Wiener Wintermärchen

Lesetipp im Februar: „Der Eispalast“ von Rena Rosenthal

Seit einem Unfall lebt Nikolett zurückgezogen in der Villa ihrer Eltern in Wien. Das einzige, was ihr neben Hund Max Freude bereitet, ist das Lesen und das Eislaufen. Als die junge Frau eines Tages die Bekanntschaft einer Eislaufgruppe am See im benachbarten Wald macht, bekommt ihr Leben jedoch neuen Schwung. Gemeinsam wollen sie den Wiener Eislaufklub beim jährlichen Schaulaufen mit einer Kür in einem nie dagewesenem Stil begeistern. Doch bis es soweit ist, sind einige Hürden und gesellschaftliche Zwänge zu überwinden.

Rena Rosenthal legt nach der Trilogie „Die Hofgärtnerin“ mit dem Roman „Der Eispalast“ den Beginn eines neuen historischen Dreiteilers vor. In Wien am Ende des 19. Jh. angesiedelt, erzählt sie die Geschichte einer jungen Frau, die über Standesgrenzen und gesellschaftliche Dünkel hinweg ihren eigenen Platz im Leben sucht und zu neuem Selbstbewusstsein gelangt. Inspiriert von realen Vorbildern und gespickt mit zarter Romantik ist der Roman jedoch vor allem eine wundervolle Hommage an die Freundschaft, die selbst althergebrachte Machtgefüge überwinden kann.

Aus den wechselnden Perspektiven der verschiedenen Protagonisten erzählt, ergibt sich dabei ein schillerndes Bild der Wiener Gesellschaft vor gut 100 Jahren, das sich allerdings erst auf den zweiten Blick wirklich offenbart. Erst nach und nach wird der Leser hineingezogen, lernt die unterschiedlichen Charaktere und Schauplätze dabei peu à peu kennen. Ein wenig zu glatt erscheinen jedoch die Figuren, die sich trotz unterschiedlicher Herkunft in ihrer Erzähl- und Handlungsweise nicht allzu sehr voneinander unterscheiden. Die Story verliert damit unwillkürlich an Tiefe und spannungsvoller Reibung.

Erst in den letzten Kapiteln entwickelt die Handlung schließlich einen Sog, dem sich der Leser gern hingibt. Je näher die Kür beim Eislaufwettbewerb rückt, desto mehr muss Nikolett sich und ihrer Familie beweisen, wer sie wirklich ist und wo sie hingehört. Sie öffnet der Liebe damit ebenso unerwartet die Tür wie dem Erfolg und der Anerkennung, die sie seit ihrem Unfall nicht mehr erleben konnte. Und trotz einiger Längen zu Beginn bezaubert die Geschichte vom Mut, das Unmögliche zu wagen, am Ende dann doch, vielleicht weil sie sich ebenso bescheiden und unscheinbar entwickelt wie ihre Protagonistin selbst.

Buchinfo: Rena Rosenthal: „Der Eispalast“, erschienen 2023 im Penguin Verlag

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