Doppelte Ironie in der Ruine

„Purcells Traum von König Artus“ in der St. Pauli Ruine

König Artus steht auf dem Abstellgleis. Noch während er innbrünstig seine Arien schmettert – liebevoll bewundert von der blinden Emmeline –, fegt eine Horde geldgieriger Investoren durch das alte Opernhaus. In Tankred Dorsts bissiger Satire „Purchells Traum von König Artus“, die just am Freitag (27. Juli) in der St. Pauli Ruine Premiere feierte (Foto: PR), wollen sie die Opernruine zu einem profitträchtigen Kaufhaus umgestalten. Mit Bauhelmen auf den glatt frisierten Köpfen rücken sie an, entfalten Baupläne und beratschlagen vor folienverhängten Wänden (Bühne & Kostüm: André Thiemig), was aus dem Gemäuer am besten zu machen wäre. Schon vor dem eigentlichen Beginn des Stückes stolzieren sie wild diskutierend durch die Publikumsreihen – und lassen die Zuschauer so quasi selbstironisch an der Präsenz des Stoffes teilhaben. In den folgenden gut zwei Aufführungsstunden liefern sie sich mit einigen merkwürdigen Gestalten, die sich in dem alten Gemäuer treffen sowie mit Figuren aus Henry Purchells „King Arthur“ einen ironischen Kampf von Künstleridealismus und Kommerzgier. In diesem ist es einzig die blinde Emmeline, gekonnt gespielt von Ingrid Schütze, die das wahre Gute im Menschen zu erkennen vermag – jedenfalls solange sie blind ist.

Basierend auf Purchells (1659-1695) Semi-Opera „King Arthur“ (1691) – in der sich der britische König Artus mit den Sachsen einen erbitterten Kampf um die blinde Prinzessin Emmeline liefert –, versuchen König Artus, dessen Ritter, Merlin und eine Horde merkwürdiger Alltags-Enthusiasten in Tankred Dorsts hintersinnigem Stück, die Opernruine gegen die Profithungrigen zu verteidigen. Der deutsche Dramatiker Dorst (geboren 1925 in Thüringen) ist bekannt für seine zeitkritisch-ironischen Theatersatiren und beschäftigte sich mit dem Artus-Stoff als Utopie einer besseren Welt bereits 1981 in seinem Werk „Merlin oder Das wüste Land“. Im Jahr 2004 wurde sein Stück „Purchells Traum von König Artus“ in Wiesbaden uraufgeführt.

Anstelle von Purchells kriegerischen Angelsachsen setzt Dorst die Investoren als feindliche Eindringlinge in den idealistischen Kulturbetrieb, indem Artus so etwas wie die Leitfigur einnimmt. Mit Umhang und Krone markiert er die von den alten edlen Ritter-Idealen beseelte Welt der Kunst und Fantasie, in der kein Platz für die Berechnung der Moderne ist. Frank Weiland gestaltet die Artus-Figur so gutherzig wie naiv und verleiht ihm so wahrhaft märchenhafte Züge, die dem verbissen-kühlen Konsumwillen des Geschäftsführers Collani (Björn Schröder) nicht nur optisch gegenüberstehen. So trifft der ahnungslose Edelmut des Königs in ironischer Weise gleichsam als „schöner Gedanke der Menschheit“ auf die Gier der Investorengruppe.

Als es in der St. Pauli Ruine dämmert, scheint der Sieg der Investoren jedoch zunächst besiegelt, ihre kühle Profitgier hat die Szene in Anlehnung an Purchells berühmte „Frost-Szene“ eine düstere Eislandschaft verwandelt. Doch „die Liebenden kommen immer zusammen am Ende“, sagt Artus und gewinnt den Kampf um Emmeline und gegen die Investoren, wenn auch knapp.

