(Un-)Treueprobe mit Happy-End

Mozarts „Così fan tutte“ an der Semperoper

Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Così fan tutte“ (1790) ist tausendfach gespielt – und noch immer aktuell. Regisseur Andreas Kriegenburg lässt das beliebte Repertoirestück in seiner Inszenierung an der Semperoper Dresden nun als sinnlichen Maskenball der Gefühle (Foto: PR/Matthias Creutziger) abermals wiederauferstehen.

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Dauerbrenner mit tierischem Charme

Rubbeldiekatz, Comödie Dresden
 

Christian Kühn und Jan van Weyde tauschen die Rollen für Rubbeldiekatz an der Comödie Dresden (Foto: PR/Robert Jentzsch).

„Rubbeldiekatz“ an der Comödie Dresden

Wenn Männer sich als Frauen verkleidet durch den Berufsalltag stöckeln, dann birgt das meist recht komische Aspekte. Nicht zuletzt deswegen ist die Komödie „Manche mögen‘s heiß“ (1959) wohl auch zu einem Stern der Filmgeschichte geworden. Die Comödie Dresden setzt mit „Rubbeldiekatz“ nun auf eben jenes Stickmuster – und auch hier hat die Masche mit dem Mann in existenzrettenden Frauenkleidern durchaus Dauerbrennerpotenzial.

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Chaos ohne roten Faden

Was ihr wollt, Staatsschauspiel Dresden
Andreas Kriegenburg holt am Staatsschauspiel Dresden die Klamauk-Keule hervor. (Foto: PR/Matthias Horn)

Shakespeares „Was ihr wollt“ am Schauspielhaus

Stücke von William Shakespeare kann man auch mit noch so schrägen Regieideen nicht verhunzen, meint man. Denn Shakespeare ist zeitlos, lustig und vielseitig, er nimmt einem nichts übel. Andreas Kriegenburgs Inszenierung von „Was ihr wollt“ am Dresdner Schauspielhaus ist dennoch mächtig daneben gegangen.

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Alle Macht der Verblödung

2000 Seiten, Staatsschauspiel Dresden
Burkhard C. Kosminski inszeniert 2000 Seiten am Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden (Foto: PR/Matthias Horn).

Lukas Bärfuss’ „20000 Seiten“ am Kleinen Haus

Im schummrigen Nachtlicht sitzt Tony (André Kaczmarczyk) auf seinem Bücherstapel vor dem Radiomikrofon. Er erzählt mit ruhiger, aber empörter Stimme über die beschämende Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Er berichtet vom unrühmlichen Umgang des kleinen Landes mit den Flüchtlingen vor dem Nazi-Regime – doch niemand hört ihm zu. Es ist vielleicht die berührendste Szene in Lukas Bärfuss Stück „20000 Seiten“, das am 17. Januar im Kleinen Haus Deutsche Erstaufführung feierte.

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Siegeszug aus der Vergessenheit

Kästners „Klaus im Schrank“ am Staatsschauspiel

Das Dresdner Schauspielhaus ist bis auf den letzten Platz ausverkauft, als sich am zweiten Advent der Vorhang zu Erich Kästners lang verschollen geglaubten Theaterstück „Klaus im Schrank oder Das verkehrte Weihnachtsfest“ hebt. Vor gut einem Monat feierte das Werk aus dem Jahre 1927 seine Uraufführung. Zuvor nämlich hatte dieser „Klaus“ gut ein halbes Jahrhundert lang sprichwörtlich im Schrank geschlummert, bevor das Manuskript im Nachlass von Kästners Mitarbeiterin Elfriede Mechnig wieder auftauchte.

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Lichtblicke in der virtuellen Welt

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Theater an der TU: die bühne spielt „Prometheus 2.0“

Virtuelle Datenmassen rasseln an einer Videowand hinauf, hymnische Musik ertönt, zwei Männer mit großen Kerzen in den Händen erscheinen im Schummerlicht und halten ihre Fackeln in einer Geste, die an die Freiheitsstatue erinnert. Doch es ist Prometheus, der den Menschen in der griechischen Mythologie das Licht zurückbrachte und von Göttervater Zeus dafür sträflich bestraft wurde. Mit der vielsagenden Produktion „Prometheus 2.0 – I’ve been looking for Edward S.“ beginnt an der bühne, dem Theater der TU Dresden, die neue Spielzeit und die beiden Regisseure Markus Arnhold und Romy Lehmann haben nicht nur im Titel zu dem Stück so einige pfiffige Anspielungen versteckt.

