Sex versus Satire

Erich Kästners „Fabian“ am Kleinen Haus

Arbeitslosigkeit, Weltwirtschaftskrise, als Werbetexter missbrauchte (wahrscheinlich unterbezahlte) Germanisten, individuelle Orientierungslosigkeit – die Gesellschaft, die Erich Kästner in seinem Roman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ (1931) zeichnete, scheint uns auf den ersten Blick seltsam vertraut. Dabei wollte Kästner mit diesem Großstadtroman ursprünglich ein durch und durch ironisches Gesellschaftsbild Berlins am „Vorabend“ der „Machtergreifung“ Adolf Hitlers zeichnen. Felicitas Zürcher und Regisseurin Julia Hölscher stellen in ihrer Theaterfassung der Geschichte dennoch Zitate von aktuellen Zeitungsmeldungen an den Anfang.

In der Uraufführung am 15. März stolpert Philipp Lux als Jakob Fabian dabei wunderbar intellektuell und ziellos über die Bühne des Kleinen Hauses. Diese ist von monumentalen grauen Steinwänden (Bühne: Esther Bialas) umstellt, aus denen es zwar keinen Ausweg, in deren Mitte aber dafür um so mehr Ablenkung von der ungerechten Außenwelt gibt. Während Fabian also gänzlich unehrgeizig auf den „Sieg der Anständigkeit“ wartet, schlendert er durch zwielichtige Etablissements, in denen man sich mit Charleston und viel Sex von der grauen Trostlosigkeit der Umgebung abzulenken sucht. Hier tobt das leichtfertige Laster im Gewand der goldenen 20er Jahre (Kostüm: Susanne Scheerer). Die individuelle Morallosigkeit kulminiert in verqueren Beziehungskisten, zum Beispiel beim seltsamen Ehepaar Moll, das Ahmad Mesgarha und Oda Pretzschner herrlich überdreht auf die Bühne bringen.

Fabians distanzierte Beobachtung dieser zweifellos unanständigen Welt um ihn herum geht genau solange gut, bis ihm die verzweifelte Juristin Cornelia Battenberg (Foto: PR/Matthias Horn) begegnet. Lea Ruckpaul zeigt sich hier als äußert facettenreiche Gespielin, die zwar in Liebesdingen bislang kaum Glück hatte, Fabian aber dennoch kurzerhand abschleppt, um ihn schon am nächsten Tag bitterlich zu enttäuschen. Nein, in dieser Welt gibt es keine Moral. Den einzigen Gegenpol zu der ungezügelten Vergnügungssucht bildet Fabians Mutter (Hannelore Koch). Unter deren Rock sucht der Protagonist verzweifelt Schutz, noch bevor er sich schließlich gänzlich zurück in seine Heimatstadt Dresden flüchtet – nachdem er Freundin, besten Freund und auch noch seinen Job verloren hat.

Die monumentale Wandkulisse öffnet sich nun, die Leute laufen an ihm vorbei. Offenbar noch immer durch und durch Moralist, kommt Fabian beim Versuch, ein Kind aus der Elbe zu retten, schließlich um. „Er konnte leider nicht schwimmen“, das Schlusswort aus Kästners Roman, wird nun auch zum vielsagenden Abgesang für die Dresdner Bühnenversion. Mit diesem Satz geht eine unterhaltsame, humorvolle und durchaus sehenswerte Inszenierung zu Ende, deren einziges Manko darin liegt, dass die typisch bissige Sprachironie Erich Kästners auf dem Theater kaum übersetzt werden kann. Stattdessen sollen hier große Körpergesten Satire simulieren, was allerdings nur bedingt funktioniert. Da geraten die Sex- und Tanzszenen bisweilen zu dominant, die innersten Beweggründe des Protagonisten bleiben dagegen über weite Strecken verborgen, Mitgefühl kommt erst ganz am Ende auf. Denn erst da ist er auch dem Beobachter im Publikum plötzlich ganz nah, dieser Fabian

„Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ am Kleinen Haus, wieder am 23.3., 28.3., 25.4., 30.4., jeweils 19.30 Uhr

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