Das alte Opernhaus bei Dorst wird in der St. Pauli Ruine dabei zum sprichwörtlich bedrohten Theater. Schließlich stand auch die Existenz der seit 13 Jahren von einem gemeinnützigen Verein von Theaterenthusiasten bespielten Kirchruine im Herzen des Dresdner Hechtviertels schon mehrfach zur Disposition. Dank Ausbau und Neueröffnung im Frühjahr 2012 konnte das Ensemble dem eigentlich mit der Abrissbirne endenden Dorst-Stück nun ein versöhnliches Ende setzen. Ob dies auch im Sinne des zeitkritischen Dramatikers Dorst steht, ist fraglich. Abgesehen davon gerät die Pauli-Inszenierung von Regisseur Jörg Berger vor atmosphärischer Kulisse und immer wieder spannungsvoll ergänzt durch Gesänge und die Musik von Henry Purcell und dem amerikanischen Filmkomponisten Basil Poledouris (musikalische Leitung: Yvonne Dominik), jedoch zu einem kunterbunten, ideenreichen, mit schelmischem Witz gespickten Theaterabend, der allein von der teils schlechten Akustik bei den Sprechrollen getrübt wird.

Nicole Czerwinka

„Purcells Traum von König Artus“ in der St. Pauli Ruine Dresden, wieder am 30. und 31.7.; 7./8./9./10. und 11.8. … jeweils um 19.30 Uhr

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Generation grenzenlos

Dresdnerin liest „Weiblich, jung, flexibel“

Carlynn und Ellen sind zwischen Mitte und Ende 20, mit dem (Germanistik-)Studium gerade fertig und auf dem Weg der beruflichen Selbstfindung. Die beiden Hauptfiguren in Felicitas Pommerenings Roman „Weiblich, jung, flexibel“ sind junge Frauen, wie wir ihnen auf der Straße im Jahr 2012 tagtäglich begegnen könnten, ohne es eigentlich zu merken. Zwei Mädels von nebenan, die das Schicksal der Generation grenzenlos teilen: Am Ende eines praktikumsreichen, nebenjobgeplagten und prüfungsintensiven Studiums stehen sie vor der Qual der Wahl oder der Herausforderung beruflicher Profilierung und befinden sich so mitten im Strudel unterbezahlter Full-Time-Jobs. Die Vorstellungen der beiden Protagonistinnen könnten dabei verschiedener nicht sein – ihre Probleme freilich bleiben dennoch dieselben. Während Carlynn sich nach einem geplatzen Vorstellungsgespräch bei einem versnobbten Fernsehsenderfuzzi erst einmal in Indien auf die Suche nach sich selbst begibt (ein Versuch, aus ihrem stringenten Lebenslauf einmal auszubrechen), beginnt Ellen eine Arbeit in einer Agentur für Kommunikationsdesign – mit dem utopischen Ziel, ihre 50-Stunden-Woche nach einem Jahr Befristung endlich in eine Teilzeitstelle umwandeln zu können.

Auf witzige Art erzählt Felicitas Pommerening, die ihre Jugend in Dresden verbrachte, in ihrem Debütroman anhand dieser beiden Figuren die Geschichte einer Generation, der nahezu alle Möglichkeiten offenstehen und die gleichzeitig an der Unbestimmbarkeit konkreter Ziele in einer von ständigem Wandel geprägten Zeit, in der Flexibilität zum vermeintlichen Allheilmittel wird, die Orientierung verlieren. Die eigentlichen Wünsche und Ziele der jungen Frauen – sei es die Erfüllung im Beruf, etwas „Sinnvolles“ zu tun oder auch nur der Wunsch nach Familie und Kindern – drohen in da schnell auf der Strecke zu bleiben.