Da ist zunächst der antike Held Prometheus, gepeinigt von Zeus in der Einöde des Kaukasus. Er trifft in diesem Stück auf Edward Snowden – Wistleblower und Superheld (?) des Internetzeitalters (an dieser Frage scheiden sich ja irgendwie noch immer die Geister). Und da sind diverse Songs und Serien-Superhelden, zum Beispiel Kit „Night Rider“ mit David Hasselhoff und seinem Hit „I’ve been looking for freedom“. Alles in allem eine verheißungsvolle Mischung für einen Theaterstoff mit brandaktuellem Gegenwartsbezug, den man an den großen Bühnen der Stadt derzeit ja vergeblich sucht.

Mario Pannach und Robert Richter (Foto: PR/Timo Raddatz) bescheren in diesem Zweimann-Stück einen ebenso witzigen wie mutigen und intelligenten Theaterabend an der kleinen bühne der großen Universität. Zwei Tische, zwei Laptops, zwei Stühle, zwei Kaffeetassen sind schon fast das ganze Equipment, mit dem ihr Spiel auskommt. Abwechselnd sitzen die Jungs an ihren Schreibtischen, schwadronieren über typisch jugendlichen Alltagskram wie Fußballspiele und Internetvideos – und schlüpfen, immer wenn Hasselhoffs Freiheitshymne ertönt, in die Rolle diverser Superhelden mit Jackett und Sonnenbrille. Hier gehören NSA-Agenten und Präsidenten, Columbo und heroische Miniplaybackshoweinlagen ebenso zum Repertoire wie der Rückgriff auf die antike Prometheus-Sage in Form von Aischylos Theatertragödie.

Einmal erscheinen die beiden Hauptdarsteller auch in einer Videosequenz als Nachrichtensprecher, die sichtlich sprachlos von Snowdens Enthüllungen in diesem Sommer berichten. Sie lassen den NSA-Skandal so auch in Nachrichtenform noch einmal aktuell werden, um nachher wieder zu zeigen, wie hoffnungslos austauschbar die Helden der neuen und der alten, der realen und fiktiven (Fernseh-)Welt sind. Das Ganze passiert wunderbar nah am Zuschauer, steckt voller Improvisation und gerät dadurch so lebendig und vielfältig, dass keine Zeit für Längen und Langeweile bleibt.

Banale Alltagsgespräche am Rechner wechseln mit großer Weltpolitik und führen scheinbar zufällig die ganze Absurdität der virtuellen Räume vor, in der (!) heute schließlich jeder via die verschiedenste Kanäle zum Superhelden und – dank kollektiver Beobachtung – auch zum Märtyrer werden kann. So humorvoll wie unbequem zeigt dieses junge, freche und offensive Theaterstück, dass nichts neu ist, außer die Form – der Inhalt der Heldenschicksale bleibt sich gleich. Aufgeregte, witzige und nachdenkliche Momente wechseln in diesem mutigen und unbequemen Spiel, kippen schließlich ins Ernsthafte und enden doch wieder im scheinbar belanglosen Studentenalltag, der uns allen doch so nah ist …

„Prometheus 2.0 – I’ve been looking for Edward S.“ an der bühne der TU Dresden (Teplitzer Straße 26), wieder am 25., 26. und 30. Oktober sowie am 02. November, 20.15 Uhr

Linktipp: www.die-buehne.tu-dresden.de

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Im Bann der Sinnlichkeit

„Emilia Galotti“ am Staatsschauspiel Dresden

„Verführung ist die wahre Gewalt“, sagt „Emilia Galotti“ in Gotthold Ephraim Lessings gleichnamigem Trauerspiel (1772). Und auch Sandra Strunz verführt mit ihrer Inszenierung des Klassikers, die am Sonnabend (5.10.) im Schauspielhaus Dresden Premiere feierte, die Besucher. Strunz lässt das Stück zu einem sinnlichen, bildstarken Theatererlebnis werden, transportiert den Stoff um Macht, Gewalt, Verführung und Freiheit geschickt auf eine moderne Bühne, ohne dass die Vorlage Schaden nimmt.

