Die Landesbühnen Sachsen zeigen „Die große Wörterfabrik“ als phantasievolles Schauspiel
Wie wäre es, in einem Land zu leben, in dem jedes gesprochene Wort Geld kostet? Niemand kann schimpfen, niemand kann streiten, es sei denn er hat das nötige Kleingeld, sich die entsprechenden Wörter dafür zu kaufen. Doch etwas würde fehlen. So wie für Marie und Paul in dem poetischen Bilderbuch „Die große Wörterfabrik“ (Foto: René Jungnickel) von Agnès de Lestrade und Valeria Docampo, das am Sonntag (12.11.) als Schauspiel für alle ab sechs Jahren an den Landesbühnen Sachsen Premiere feierte.
Auf der Studiobühne spuckt die große Wörterfabrik nun also am Fließband Wörter aus wie ein Wasserfall. Sportarten, Essensvokabeln, ja auch Schimpfwörter. In silberne Kisten verpackt finden sie ihren Weg auf den Markt. Manche gehen unachtsam verloren – welch ein Glück für Marie und Paul, die dann am Wegesrand ein einsames Wort finden, es behutsam aufheben und in ihre Tasche stecken – oder mit dem Netz nach zufällig umherflatternden Wörtern haschen. Die beiden fangen sich Wörter wie Schmetterlinge, da ihre Eltern nicht genug Geld haben, um sich einen ordentlichen Wortschatz leisten zu können. Dabei kommen Marie und Paul eigentlich auch ganz gut ohne klar.
In der Bühnenfassung und Regie von Odette Bereska wird mit Musik von Jonas Høgseth aus dem Bilderbuch ein entzückendes Kammerstück, das Groß und Klein mit pfiffigen Ideen in seinen Bann zieht. Anja Furthmann hat die abstrakte Welt der Wörter in ein kunterbunt phantasievolles Bühnen- und Kostümbild verwandelt. Mit Robotern, Kaufmannsladen und einer lebhaften Einwohnerschaft, die vom Baby bis zur Oma alles aufzubieten hat. Ein Land, in dem das wichtigste Elementarteilchen der Sprache in farbige Töpfe verpackt und hinter einem fetten Preisschild verwahrt ist. Im rosa Pott zum Beispiel steckt die Liebe und die ist begehrt. Doch nur zögerlich wandern Wort-Schnipsel über den Ladentisch, es sei denn jemand sehr wohlhabendes wie Oskars Mutter setzt zum Großeinkauf an.
Michael Zehentner, Julius Gruner, Maria Sommer und Julia Vincze wechseln die Kostüme und Figuren reihum und hauchen dem angenehm unaufgeregten Stück überwiegend pantomimisch Humor und Leben ein. Jedes gesprochene Wort wird hier auch für das Publikum zum Ereignis! Es gibt sogar einen Schwarzmarkt für Wörter und allerlei Ganoven. Das alles macht Paul jedoch nicht so viel Angst wie das Liebesgeständnis von Oskar an Marie, der dank seiner reichen Mutter mehr als genug Wörter zur Verfügung hat, um ganze Sätze damit bilden und sogar Lieder trällern zu können. „Es gibt Wörter, die sind wertvoller als andere. Man sagt sie nicht oft, eigentlich nur, wenn man reich ist“, heißt es einmal im Stück. Doch es reicht eben nicht, die Wörter nur zu sagen. Sie müssen auch wahr sein und gefühlt werden. Und so ist die Liebe ohne Worte manchmal eben doch die überzeugendste!
Info: „Die große Wörterfabrik“ an den Landesbühnen Sachsen, wieder am 19. November und 7., 8. Dezember 2023 im Stammhaus Radebeul