Pommerening hat die Geschichten ihrer beiden Protagonistinnen aus vielen Berichten, persönlichen Eindrücken und diversen Lektüren zusammengestellt. Trotzdem bleibt ihr Roman immer Erzählung und stellt keine bierernste Dokumentation des Status quo da. Mit ihrer lockeren Schreibart spiegelt die Autorin auf humorvolle Weise die Konflikte junger Frauen – hin- und hergeworfen zwischen gesellschaftlichen Erwartungen, Generationskonflikten mit den Eltern und eigenen Wünschen sowie Ansprüchen an sich selbst – wider. Erfrischend ehrlich erzählt dieses Buch vom Leben zweier Freundinnen, die nicht primär nach Karriere und dem großen Geld streben, sondern vielmehr ihr eigenes kleines Glück in einer global geprägten Welt finden wollen. Anhängerinnen dieser Generation werden sich bei der Lektüre dieser 176 herzerfrischenden Seiten ganz sicher ab und an wiedererkennen und das eine oder andere Mal von herzhaften Lachen geschüttelt werden. – Mehr kann man nicht wollen.

Nicole Czerwinka

Termintipp: Felicitas Pommerening liest am Freitag (20.7.) in Dresden aus ihrem Roman „Weiblich, jung, flexibel“, 20 Uhr im Kinderladen Bambini am Blauen Wunder (Brucknerstr. 1)

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6000 wandeln übern Elbhang

Impressionen von der 4. Schlössernacht

Die Dresdner Schlössernacht zog am Sonnabend (14.7.) wieder rund 6000 Menschen in ihren Bann. Das Spektakel verwandelte das Gelände um Saloppe, Schloss Albrechtsberg, Lingnerschloss und Schloss Eckberg zum 4. Mal in eine märchenhafte Kulisse. Auf 15 Bühnen traten dabei rund 250 Künstler auf. Einige Wermutstropfen mussten die Gäste dieses Jahr dennoch verkraften. So war nicht nur das große Feuerwerk wegen des brütenden Wachtelkönigs und einer seltenen Fledermauspopulation am Elbhang abgesagt worden, auch ein Teil des Parks von Schloss Eckberg war den Abend über wegen einer geschlossenen Veranstaltung gesperrt, was die Freude am Lustwandeln bei einigen Gästen durchaus trübte. (NC)

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Schlössernacht ohne Feuerwerk …

… weil Wachtelkönig Ruhe braucht

Das ist wieder einmal typisch Dresden. An allen Ecken gehen in den Sommermonaten in der Stadt zum Wochenende Feuerwerke in die Luft. Nur die Dresdner Schlössernacht muss heute (14.7.) ohne Feuerwerk auskommen. Der Grund ist der Tierschutz. Während nebenan eine millionenschwere Brücke ohne Rücksicht auf Elbbiber, Hufeisenasen und anderes Getier aus dem Boden gestampft wird, sollen Wachtelkönig und Fledermaus nun wohl wenigstens am Elbhang ihre Ruhe haben. Auf der Webseite der Veranstaltung ist daher seit Donnerstag folgender Text zu lesen:

„Liebe Besucher,

seit dem 12. Juli haben wir leider die Gewissheit, daß die betreffenden Ämter unser grandioses Abschlußfeuerwerk in diesem Jahr nicht genehmigen. Grund dafür ist der Wachtelkönig. Um den lärmempfindlichen, vom Aussterben bedrohten Vogel und seine Brutstätten zu schützen, darf das Feuerwerk laut geltendem EU Recht nicht von den Elbwiesen aus gezündet werden.

Am Alternativstandort, dem Römischen Bad, verhindert eine Fledermauspopulation die Genehmigung, wie uns gestern mitgeteilt wurde. Wir finden das sehr schade!

