Die Staatsoperette zeigt „Clivia“ als großes Spiel im Spiel
Film ab an der Staatsoperette Dresden! Mit Nico Dostals Operette „Clivia“ (Fotos: Pavel Sosnowski) bringt Regisseur Peter Lund Kinoatmosphäre auf die Bühne im Kraftwerk Mitte und serviert eine rasante Geschichte, die raffiniert die opulente Ästhetik alter Revuefilme aufgreift, ohne ins Kitschig-Belanglose abzudriften.
Hoch her geht’s an der Grenze zum Fantasiestaat Boliguay, wo die Hollywoodproduktion mit der Diva Clivia Grey ins Stocken gerät, als der amerikanischen Crew die Einreise verweigert wird. Während Clivia noch im Starrummel badet, kommt dem Produzenten Potterton (Markus Liske) die wahnwitzige Idee, seine Hauptdarstellerin mit einem Einheimischen zu verheiraten, um auf diesem Weg eine Arbeitserlaubnis für das Filmteam zu erwirken. Die Wahl fällt auf einen vermeintlich „einfachen Mann aus dem Volke“, der sich später als General Olivero und Präsident des fremden Staats entpuppt. Denn natürlich geht es hinter den Kulissen am Set nicht allein um schöne Szenen fürs Kino, sondern auch um bitterernste Politik!
Im Zentrum der Inszenierung stehen zwei Frauen, die die Handlung humorvoll und mit hinreißender Präsenz vorantreiben: Steffi Lehmann gibt die charmant glamouröse, aber gänzlich unpolitische Diva Clivia mit starker Stimme und verführerischer Eleganz. Eine Frau, die weiß, was sie will und gar nicht so oberflächlich ist, wie ihr showgirlhafter Look in Barbie-Pink (Kostüme: Daria Kornysheva) vielleicht vermuten lässt. Ganz anders dagegen ist Jola Sanchez, die selbstbewusste Schwester des Präsidenten, der Franziska Becker militärische Ernsthaftigkeit und rebellischen Gestaltungswillen verleiht. Diese Jola steht für die Revolution im Staate Boliguay und baut mit zackiger Entschlossenheit die Mauern hoch gegen jede Art des Kolonialismus.
Allein, auch sie hat ihre Rechnung ohne die Liebe gemacht, die mit dem amerikanischen Klatschreporter Lelio Browns daherkommt, der sich von Jola flugs als Informant verbraten lässt. Andreas Sauerzapf gerät in dieser Partie auf tapsig humorvolle Weise zwischen die Fronten, zeigt einen spektakulären Abgang in den Orchestergraben und erweist sich einmal mehr als brillanter Komödiant. Gero Wendorff hingegen mimt in der Partie des Generals Olivero eher den soften Typ, der vom großen Glück schwärmt und die Politik darüber schon gern mal vergisst. „Mit dir möchte‘ ich durchs Leben wandern“, singt er sich mit Steffi Lehmann in einen schönen Traum, der die Welt auch für das Publikum für einen kurzen Moment stillstehen lässt.
Mit der Musik, die schmissig und eingängig vom Glück der Liebenden erzählt, erwachen die kühnsten Operettenträume zum Leben. Tangorhythmen und Kastagnetten sorgen für exotische Farben im Orchestergraben, wobei Chor und Orchester der Staatsoperette Dresden unter der Leitung von Christian Garbosnik zum leidenschaftlichen Erzähler dieser kuriosen Filmgeschichte werden. An betörenden Kulissen, schwungvollen Melodien und furiosen Ballett- und Ensembleszenen mangelt es wahrlich nicht in der Produktion. Die Staatsoperette fährt für „Clivia“ alles auf, was das moderne Revuetheater zu bieten hat: Das Zauberwunderland Hollywoods lässt Schmetterlinge und Clivia-Klone über die Showtreppe schweben. Vor der Filmkamera wird geliebt, gescherzt und getanzt, als gäbe es kein Morgen, während sich am Horizont der „echten“ Welt bereits die dunklen Ruinen der Ölindustriebrachen abzeichnen – zumindest bis zum nächsten flotten Showeinlage.
Mit viel Humor und Ironie gelingt es Peter Lund, die Handlung leichtfüßig und stringent auf die Bühne zu bringen. Ein Unterhaltungswunderwerk, das im besten Sinn die Welt für ein paar unbeschwerte Stunden vergessen lässt, ohne blindes Vergessen zu propagieren.
Info: „Clivia“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 21.4., 23.4., 4.5., 5.5. und 7.5.