Allein die Kulisse (Volker Hintermeier) ist betörend, geheimnisvoll und faszinierend zugleich. Ein großes Metallgerüst erfüllt die Bühne. Türen aus verspiegeltem Glas schwanken auf und wieder zu, werden zum Spiegel, Schaufenster oder tiefem Schlossraum. Das Licht ist mal dämmrig, mal gleißend metallisch. Anfangs können sich die Zuschauer noch selbst im Spiegel sehen, später werden sie von diesem Bühnenbild förmlich hineingezogen in das verhängnisvolle Machtspiel des Prinzen.

Zunächst jedoch betritt Lea Ruckpaul als Emilia die Bühne. Zerbrechlich, fast wie eine Porzellanpuppe wirkt sie am Anfang, entwickelt sich jedoch bald hin zu einem ungestümen Teenager, der dem Werben des Prinzen am liebsten sofort verfallen würde, sich aber dann für ihren Verlobten Appiani (Christian Clauß) entscheidet. Der Prinz jedoch möchte die junge Emilia unbedingt für sich gewinnen und arrangiert mit seinem Kammerherrn Marinelli – Ben Daniel Jöhnk gibt ihn als schleimigen Gehilfen im Ganzkörperanzug – einen Überfall auf die Hochzeitskutsche, um Emilia zu entführen.

Sebastian Wendelin ist ein selbstgefälliger Prinz, eine Art aalglatter und skrupelloser Seelenfänger. Der musikalisch inszenierte Schrei diverser Frauen auf seinem Schoss gehört zu den einprägsamen Momenten der Inszenierung. Rainer Süßmilch hat eine rauschhafte Musik geschaffen, die das Spiel auch an dieser Stelle stimmungsvoll würzt, wobei Luisa Mühl am Schlagzeug gelungene Akzente setzt. Die Spiegelfenstertüren geben nun einen diffusen Blick auf den hinteren Teil der Bühne frei, dort findet eine Art Maskenball statt, tanzen und räkeln sich puppenhafte Frauen mit Federbüschen und langen, transparenten Röcken. In ihrer Mitte der Prinz, in blauem Hemd und einer merkwürdigen, aus schwarzem Spitzenstoff gefertigten Hose (Kostüm: Daniela Selig). „Kann sein, ich habe euch wirklich geliebt“, lamentiert er, doch nun ist Emilia das Objekt seiner Begierde.

Sie scheint sich dem prunkvollen Rausch auf diesem glänzenden Schloss schnell zu ergeben, lässt sich vom Prinzen ihr Hochzeitskleid nehmen und den nackten Körper mit goldener Farbe einpinseln. Anders ist da die Gräfin Orsina (Karina Plachetka) gestrickt, die bisherige Geliebte des Prinzen. Nur sie kann seinen tentakelhaften Anziehungskräften offenbar entfliehen, während Emilia und selbst ihre Eltern machtlos bleiben. Tom Quaas und Christine Hoppe nimmt man das besorgte, auf den Ruf und das Wohl der Tochter bedachte Elternpaar gern ab. Hoppe ist dabei eher die selbstverlorene Lady, während Quaas als polternder, aufbrausender, am Ende aber doch hilfloser Vater auftritt.

In den letzten Szenen ähnelt das Schloss dann plötzlich einer Art Fotomodell-Schmiede, die Spiegel werden kurzzeitig zu Schaufenstern, in denen sich eine eigentlich tote bunte Welt bewegt, gruselig und faszinierend zugleich. Und Lea Ruckpauls Emilia ist jetzt nicht mehr zerbrechlich oder ungestüm, sondern eher verzweifelt. Hin und hergerissen zwischen der Verführungskunst des Prinzen und dem Kampf um Freiheit bittet sie ihren Vater – und hier wird es richtig berührend –, ihr das Leben zu nehmen.