Früher haben Könige auf dem Elbhang gefeiert, heute wollen Wachtelkönige ihre Ruhe haben. Aber – wir lassen uns die Vorfreude auf unsere Schlössernacht nicht von geflügelten Neu-Dresdnern trüben. Inzwischen ist die Zahl der mitwirkenden Künstler auf über 250 angewachsen, der Tanzboden ist verlegt, die Bühnen sind aufgebaut und die Zapfhähne poliert. Lassen Sie uns am Samstag wieder herrlich schlendern, schwofen und genießen!“ (NC)

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Eine Frau, eine Gitarre

Dresdner Künstler auf der Schlössernacht

Die Dresdner Musikerin Susann Großmann (Foto: PR) singt am 14. Juli bereits zum dritten Mal auf der Dresdner Schlössernacht. Auf elbmargarita.de verriet sie, wo man sie dort erleben kann, wie sich die Nacht verändert hat und worauf sie sich schon besonders freut.

Susann, Großmann, wo und wann werden Sie bei der Schlössernacht auftreten?

Auftreten werde ich auf der Bühne Nordseite, Schloss Eckberg, jeweils um 18.15 Uhr, 20.15 Uhr und 22.15 Uhr.

Wo kann man Sie unabhängig von der Schlössernacht als Solokünstlerin in der Stadt erleben?

Ich gebe zum Beispiel am 27. Juli um 19 Uhr im Biergarten von Katys Garage in der Neustadt ein Konzert und bin auch am 18. August ab 14 Uhr auf dem Postplatz zum Dresdner Stadtfest dabei.

Wie kam es, dass Sie bei der Schlössernacht (immer wieder) mitwirken?

Bei der Schlössernacht wirke ich zum dritten Mal mit, also seit der 2. Schlössernacht. 2010 bin ich durch gute Kontakte in das Line up „gerutscht“. Der Abend war sehr schön und meine Musik kam ganz gut an. Also konnte ich wieder auf 2011 hoffen. Da hat es dann wieder gut geklappt und nun bin ich 2012 wieder dabei. Ich bin selber gespannt, wie lange das noch so weitergeht.

Was werden Sie dieses Jahr dort präsentieren?

Dieses Jahr präsentiere ich an sich nichts neues. Meine Musik und mich auf sehr reduzierte Weise. Nur Gitarre und Gesang. Natürlich habe ich aber den Anspruch mein Repertoire immer anspruchsvoller zu gestalten. Es wird wieder einen Mix aus Coversongs und eigenen Liedern geben. Bei jedem der insgesamt drei Sets wird es andere Songs geben, es lohnt sich also immer wieder vorbeizuschauen.

Wie hat sich die Schlössernacht aus Ihrer Perspektive in den letzten Jahren gewandelt/entwickelt?

Gewandelt hat sie sich aus meiner Sicht nicht. Never change a running system … Außer, dass ich dieses Jahr bei Schloss Eckberg und nicht Schloss Albrechtsberg spiele. Die Veranstalter haben jedes Mal ganz individuelle und passende Orte für die Künstler gefunden. Letztes Jahr konnten sich die Zuschauer zum Beispiel während meines Konzerts in Ruhe setzen und sind dadurch wesentlich länger geblieben als beim ersten Mal 2010. Das hat einfach wunderbar gepasst. Ich bin gespannt, wie es dieses Jahr sein wird.

Was war Ihr schönstes Erlebnis bislang auf der Schlössernacht?

Es gab so viele schöne Momente. Die Atmosphäre der Schlösser, das fröhliche Publikum und die Gespräche mit den Leuten nach den Auftritten. Viele Kontakte haben sich daraus für mich ergeben. Ein Highlight war wohl der erste Abend, als die Veranstalter mich baten spontan noch länger zu spielen, weil es so gut ankam. Das war für mich überwältigend und eine Ehre. Als Musiker kann man immer nur schwer begreifen, dass die eigene Musik anderen Menschen so gut gefällt.

Gibt es etwas, auf das Sie sich schon besonders freuen?

Ich freue mich auf den gesamten Abend an sich und auf den neuen Auftrittsort. Da bin ich schon sehr gespannt!

Danke für das nette Gespräch.


