Mörderjagd auf Erich Kästners Spuren

Herbstauslese: „Weltverloren“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Beate Baum: „Weltverloren“

Dresden ist gemeinhin als Kunst- und Kulturstadt bekannt. Die Autorin Beate Baum hat Elbflorenz mit ihren Büchern jedoch auch zur Krimistadt erkoren. „Weltverloren“ (2010) heißt der sechste Teil ihrer Reihe um die Journalistin Kirsten Bertram – es ist bereits der fünfte Band, der in Dresden spielt. Nach einer Fehlgeburt wacht die Hauptfigur im Krankenhaus auf und lernt dort ein junges, etwas seltsames Mädchen namens Ännchen kennen. Wie sich herausstellt, ist Ännchen eine Nachfahrin des Dresdner Autors Erich Kästner, die allerdings erstaunlich wenig über den Schriftsteller und sein Leben weiß.

Als später ein Praktikant aus dem Erich-Kästner-Museum ermordet wird, ist ausgerechnet jenes Ännchen die Hauptverdächtige. Doch Journalistin Kirsten Bertram glaubt nicht an ihre Schuld und begibt sich zusammen mit ihrem Freund Andreas auf eine Spurensuche, die sie quer durch die Dresdner Lokalpolitik bis hin zur Punkszene in der Neustadt führt – wobei nicht nur Erich Kästner als berühmter Sohn der Stadt, sondern auch der geplante Ausbau der Königsbrücker Straße sowie die Villa Augustin wichtige Nebenrollen spielen.

Beate Baum würzt ihre Krimihandlung mit jeder Menge Lokalkolorit aus dem heutigen Dresden und bewegt sich dabei jenseits der Mythen vom Angriff und der Zerstörung der Stadt. Die gebürtige Dortmunderin macht ihre Wahlheimat damit zu einer passenden Krimikulisse, ohne dass es penetrant oder aufgesetzt wirkt. Sie erzählt die Geschichte in einem nüchternen, ja geradezu lakonischen Stil, der sich flüssig liest und nie ermüdet. Die drei Hauptfiguren Kirsten Bertram, Andreas Rönn und Dale Ingram wachsen einem bei der Lektüre schnell ans Herz und zu gern möchte man glauben, dass man diese Personen tatsächlich mal in einem Neustadtcafé antreffen könnte.

„Weltverloren“ ist keiner dieser beißend spannungsvollen Krimi-Thriller, wie man sie aus Skandinavien kennt, sondern gehört eher in die Kategorie deutscher Großstadtgeschichten, die unterhaltsam zu lesen sind, ohne dass sie gleich schlaflose Nächte oder gar Alpträume verursachen. Die Handlung bleibt immer plausibel, ist dabei aber dennoch so spannend aufgebaut, dass man stets gern und mit Vorfreude weiterliest. Seite für Seite schlägt sich scheinbar von selbst um, sodass ein einziger Abend auf der heimischen Couch gut und gern den halben Roman schlucken kann.

Das wiederum macht neugierig auf die vorherigen Bände der Kirsten-Bertram-Reihe. Bleibt die Frage, ob wohl nach den jüngsten, knapp nacheinander erschienenen Dresden-Krimis „Häuserkampf“ (2008), „Ruchlos“ (2009) und „Weltverloren“ (2010) – alle verlegt im Gmeiner Verlag – auch noch ein siebter Serienteil die Bücherregale erobern wird?

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