Erich-Kästner-Orte in Dresden (1): Die Villa Augustin
Sucht man in Dresden nach Erich Kästner, ist die Villa Augustin am Albertplatz gewiss der erste Anlaufpunkt, über den man unweigerlich stolpern muss. Seit 1999 beherbergt die edle Villa das Dresdner Erich-Kästner-Museum, welches mit einem ungewöhnlichen Konzept und zahlreichen Veranstaltungen an das Leben und Wirken des berühmten Schriftstellers erinnert.
Nur wenige wissen jedoch, dass die Villa auch zu den authentischen Kästner-Orten in der Dresdner Neustadt gehört: Sie war das Wohnhaus seines Onkels Franz Augustin. Onkel Franz wohnte hier in Kästners Kindertagen schon sehr luxuriös. Wie der Autor in seiner Autobiografie „Als ich ein kleiner Junge war …“ beschreibt, verfügte die zweistöckige Villa in der Antonstraße 1 über einen großen Garten mit schattigen Bäumen, in dem sich auch ein Treibhaus, zwei Pavillons sowie ein Pferdestall, eine Wagenremise und eine Kutscherwohnung befanden.
Franz Augustin hatte für seine Villa eigenes Personal wie Gärtner, Wirtschafterin und ein Dienstmädchen angestellt, was beweist, dass er ein gewiefter Geschäftsmann gewesen sein muss. Angefangen hatte er zunächst als Fleischermeister in der Hechtstraße – wo das Geschäft vis à vis zu dem seines Bruders Paul lag. Irgendwann verkauften die beiden ihre Fleischerläden jedoch und verdienten sich als Pferdehändler ihr Geld. Franz Augustin zog schließlich vom Hechtviertel in die noble Villa in der Antonstraße, die bis heute seinen Namen trägt. Für Erich Kästner, der seine gesamte Kindheit auf der Königsbrücker Straße verbrachte, sollte auch diese Villa ein wichtiger Anlaufpunkt werden.
Den Albertplatz kannte der Junge schließlich wie seine Westentasche. An dem großen Platz mit den beiden Brunnen „Stilles Wasser“ und „Stürmische Wogen“ befand sich das Theater, das er oft mit seiner Mutter besuchte. Auch Kästners Schulweg führte ihn täglich über den Albertplatz. Wer heute durch den Park der Villa Augustin schlendert, wird gut verstehen, dass Kästner sich hier wohlfühlte. Bei schönem Wetter, so schreibt er, kam er schon nachmittags, um sich auf die Gartenmauer zu setzen und dem Treiben auf dem Albertplatz zuzuschauen und in der Laube Kaffee zu trinken.
Glaubt man Kästners Worten, so wuchsen in dem Garten damals Sauerkirschen, Johannisbeeren und ein großer Nussbaum. Familie Kästner verkehrte hier regelmäßig, etwa um Tante Lina Gesellschaft zu leisten, wenn Onkel Franz wieder einmal auf Dienstreise war. War er in der Stadt, dann kamen die Kästners natürlich ebenso zu Besuch – sie trafen sich statt im Wohnzimmer dann jedoch am Küchentisch in der Villa. Kästner beschreibt jene geselligen Abende in seiner Biografie mit allerhand Menschenverstand und sicher auch der einen oder anderen augenzwinkernden Übertreibung.
Ob auch die Botengänge des erst Zehnjährigen für Familie Augustin von der Villa zum Notar und (mit beträchtlichen Summen in der Tasche) zur Bank so abgelaufen sein mögen, wie er es später in „Als ich ein kleiner Junge war …“ berichtet? Wir wissen es nicht. Zweifelsohne zeigt sich aber auch in diesen Episoden, dass die Villa ein bedeutsamer Ort für den jungen Kästner in Dresden war. Ein Ort, an dem man seinem Leben und seiner Kindheit in Dresden glücklicherweise bis heute nachspüren kann.