Linktipps: www.susann-grossmann.de und www.dresdner-schloessernacht.de

Interview: Nicole Czerwinka

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Kaspers Abschied von Altkötzschenbroda

Letzte Kasperiade mit Hinterhof-Romantik

Es hat sich ausgekaspert in Altkötzschenbroda. Denn die nunmehr 25. Radebeuler Kasperiade fand heute (8. Juli) zum letzten mal auf dem Dorfanger in Radebeul-West statt. Im kommenden Jahr wird das bunte Figurentheater-Spektakel (Fotos: Czerwinka) nach Radebeul-Ost ziehen und dort rund um den Kulturbahnhof die Kinder erfreuen.

Wehmut kam bei Veranstaltern und Besuchern aber dennoch nicht auf. In gewohnt bunter Kaspermanier erzählten die Figurentheater in 36 Vorstellungen auf sieben Bühnen wieder kuriose, lustige und auch nachdenkliche Geschichten für Groß und Klein. Und vom Berliner Figurentheater-Regisseur Jan Mixsa gabs zum Abschied sogar ein extra Stück gedichtet: „Kasperquatsch in Radekötzsch“ sorgte für Schmunzelfältchen bei den Machern und beim Publikum an der Hofbühne.

Insgesamt ließen sich dieses Mal rund 1800 Zuschauer von der Bandbreite des modernen Figurentheaters in Altkö in den Bann ziehen. (NC)

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Musikfestival auf Tellkamps Spuren

„Offtracks“ lädt zu sechs Konzerten ein

Dresden ist in diesem Sommer um ein Kultur-Festival reicher. Vom 3. bis zum 8. Juli lädt das erste „Offtracks – Festival für Musik und multimediale Kunst“ einem Text von Uwe Tellkamp folgend an sechs verschiedenen Orten entlang der Straßenbahnlinie 11 zu sechs Konzerten ein, die jeweils mit Lesungen, Filmvorführungen, Ausstellungen und Tanz gepaart sind.

Die Idee stammt von acht Jazzstudenten der Dresdner Musikhochschule „Carl Maria von Weber“ (HfM). Ein Seminar zum Thema Musikmanagement motivierte die jungen Jazzer vor etwa eineinhalb Jahren dazu, ihr eigenes Konzept für ein Festival für Dresdner Nachwuchskünstler auf die Beine zu stellen. „Eigentlich wollten wir das Ganze recht kurzfristig organisieren, aber wir haben schnell gemerkt, dass die Veranstaltung Hand und Fuß haben muss, wenn wir sie in Dresden etablieren wollen“, sagt Musikstudentin Katharina Lattke, die für das Offtracks-Festival und den seit März als dessen Träger fungierenden gleichnamigen Verein die Pressearbeit übernommen hat.

Sie war es auch, die dann im Internet auf die Kurzgeschichte „Der Schlaf in den Uhren“ stieß, mit der der Dresdner Autor Uwe Tellkamp im Jahr 2004 den Ingeborg-Bachmannpreis gewann. „Wir haben damals gezielt nach einer Geschichte gesucht, uns dabei mit regionalen Künstlern auseinandergesetzt und diesen Text von Tellkamp gefunden“, sagt Lattke. Tellkamps Erzählung handelt von einer Straßenbahnfahrt durch Dresden. In bildhafter Sprache erzählt der Autor darin, „wie die Straßenbahn in den Schienen schlenkerte und Funken stoben, wenn sie, von der Haltestelle Leipziger Straße kommend, vor dem Bahnhof Neustadt um die Ecke bog, die rotweiß gestrichene tschechische ‚Tatra‘-Bahn“. Die Erzählung folgt dieser Bahn die Bautzner Straße hinauf, bis zum jenem Stadtviertel, das Tellkamp in der Kurzgeschichte wie auch seinem berühmten Dresden-Roman zum „Turm“ stilisiert.

