Die Staatsoperette eröffnet mit „Orpheus in der Unterwelt“ den Saal im Kraftwerk Mitte
Voilà, der Vorhang im Kraftwerk Mitte ist gefallen. Nach jahrelangem Hickhack dürfte die Eröffnung des neuen Kulturzentrums für die Staatsoperette und das Theater junge Generation eines der größten Weihnachtsgeschenke sein. Ein Geschenk, über das wohl nur wirklich gestandene Kritiker meckern können: Zu harmlos, eindimensional, verschenkt, ironiefrei und lahm sei die erste Premiere der Dresdner Staatsoperette auf der neuen Bühne, urteilen die über Arne Böges Inszenierung von Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ (Fotos: PR/Stephan Floß) heute in den Feuilletons. Dabei haben Wolfgang Schaller und sein Ensemble mit diesem Stück zur Einstimmung auf eine neue Theater-Ära im Zentrum doch mitten ins Schwarze getroffen!
Intendant Wolfgang Schaller grinst von einem Ohr zum anderen und bedankt sich im Namen des Ensembles auch noch am Sonntag (18.12.) bei allen, die diesen Schritt begleitet, ja möglich gemacht, die trotz der Querelen immer daran geglaubt haben, dass die Staatsoperette im Zentrum der Stadt zu Hause sein wird, ganz einfach, weil sie dahin gehört.
Raum für klaren KLang und Platz für phantasievolle INszenierung
Im neuen Saal hat das Orchester nun genug Raum für guten, niemals überbordenden Klang, den Andreas Schüller am Pult ganz langsam aufflammen lässt, dem er klare Konturen und warme Farben verleiht. Die Inszenierung hat indes reichlich Platz für phantasievolle Spiele mit dem Genre. Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ (1858) gilt als Ursprung der Gattung und stellt auf ironische Weise die Obrigkeit mit ihren amourösen Abenteuern, Spielen um Sex und Macht bloß.
Die Handlung ist komplex und überladen. So richtig ernst nehmen kann man in dem tollen Treiben eigentlich nichts. Doch genau das ist auch der Sinn der Sache: Das Lachen, der Humor. Derbe Späße und viel bunte Unterhaltung. Da ist die lebenshungrige Eurydike, die ihren Mann Orpheus satt hat und Pluto in die Unterwelt folgt. Orpheus ist das zwar ganz recht, er lässt sich jedoch von der öffentlichen Meinung überreden, Eurydike von Pluto zu befreien. In Jupiters Reich indes vertreiben sich die Götter ihre Zeit mit Liebesabenteuern und Jupiter beschließt heimlich, die schöne Eurydike kennenzulernen. Er umsummt sie erfolgreich als Fliege, flieht mit ihr und die beiden landen auf Plutos Höllenball, wo am Ende – natürlich – doch noch alles anders kommt.
Mit diebischer Freude nutzt das Inszenierungsteam die gigantischen Möglichkeiten der Drehbühne und zeigt das Stück seinem Ursprung gerecht: als großes Spektakel voller Überraschungen, das den Keim einer Zauberoper in sich trägt und dabei doch immer wieder ironisch über sich selbst lächelt. Riesige Bilderrahmen wachsen aus dem Bühnenboden, mit Projektionen und Lichtspielen wechseln sie ihre Motive. Arne Böge spielt ironisch mit Kitschelementen, das Bühnenbild von Momme Hinrichs und Torge Møller beschwört bunte Zauber- und Phantasiewelten herauf.
Alles, was eine Operette braucht: bunte Kostüme und lebendige Ballette
In dieser Welt gibt es alles, was eine unterhaltsame Operette braucht: einfallsreiche Ballette (Choreografie: Radek Stopka) und raschelnde Kostüme (Uta Heiseke), einen spielfreudigen Chor (Thomas Runge) und viele Ideen, ja auch die eine oder andere Anspielung an reißerische Headlines in der „Lügenpresse“.
Von der idyllischen Monet-Landschaft geht es hinauf in den blauen Wolken-Himmel, hinunter in Plutos düsteres Boudoir und schließlich mitten hinein in den Höllenball. Zwei Akte, vier Bilder, der berühmte Can-Can und unendlich viel Trubel. Das ist lebendige Operette, die ihre Tradition lebt. Und das wird nicht erst klar, als Pluto (Radoslaw Rydlewski) singend noch einmal nach Leuben zurückschaut. Stimmlich funkelt am zweiten Premierenabend Elvira Hasanagic in der Partie der Eurydike als Stern im Ensemble. Mit ihrem warmen Sopran erobert sie den neuen Saal vom ersten Ton an.
Genauso, denn das ist erst der Anfang!
Auch Wieland Satter als Jupiter und Bettina Weichert als Jupiter-Gattin sorgen für bezaubernde Momente. Meckern kann man freilich immer über irgendetwas. Zu laut, zu bunt, zu belanglos? Nun ja. Wer jahrelang nie den Weg nach Leuben fand, jetzt aber dafür kräftig mit dem Kritikschwert fuchtelt, der ist vielleicht doch fehl am Platz. Die Dresdner Staatsoperette jedoch ist mit diesem „Orpheus“ genau da angekommen, wo sie hingehört: Im Herzen von Dresden. Und das war erst der Anfang!
Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ an der Staatsoperette Dresden, Kraftwerk Mitte, wieder am 25.12., 26.12., 18.1. und 19.1. 2017