Nach gut zwei Stunden senkt sich der Vorhang über dem tausendfach inszenierten Trauerspiel. Bei aller Sinnesverführung durch die Bühnenspiegelbilder bleibt nach dem aus heutiger Sicht völlig unverständlichen Ende dennoch ein verblüfftes Fragezeichen: Warum tötet ein Vater seine Tochter? Gerade darin liegt aber vielleicht die Stärke dieser Inszenierung, dass sie Andeutungen gibt, die Raum für (auch heutige) Interpretationen lassen, jedoch niemals so konkret wird, dass Lessings Text leidet.

Lessings „Emilia Galotti“ am Schauspielhaus Dresden, wieder am 07.10., 16.10., 14.11., 26.11., 28.12., 08.01. und 15.01., jeweils 19.30 Uhr

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Verführerischer Zigeunertanz

Bizets „Carmen“ erobert die Semperoper

„Die Liebe ist ein wilder Vogel“, singt „Carmen“ in der gleichnamigen Oper (1875) von Georges Bizet und meint damit wohl vor allem sich selbst. Wild und freiheitsliebend ist diese Carmen, die zwei Männer liebt, dabei aber auch ein Inbegriff des Weiblichen ist – verführerisch, leidenschaftlich, emotional, sexy  und durchtrieben. Bizets Werk, das heute zu den am häufigsten aufgeführten Opern des internationalen Repertoires gehört und dessen Melodien jedem irgendwie bekannt sind, erobert nun in einer Inszenierung von Axel Köhler als Neuproduktion (Premiere am 28.9.) die Bühne der Dresdner Semperoper.

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Altenglisches Geburtstagsständchen

King Arthur, Staatsschauspiel Dresden
Tilmann Köhler schenkt dem Dresdner Staatsschauspiel zum 100. ein buntes Stück von Purcell (Foto: PR/David Baltzer).

Staatsschauspiel feiert mit „King Arthur“ Jubiläum

Ausgerechnet mit einem pompösen, barocken Herrscherlob feiert sich das Dresdner Staatsschauspiel zur 100. Spielzeit selbst. Die Semiopera „King Arthur“ von John Dryden und Henry Purcell ward 1691 zur Legitimierung der englischen Monarchie uraufgeführt und soll den Dresdnern anno 2013 wohl zeigen, was sie an ihrem Theater haben. Wie sonst sollte man den Prolog zu diesem Stück verstehen, das nicht ganz Oper, aber auch nicht ganz Schauspiel – insofern also weder Fisch noch Fleisch – ist? Die Engstirnigkeit der Dresdner wird da mal wieder gescholten. Das Theater als Spiegel der Gesellschaft gelobt. Wo Armin Petras hier in den Originaltext Drydens eingriff, ist schnell klar.

Auf der Bühne des Großen Hauses zeigen nun beide Staatstheater, Oper und Schauspielhaus, in Kooperation, was die Dresdner an ihnen haben. Gemeinsam erzählen Schauspieler und Sänger unterstützt vom Orchester Collegium 1704 hier die Geschichte König Arthurs von England, der sein Territorium vor dem Sachsen Oswald, König von Kent, verteidigen muss. Regisseur Tilmann Köhler inszeniert dieses überbordende Werk aus einer längst vergangenen Zeit ganz ohne Pathos, aber mit einem kräftigen Ausgenzwinkern. Nicht die angelsächsische Völkerschlacht von damals, sondern vielmehr der ewig männliche Kampf um die Frauengunst rückt bei ihm in den Fokus. Denn Objekt der Begierde beider Könige ist neben dem englischen Territorium auch die schöne, blinde Emmeline.

Als Kriegs- und Märchenschauplatz hat Karoly Risz die schräge Dreiecksbühne mit zahlreichen gold-orangen Stoffbahnen ausgestattet, die variabel als Baumstämme, Fessel oder Opferbank dienen. Quer herabhängende Metalllatten kommen ab und an als Wolkenwand danieder. Das Licht (Michael Gööck) besorgt den Rest. Mit einem verheißungsvollen Siegesschrei des Ensembles im modernen Ritterkostüm (Susanne Uhl) entfaltet sich sogleich der Zauber dieses Schauspiel-Opern-Konglomerats, in dem es an Geistern, Nymphen und Gottheiten im barocken Übermaß natürlich nicht fehlen darf. Das schönste dieser Fabelwesen ist der leichtfüßig über die Bühne flitzende Luftgeist Philidel, den Sonja Beißwenger im blauen Ballonkleid ganz sympathisch unbefangen gibt und so zum I-Punkt der Inszenierung macht. Vor dem bösen Zauberer Osmond geflohen, hat Philidel sich auf Arthurs Seite geschlagen und verhilft dem Engländer (vorerst) zum Sieg über die Sachsen.