Diese literarische Bahnfahrt haben die acht Musikstudenten zum Grundgerüst ihres Festivalkonzepts gemacht. Schließlich schlängelt sich die Straßenbahnlinie 11 bis heute – wenn auch nicht mehr im rotweißen Tatra-Kleid – die Bautzner Straße entlang. „Wir haben den Text intensiv und mehrfach gelesen und mit den Bildern der einzelnen Stationen gearbeitet“, sagt Lattke. Entsprechend der Atmosphäre im Tellkamp-Text haben die jungen Organisatoren sich nicht nur die sechs Spielstätten – vom Sputnik bis zum Lingernerschloss – entlang der Linie 11, sondern auch die jeweils dort auftretenden Künstler gesucht. So wird das Festival am 3. Juli im Sputnik am Neustädter Bahnhof starten, wo der junge Schlagzeuger Demian Kappenstein zusammen mit der Choreografin und Tänzerin Valentina Carbo den ersten Abend mit Matineecharakter gestaltet. „Wir wollten beim Festival auch das Thema Zeit behandeln, weil es im Text einen großen Raum einnimmt, die Künstler haben das mit ihren eigenen Ideen dann jeweils weiterentwickelt“, so Lattke.

Die Straßenbahnlinie 11 bildet dabei nicht nur die Verbindung zwischen den einzelnen Stationen, sie ist zugleich ein sinnbildlicher Zeitstrahl, der alle Konzerte Tag für Tag, Station für Station miteinander verknüpft – stets unter dem Motto: „Sechs Tage, sechs Stationen, sechs Blickwinkel auf die Themen Zeit und Raum.“ – Ein ausgefeiltes Konzept für ein junges Festival, das vom Dresdner Amt für Kultur- und Denkmalschutz sicher nicht ohne Grund gefördert wird.

Die auftretenden Künstler sind dabei so verschieden, wie die Spielstätten selbst. Im Jazz- bis Popbereich, von Soloschlagzeug bis Vocalensemble, bewege sich der musikalische Stil beim Offtracks-Festival, sagt Lattke. Ergänzt wird dies beispielsweise durch Malerei, Performance, Film und Installationen junger Künstler aus Dresden. Entstanden seien diese Ideen ganz studentisch überwiegend im freundschaftlichen Austausch mit anderen Künstlern, ausgegoren dann meist bei Selbstgekochtem und langnächtlichen Diskussionsrunden am heimischen WG-Küchentisch.

Inzwischen werben neben der Webseite, ein eigens für „Offtracks“ entwickeltes Logo und eine Postkarte (Foto: PR/Jessica Struch) in der Stadt für die Veranstaltung – ebenso wie das Programm entstanden sie mithilfe eines soliden Kontaktnetzes zu anderen Studenten, Absolventen und Künstlern. Über die Internetplattform „Startnext“ werben die jungen Organisatoren für ihr Projekt zusätzlich Spenden ein. Und selbst Uwe Tellkamp, dem die Gruppe irgendwie rein zufällig in der Stadt mal begegnet sei, zeigte sich angetan von ihrem Vorhaben, berichtet Katharina Lattke stolz.

Ob das Offtracksfestival auch nach der Erstausgabe 2012 noch einmal stattfinden wird, ist allerdings derzeit nicht sicher. Es kommt wohl auch darauf an, wie viele Dresdner den Schienen der Linie 11 bei der Premiere vom 3. bis zum 8. Juli am Ende dann tatsächlich folgen werden.

