Die Neuinszenierung von Smetanas „Die verkaufte Braut“ an der Semperoper will viel und bleibt doch unbefriedigend
Die Vorfreude war groß: Bedrich Smetanas „Die verkaufte Braut“ (Fotos: Ludwig Olah) ward an der Semperoper zuletzt 1993 inszeniert und feierte am Freitag (8.3.) in der Regie der Französin Mariame Clément seitdem erstmals wieder Premiere. Das Stück um das junge Paar Marie und Hans, das kein Paar sein darf, weil Maries Eltern die Tochter mit dem schrulligen Wenzel verkuppeln wollen, gilt in Tschechien längst als Nationalheiligtum des Musiktheaters und wurde zu Recht seit 1869 überall auf der Welt gefeiert. Denn wer die herrliche Musik einmal im Ohr hat, mit der Smetana auch den Traditionen seiner Heimat huldigte, der muss diese Oper lieben.
Bereits die Ouvertüre betört mit ihrem schwungvoll-lebendigen Duktus, in dem Streicher, Klarinetten und Trompeten zum typisch tschechischen Volksklang verschmelzen. Mit Tomáš Netopil steht am Premierenabend ein Dirigent am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden, der diesen Klang mit der Muttermilch aufgesogen hat und auch die Dresdner Kapelle darin zum Schwelgen bringt. Das Orchester lässt Smetanas Melodien lebhaft wie ein klarer Gebirgsfluss in den Saal strömen. Die Musik ist leichtfüßig, dabei farbenreich. Sie verleiht den Figuren Charakter und der Handlung Tiefe. Auch der Sächsische Staatsopernchor Dresden agiert unter der Leitung von Cornelius Volke mitreißend als Stimme der Dorfgesellschaft, die die Geschichte wie ein neugieriger Nachbar kommentiert.
Mariam Clément siedelt die Handlung im Umbruch der 1980er/90er Jahre an. Heiratsvermittler Kezal ist hier ein schmieriger Macho, der die Zeichen der neuen Zeit erkennt und aus dem Brauthandel kaltblütig Profit schlägt. Der belgische Bass Tijl Faveyts verleiht ihm nicht nur darstellerisch große Präsenz, auch stimmlich gibt er ein sehr überzeugendes Debüt in Dresden. Marie weiß diesem Kezal als selbstbewusste junge Frau zwar Paroli zu bieten. Hrachuhí Bassénz muss jedoch mehrfach die Latzhose gegen die Tracht tauschen, weil ihre Marie eben doch noch ein bisschen zwischen Tradition und Selbstbestimmung schwankt. Die armenische Sängerin verzaubert das Publikum dabei mit ihrem außergewöhnlich warmen, kräftigen Sopran und großer Wandlungsfähigkeit. Zusammen mit Pavol Breslik als Hans gibt sie ein entzückendes Paar, das mit Sturheit und Leidenschaft einen Weg sucht, dem Brauthandel der Eltern zu entgehen.
Irgendwie wirkt es dann aber doch wie in einer Szene aus „Bauer sucht Frau“, wenn Maries Eltern und Kezal am Tisch den Vertrag zur Hochzeit mit Wenzel aushandeln. Das junge Paar freilich ahnt davon nichts und Marie bleibt stur, als der stotternde Wenzel sein Recht einfordert, während Hans mit einer List – dem trügerischen Verkauf seiner Braut – heimlich das Happy End vorbereitet. Es ist der Aufbruch dieses Paares in die Selbstbestimmtheit, den Clément in ihrer Inszenierung zum Thema macht. Doch der Ansatz entpuppt sich bald als große Enttäuschung.
Schon das Bühnenbild von Julia Hansen ist ein einziger Widerspruch: Die Dorfatmosphäre eines ländlichen Gartenlokals auf der einen, eine hippe Stadt-Bar im Stil der 1980er auf der anderen Seite. Dazwischen tanzen Folklore-Ballett und der Chor. Eine große Pappmaché-Kuh thront in der Menge wie ein Werbesymbol auf dem Jahrmarkt. Sie weicht zum Schluss dem tanzenden Bären, unter dessen Fell natürlich Wenzel steckt. Der nimmt kurzerhand die schöne Esmeralda zur Frau, während die ihm versprochene Marie mit ihrem Hans glücklich in Vergebung schwelgt.
Benjamin Bruns kann als Wenzel immerhin noch ein paar witzige Momente beisteuern, wenn er stotternd der Sehnsucht nach einer hübschen Braut Ausdruck verleiht. So sind vom Macho über den Blödian bis zu den altmodisch naiven Eltern am Ende alle Stereotype bedient. Tatsächlich kommt „Die verkaufte Braut“ in dieser Lesart eher wie eine laue Fernsehseifenoper daher. Am Look der 1980er, in dem die Volkstänzer wie Fremdkörper wirken, hat man sich allzu bald satt gesehen. Der gesellschaftliche Umbruch der Wendezeit vermag die Handlung nicht zu tragen, noch die Ironie des Stückes unterhaltsam herauszuarbeiten. Vielmehr erstickt das eigentlich komödiantische Spiel mit dem Unglaublichen im Widerstreit von Wendezeit und Dorfidyll. Als moderne, selbstbestimmte Frau, soviel ist klar, würde Marie es ihrem Bräutigam wohl nicht verzeihen, wenn der sie an einen Betrüger verkauft – und sei es auch nur zum Schein. Der ungewohnt verhaltene Applaus am Premierenabend sagt viel. Er gilt in seinen euphorischsten Momenten vor allem Tomáš Netopil, der Kapelle und den Sängern. Wirklich schade.
„Die verkaufte Braut“ an der Semperoper Dresden, wieder am 13.3., 22.3., 25.3.