Kaum dass die Briten diesen feiern, raubt Oswald ihnen jedoch Emmeline. Yohanna Schwertfeger, in dieser Spielzeit ganz frisch am Staatsschauspiel engagiert, mimt die junge Blinde zunächst noch kindlich naiv, entwickelt sie später zu einem frechen Mädchen mit spitzbübischen Zügen, der ihre Unerfahrenheit und Unbekümmertheit nach wie vor ins Gesicht geschrieben steht. Nun ist es an Arthur, seine Geliebte zurückzuerobern, zumal auch der böse Zauberer Osmond, dem Benjamin Pauquet mit hässlichem Dickbauch affenhafte Züge verleiht, schon auf sie aufmerksam wird.

Doch König Arthur gelingt es, selbst den mächtigsten Zaubern Osmonds zu trotzen und Emmeline aus dessen Zwängen zu befreien. Matthias Reichwald ist ein smarter, taktisch kämpfender und kluger König Arthur, dem man seine Überlegenheit gegenüber Oswald in dieser Inszenierung deutlich ansieht. Als es schließlich zum alles entscheidenden Zweikampf zwischen Arthur und Oswald kommt, scheint das Ende eigentlich sicher. Christian Erdmann zeigt Oswald als gebeutelten, scheinbar ziel-, ja fast hilflosen Gegenspieler, der ob des plötzlichen (im Original so nicht vorgesehenen) Siegs der Sachsen schließlich eher perplex aus der Wäsche schaut.

Am Ende wird es denn noch einmal richtig komödiantisch: Wenn dieser verwirrte Oswald zusammen mit der verblüfften Emmeline winkend auf der Bühne steht und sich von hinten eine nackte, blonde Venus (Nadja Mchantaf) nähert, der beide kaum widerstehen können, hagelt es Lacher aus dem Publikum. Dem Schlussakkord folgt der – ebenfalls von Armin Petras überarbeitete – Epilog, nicht minder ironisch-selbstbezogen und sozusagen als finaler Geburtstagsgruß des Hauses an sich selbst.

Was nach dem letzten Vorhang haften bleibt, ist die erfrischende Version einer alten Herrscherkamelle, deren barockes Handlungsgemenge sich in dieser Inszenierung überraschend gut verdauen lässt. Einige Längen, besonders im ersten Teil, sind wohl vor allem der Gattung der Semiopera geschuldet, dank des sonst hervorragenden Zusammenspiels von Schauspiel und Musik (musik. Leitung: Felice Venanzoni) jedoch schnell vergessen.

Schauspielhaus Dresden, „King Arthur“, wieder am 29.9., 19 Uhr, 14.10., 17.10., 30.10., 01.11., 07.11., 07.12., 19.30 Uhr

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Zeitlose Parallelgesellschaften

Hauptmanns „Ratten“ am Staatsschauspiel

Eine abgeranzte Hauskulisse aus schimmelig nassen, abblätternden Wänden mit hohen, lichten Türen bildet den optischen Hintergrund für Gerhart Hauptmanns Paradestück „Die Ratten“, das am 10. Mai im Großen Haus des Staatsschauspiels Dresden Premiere feiert. Viereinhalb Monate nach Ausklang des Hauptmannsjahrs 2012 setzt das Theater dem Autor mit dieser Inszenierung von Susanne Lietzow ein spätes, aber dafür umso gelungeneres Denkmal im Nachhall seines 150. Geburtstags.

Sowohl das Bühnenbild (Aurel Lenfert) als auch das dialektgeschwängerte Spiel von Rosa Enskat (als Frau John) und Marie Smolka (als Pauline Piperkarcka) ziehen den Zuschauer von der ersten Minute an in den Bann. Mitten im Kostümfundus des Ex-Theaterdirektors Hassenreuter handeln die beiden Frauen zunächst jene verhängnisvolle Absprache aus, um die sich später das eigentliche, durch zwei Parallelgesellschaften diffundierende Hauptmann-Drama entspinnt: Rosa Enskat zeigt die biedere, stets hilfsbereite Frau John, eine einfache Person in Strickjacke und schlichtem Schlabberrock (Kostüm: Marie Luise Lichtenthal), als handfeste, keinesfalls unsympathische Figur. Selbst kinderlos kauft sie der verzweifelten jungen Pauline ihr Neugeborenes ab und gibt es später vor ihrem Mann John (Thomas Eisen) als ihr eigenes aus.