(erschienen in DNN vom 02.07.12)

Linktipp: www.offtracksfestival.de

Programm:

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Lustwandeln entlang der Elbe

Impressionen vom 22. Elbhangfest

In Dresden jagt ein Stadtteilfest das nächste. Nachdem am vergangenen Wochenende die Bunte Republik Neustadt lockte, schlenderten die Dresdner vom 22. bis zum 24. Juni über das 22. Elbhangfest die Pillnitzer Landstraße entlang. Ob Trödelmarkt oder Drachenbootrennen, Konzerte oder Fußball-EM – das Fest lockte auch in diesem Jahr mit Sport, Kultur, Leckereien und Kuriosem. Hier spielte eine bekannte Dresdner Band fast unerkannt am Straßenrand, dort war ein bis auf die Räder eingestrickter VW-Bus zu bewundern – und dabei stand das Wochenende am Elbhang dieses Mal ganz im Zeichen der Frauen … Elbmargarita hat ein paar Impressionen gesammelt.

Fotos & Text: Nicole Czerwinka

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Wir sind Exzellent!

Quo vadis Exzellenzuni TU Dresden?

Alae iacta sunt. – Die Würfel sind gefallen. Die TU Dresden ist seit einer Woche offiziell Exzellenzuniversität. Eine von insgesamt nur elf in Deutschland, die diesen Titel nach jahrelangem Ringen nun zunächst bis 2017 tragen dürfen. Mit kindlichem Strahlen im Gesicht verkündete TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen die Entscheidung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Wissenschaftsrates am vergangenen Freitag, dem 15. Juni 2012. Ein historischer Tag für die TU Dresden, die nun für ihre vier exzellenten Forschungsprojekte (die Forschungszentren in der Biomedizin, der Mikro- und Nanoelektronik, die Graduiertenschule für Regenerative Therapien und das die ganze Uni betreffende Zukunftskonzept „Synergetische Universität“) bis 2017 voraussichtlich 140 Millionen Euro von Bund und Land bekommt.

Die Freude war groß und viel ist in der vergangenen Woche schon zu „unserer“ frischgebackenen Exzellenzuni geschrieben worden, die Dresden ganz nebenbei natürlich auch ein strahlendes Image als Wissenschaftsstandort beschert. Und doch bleiben, nachdem die ersten Jubelschreie verklungen sind, viele Fragen.

Selten in ihrer Geschichte hat die Universität wohl so im Fokus gestanden wie in diesen Tagen. Und auch in Zukunft werden sich die Blicke wohl ein wenig häufiger zur TU Dresden richten als vorher. Denn Dresdens Universität ist mit dem Exzellenztitel mehr denn je ins Rampenlicht gerückt. Die Anfragen zukünftiger Studenten sollen sich schon wenige Tage nach Verkündung der frohen Botschaft auffällig erhöht haben. Mehr Studenten als jetzt wird die Uni jedoch auch im neuen Semester nicht aufnehmen können. Der Grund: Die Universität arbeitet seit Jahren am Limit ihrer Möglichkeiten. Dass sie trotzdem im bundesweiten Exzellenzwettbewerb erfolgreich war, ist ein Zeichen besonderer Effizienz, sagte Rektor Müller-Steinhagen am 15. Juni. Es ist aber auch einer gewissen idealistischen Grundeinstellung vieler ihrer Mitarbeiter zu verdanken. Wahrscheinlich ist es auch dieser Idealismus, den Müller-Steinhagen noch am Tag der Entscheidung sympathisch mit dem Begriff des „Dresden Spirit“ umschrieb.

Allein mit Idealismus können und werden die Erwartungen, die nun an Dresdens exzellente Alma Mater gestellt werden, jedoch nicht erfüllt werden. Folgerichtig verkündete die Sächsische Landesregierung noch am Freitag (15.6.), dass sie die geplanten Stellenkürzungen an der TU Dresden (bis 2015 sollen rund 300 Stellen an allen sächsischen Hochschulen gestrichen werden, 95 allein davon an der TU Dresden) aussetzen werde. Das ist sicher ein Zeichen in die richtige Richtung, aber für eine Hochschule, die ab sofort vier exzellente Konzepte realisieren möchte und schon seit Jahren auch ohne Stellenstreichungen im Bundesvergleich unterdurchschnittlich budgetiert ist, lange nicht genug. Etwa 6500 Euro stehen der TU Dresden derzeit im Jahr pro Student zur Verfügung. Das sind pro Student rund 2000 Euro weniger als im deutschen Durchschnitt.

