bislang zu Erich Kästner auf elbmargarita.de erschienen:
Familientreffen am Küchentisch, vom 28. Mai 2019
Zu Besuch bei Erich Kästner, vom 24. Februar 2018
Ist Dresden eine literarische Stadt?, vom 27. März 2016
Klamauk mit Kästner, vom 6. Dezember 2015
Ein großer Dresdner Kopf, vom 23. Februar 2015
Melancholie und Unsterblichkeit, 29. Juli 2014
Siegeszug aus der Vergessenheit, vom 9. Dezember 2013
Zeitlose Kindheitserinnerungen, vom 12. November 2013
Mörderjagd auf Kästners Spuren, vom 15. Oktober 2013
Sex versus Satire“, vom 22. März 2013