Sturm und Drang im Dämmermodus

„Kabale und Liebe“ am Staatsschauspiel Dresden

Am Ende wird es richtig berührend: In dem Moment, als Ferdinand und Luise im Angesicht des Todes ganz auf ihre Liebe zurückgeworfen sind, da entstehen in Data Tavadzes Inszenierung von Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“ am Staatsschauspiel Dresden (Fotos: Sebastian Hoppe) noch einmal wahre Gänsehaumomente. Moritz Kienemann und Luise Aschenbrenner brillieren in dieser letzten Szene, in der sie die ganze Zerbrechlichkeit und die Verzweiflung eines jungen Paares zeigen, das im Tode jener Zweisamkeit entgegensieht, die ihnen von den gängigen Konventionen der Gesellschaft verweigert ward.

„Ferdinand, muss ich jetzt schon dahin?“, fragt Luise zart und mit der gleichen Naivität, mit der sie nur wenige Szenen zuvor den von Wurm diktierten Brief in die eigene Verdammnis schrieb. Wie unbeschwerte Kinder waren sie und Ferdinand anfangs durch das Theaterhaus und über die Bühne getobt, hielten flüsternd inne, um dann ihr kindliches Spiel der Liebe fortzusetzen. Unbeirrt von ihrer Umgebung, die Thilo Reuther in schlichter Modernität zweigeteilt hat: Eine Bar im Hintergrund, an der die „Kabale“ wie im verruchten Rotlichtmillieu gestrickt werden, davor Couch und Cello, die den Lebensraum des Musiklehrers Miller rahmen. Einschüsse und Schläge an der Decke deuten schon auf die nahende Bedrohung hin.

Die Symbolik stimmt. Auch liegt den ganzen Abend über eine merkwürdig bedrückende Ruhe über dem Stück. Wabernde Hintergrundmusik (Nika Pasuri) und ein traurig brummelndes Cello (Ekaterina Gorynina) sollen diese Atmosphäre noch verstärken. Tavadze inszeniert, als wäre da eine unsichtbare Grenze zwischen der unbekümmerten Welt der Kinder Ferdinand und Luise und den Erwachsenen. Als das Publikum Platz nimmt, läuft das Stück schon. Es ist ein Couchgespräch zwischen dem alten Miller und dem intriganten Wurm, das wir beobachten können. Doch schon die ersten 20 Minuten ziehen sich hin. Die Figuren bleiben über lange Zeit blass. Hans-Werner Leupelt wirkt als Präsident wie ein schräger Verschnitt von Ross Anthony (Kostüme Irène Favre de Lucascaz) und kommt über ein gockelhaftes Poltern kaum hinaus, wenn er seinem Sohn Macht und Reichtum dank der Verlobung mit der Gräfin verspricht.

Moritz Kienemann ist in diesem Moment ein verzweifelter Ferdinand und Luise Aschenbrenner gibt das schwache Weib Luise. Das passt zum Grundton dieser Aufführung, schließt allerdings die Leidenschaft des „Sturm und Drang“-Dramas komplett aus. Ahmad Mesgarha wirkt als sorgender Vater Miller hier noch am lebendigsten. Die Mutter kommt gar nicht vor. Erst als die Gräfin mit einem ploppenden Champagnerkorken in die Szene platzt wie eine schrille Hollywood-Diva, gewinnt das Stück kurz an Dynamik. Betty Freudenberg zeigt sie als theatralisches Weib, das vielleicht nicht weniger Spielball der männlichen Kabalen ist als Luise, aber doch deutlich berechnender als diese. Die Intrigen werden an der Bar gesponnen, wo Raiko Küster als Hofmarschall von Kalb und Lukas Rüpel als Wurm jedoch kaum Profil zeigen.

So wirkt die Aufführung über weite Strecken verkopft und starr, fast wie ein Puppenspiel. Wenn Luise wie eine Marionette auf der Couch steht und in die Welt schaut, hat das zwar einen gewissen Hintersinn. Doch richtig mitreißend wird es nur für kurze Momente: Als Ferdinand sich mit tierischer Geste auf die Gräfin stürzt, dann rüttelt die Inszenierung an der Aufmerksamkeit der Zuschauer. Die Beweggründe der Figuren aber bleiben dennoch ungewiss. Da sind zwei junge Menschen, die gegen die erstarrten Konventionen ankämpfen – und scheitern. Immerhin das finale Scheitern ist wahrlich berührend und offenbart noch einmal zwei großartige Schauspieler, denen man gern mehr Raum für ihre Kunst gegönnt hätte.

Friedrich Schiller „Kabale und Liebe“ am Staatsschauspiel Dresden, wieder am 22.3., 10.4., 24.4.

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