Die Leidtragenden, nicht nur der Sparpolitik, sondern auch im Exzellenzwettbewerb, werden folglich neben den anderen sächsischen Hochschulen die Studierenden sein. Und zwar vornehmlich jene, die nicht an den exzellenten Fakultäten lernen und in deren Studiengängen schleichend Professuren dem Geldmangel zum Opfer fallen. So beklagen beispielsweise die Studierenden der Freien Universität Berlin – diese ist bereits seit 2006 Exzellenzuni –, dass Lehre und Forschung an der Freien Universität seit Erhalt des Exzellenztitels nur umso mehr auf marktfähige Inhalte reduziert und beispielsweise die Geistes- und Sozialwissenschaften zugunsten anwendungsorientierter, meist naturwissenschaftlicher und technischer Fächer abgewertet wurden.

Ähnliches sollte und darf in Dresden nicht passieren. Denn die TU gehörte auch vor dem historischen 15. Juni zweifelsohne in ihrer ganze Breite als Volluniversität schon zu den exzellenten Hochschulen in Deutschland. Und das muss auch mit Titel so bleiben!

Text & Foto: Nicole Czerwinka

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Wenn Frau Eule mit Herrn Albatros

„Ja, ich will“ am Kleinen Haus

Miriam Tscholl inszeniert mit der Bürgerbühne ein amüsantes Spiel mit Verheirateten und solchen, die es mal waren.

Es ist Frühling im Paradiesgarten. Die Vögel zwitschern – und was für welche: Paradiesvögel, Turteltäubchen, Streithähne (Foto: PR/David Baltzer). In Miriam Tscholls Inszenierung „Ja, ich will“ (Stückfassung: Lissa Lehmkühler) geht es so bunt zu wie im Dschungel. Die Piepmätze treffen auf der grünenden Bühne 3 des Kleinen Hauses (Judith Kästner) zusammen und reden über das, was sie alle verbindet: die Ehe.

Ob (noch) glücklich verheiratet oder schon geschieden – die Luftschlösser, Erfahrungen und Probleme, von denen hier die Rede ist, kennt jeder – wenn nicht von sich selbst, so aus Familie, Bekanntenkreis oder aus dem Fernsehen. Sie werden in der aktuellen Aufführung der Bürgerbühne ungekünstelt selbstironisch und ganz ohne Schlammschlachten inszeniert. Nur selten grenzt das Stück ans Klischeehafte, fängt sich dann aber schnell mit herzerfrischend komödiantischen Ideen.

Da ist zum Beispiel der zauberhafte Märchenprinz Michael Sommer, dem alle Frauen zu Füßen liegen, dem sie aus der Hand fressen, den sie vergöttern. Nur nützt es ihm nichts, weil seine Geschichten stets vor der Hochzeitsnacht enden. Da ist der kauzige Pirol (Dietmar Bombach), der die Reisezeit seines Lebens in Kilometer umrechnet und feststellt, jeden zweiten Schritt zusammen mit seiner Frau gegangen zu sein. Und da ist das glücklich verheiratete Schwanenpärchen (Annekatrin und Hagen Bruder), bei dem sich alle anderen fragen: Kann so viel Liebe dauerhaft möglich sein? Dazwischen gibt es auch nachdenkliche, traurige Momente. Die Facetten der Ehe, sie kommen (fast) alle zum Vorschein, in diesen eineinhalb Stunden guter Theaterunterhaltung für Verheiratete sowie auch für die, die es (nicht) noch werden wollen.

Nicole Czerwinka

(erschienen in „ad rem“ 17 vom 20.06.2012)

Kleines Haus 3 Dresden, wieder am: 20.6., 20 Uhr und am 1.7., 19 Uhr

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