Wer hat Angst vorm Marmormann?

Lesetipp im November: „Die marmornen Träume“ von Jean-Christophe Grangé

Berlin im Jahr 1939: Unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit ereignen sich seltsame Verbrechen. Ein Serienmörder wählt sich die schönen Damen der Nazi-Elite als Opfer. Der SS-Offizier Franz Beewen soll im Fall der brutal zugerichteten Frauen ermitteln und steht doch vor Rätseln. Zusammen mit dem kauzigen Psychoanalytiker und Traumforscher Simon Kraus und der Psychiaterin Minna von Hassel bildet er schließlich ein inoffizielles Ermittlergespann, das bis in die höchsten Kreise hinein den Spuren des Mörders folgt.

Der französische Autor Jean-Christophe Grangé taucht mit seinem aktuellen Thriller „Die marmornen Träume“ tief ein in die Sümpfe der Nazizeit und malt ein erschreckendes Bild vom Berlin Ende der 1930er Jahre. Seine Figuren sind so schräg wie lebendig. Er zeichnet kantige Charaktere, die trotz stark mangelhafter Moral doch immer wieder ein sympathisches Fünkchen an Menschlichkeit offenbaren und die eine oder andere überraschende Wendung einleiten.

Auf der Suche nach dem Mörder blicken sie immer weiter hinter die Fassade einer perfiden Ideologie und rühren gewaltig im Dreck eines Systems, das nach außen hin keine Schwäche zeigen darf. Irgendwo zwischen der unbeschwerten Champagnerseligkeit der hochgestellten „Adlondamen“ und den schwarz-dunklen Kellern der Gestapo treibt also dieser seltsame Marmormann sein Unwesen. Ein zunächst fast surreal anmutender Gegner, der genauso gut der Phantasie eines unschuldigen Filmplakats entstiegen sein könnte.

Sprachlich wie erzählerisch raffiniert führt Grangé die Ermittler wie seine Leser an der Nase herum durch alle menschlichen Abgründe eines Regimes, das auf den knapp 700 Seiten auf erschreckend packende Art wieder lebendig wird. Fast fürchtet man sich selbst vor dem geheimnisvollen Marmormann, kaum dass man das Licht gedimmt und den Buchdeckel zugeschlagen hat! Am Ende erweist sich der Autor einmal mehr als Meister seines Fachs, der Schmöker wird zum Pageturner und ehe man sich versieht, ist das Rätsel nach vielen verschlungenen Wegen doch gelöst. Unerwartet, brutal und überraschend.

Buchinfo: Jean-Christophe Grangé: „Die marmornen Träume“, erschienen 2023 im Tropenverlag

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