Blutiges Opernvergnügen

Die Landesbühnen Sachsen zeigen einen „Vampyr“ mit Biss

In Radebeul ist Halloween noch lange nicht vorbei! Treibt an den Landesbühnen Sachsen seit Sonnabend (4.11.) doch ein schauriger Blutsauger sein Unwesen. Die große romantische Oper „Der Vampyr“ (Fotos: René Jungnickel) von Heinrich Marschner nach dem Libretto von Wilhelm August Wohlbrück wird in Deutschland nur noch selten gespielt, dabei hat sie es durchaus verdient, wiederentdeckt zu werden!

In der Regie von Manuel Schmitt entpuppt sich das Stück mit gekürzten Erzählpassagen (Freya Schmidt) und einem spielfreudigen Ensemble als unterhaltsames, packendes Theater. Die Musik wirkt filmisch und weniger düster als man vielleicht erwarten könnte. Unter der Leitung von Ekkehard Klemm gestaltet die Elbland Philharmonie Sachsen die eingängigen, volksliedhaften Melodien mit Verve und Spannung, sodass man dem Geschehen auf der Bühne gerne folgt.

Schaurig scheint der Vollmond ins Kirchenfenster. Im Schoße der heiligen vier Wände (Bühnenbild Julius Theodor Semmelmann) geht es sogleich zur Sache. Um ein paar Jährchen länger auf der Erde verweilen zu dürfen, soll Vampyr Lord Ruthwen den Geistern der Hölle drei Jungfrauen zum Opfer bringen. Dass statt dem Teufel hier der Pfarrer den verhängnisvollen Pakt besiegelt, ist eine von vielen raffinierten Ideen der Regie. Die Kirche braucht das Böse, um vom Guten predigen zu können. Krieg und Frieden, Streit und Liebe, ja selbst Leben und Tod sind unabdingbare Zusammenhänge auf der Welt.

Franziska Abram (links) und Opernchor der Landesbühnen Sachsen (Foto: René Jungnickel)

So inszeniert Schmitt volkstümlich märchenhaft, mit deftigen Sex- und Trinkszenen, die auch an Auerbachs Keller in Goethes „Faust“ erinnern. Die Verführung des Vampyrs wird ähnlich wie bei Bram Stroker als erotisches Verlangen gezeigt, das selbst vor dem geweihten Altar nicht Halt macht. Stimmlich stark gibt Paul Gukhoe Song den Vampyr facettenreich, und verleiht dem bleichen Blutsauger doch allerhand Menschlichkeit. Sein Ruthwen ist ein ebenso tragischer wie starker Protagonist. Ein Außenseiter, der zwischen den Welten wandelt und das Spiel der Verwandlung ebenso beherrscht wie das der Verführung. Schnell findet er in Janthe (Anna Erxleben) sein erstes Opfer. Berührend der Moment, in dem ihr Vater Sir Berkley zusammen mit dem Dorf nach dem verschwundenen Mädchen sucht.

Michael König gestaltet Berkley mit großer Stimme und Leidenschaft, unterstützt vom Opernchor der Landesbühnen Sachsen gerät die Szene, als er seine tote Tochter rächt, zu einer der packendsten des ganzen Abends. Aubrey, der Ruthwen zunächst helfend zur Seite eilt, erkennt schließlich den Vampyr und muss nun bei seinem eigenen Leben schwören, die wahre Identität Ruthwens nicht preiszugeben. Problematisch wird dies, als der Vampyr es schließlich auch auf Aubreys Geliebte Malwina abgesehen hat.

Aljaz Vesel und Franziska Abram geben als Malwina und Aubrey vom ersten Moment an ein entzückendes Paar. Ihr Duett im ersten Akt ist so gefühlvoll, dass man schnell mit den beiden Liebenden mitfiebert, wenn Sir Humphrey (Do-Heon Kim), Malwinas Vater, nun ausgerechnet dem verkleideten Vampyr die Hand seiner Tochter verspricht – während Aubrey sich um seines Lebens Willen in Schweigen hüllen muss. Auch der Weg zu Emmy (Stephanie Krone) ist nicht so leicht für Ruthwen, bis nach allerhand Party und Dorfgesang schließlich auch sie blutend am Altar baumelt.

Der Weg ins düstere Finale ist somit geebnet. Das Publikum fiebert mit bis zum Schluss. Am Ende viel verdienter Applaus für diese schön erzählte, mit Hintersinn inszenierte und musikalisch verführerische Vampyr-Geschichte.

Info: „Der Vampyr“ an der Landesbühnen Sachsen, wieder am 10., 12., 17. und 19. November

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