Und dann ist da noch die gut gekleidete bürgerliche Bildungsgesellschaft, die um Ex-Theaterdirektor Hassenreuter (Albrecht Goette) fern ab und doch so nah dieser sozialen Unterschicht schwülstige Theaterproben durchführt, mit dem Ziel, irgendwann ruhmreich auf den Bühnen der Welt glänzen zu können. Thomas Braungardt überzeugt hier besonders als verstockter Samtanzugträger und angehender Schauspielstudent Erich. Auf dem Dachboden zettelt er ernsthafte Theaterdiskussionen mit Hassenreuter an, wenn er nicht gerade dessen wohlbehüteter Tochter Walburga unters brave weiße Seidenröckchen kriecht. Annika Schilling zeigt eine herrlich doppelbödige Bürgerstochter, die es in punkto Liebe mit Erich hinter dem Rücken der väterlichen Obhut kräftig krachen lässt.

Sie alle bekommen von den röchelnden, problembeladenen Gestalten, die in abgewetzten Räumen hausen, jedoch nichts mit – weil sie so sehr mit sich beschäftigt sind, dass sie gar nicht hin-, und wenn dann lieber gleich wieder wegschauen. Sie merken nicht, wie Pauline auf einmal bunt gestylt zurückkehrt und ihr Kind von Frau John zurückfordert. Sie merken nicht, wie diese ihren zwielichtigen Bruder Bruno (Jonas Friedrich Leonhardi) auf die junge Frau hetzt, ein weiteres Kind raubt, um das vermeintlich „ihre“ behalten zu können. Allein die junge Selma, selbst eine arme junge Gestalt, die am Rande der Gesellschaft vor sich hinvegetiert, zeigt sich am Ende als aufmerksame Beobachterin. Lea Ruckpaul scheint diese Rolle der schnottrig-pfiffigen Nachbarin wie auf den Leib geschrieben. Sie scheint das menschliche Spiegelbild der schäbigen Wände zu sein, jung und naiv, aber ehrlich und dennoch in ihrer Umgebung verhaftet, wie all die anderen armen Teufel.

So bringt Lietzows zeitlose Inszenierung auch 2013 gelungen auf den Punkt, was Hauptmann 1911 mit seinen „Ratten“ anprangern wollte. Die ursprüngliche Natürlichkeit der einfachen Leute steht der gestelzten Künstlichkeit der Bürger gegenüber. Das ist dank vielen gut inszenierten Details bisweilen so urkomisch, dass es fast wehtut. Im Umkehrschluss wirken ernsthafte Theaterproben tatsächlich wie ein ulkiger Witz, während im Untergrund existenzielle Probleme wabern und einfache Eheleute mit Kinderwagen, vom Leben ohnehin gezeichnet, das Glück vergeblich festzuhalten suchen.

Da verbeugen sich zwei ehrgeizige Schauspielschüler wie Marionetten unter den Anweisungen Hassenreuters, bevor ein Wehschrei das Leiden einer Mutter artikuliert. Komik und Tragik wechseln ständig. Die Bühne spielt dabei gekonnt mit Licht und Schatten. Wirklich berührend wird es, wenn Pauline anfängt, ihr Schmerzenslied zu singen (Musik: Gilbert Handler) – die Musik, sparsam eingesetzt, verleiht dem Ganzen eine zusätzliche dramatische Tiefe. Und dann ist da noch das plötzlich, kurz auftauchende Video-Karussell, es dreht und dreht und dreht sich, gerade an der Stelle, als der Kampf ums neue Leben seinen Höhepunkt erreicht …

Gerhart Hauptmann „Die Ratten“ am Staatsschauspiel Dresden, wieder am 13.5., 4.6., 13.6., 21.6., 3.7., jeweils 19.30 Uhr

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