Literarische Hommage an das Leben

Lesetipp im Juni: Thees Uhlmann „Sophia, der Tod und ich“

Das Setting ist so skurril wie beängstigend: Stell dir vor, es klingelt frühmorgens an deiner Tür, du öffnest noch schlaftrunken, während in der Küche gerade der Kaffee durch den Filter tröpfelt – und draußen steht der Tod. Es ist nicht der schwarze Sensenmann, den wir aus Filmen und Büchern zu fürchten glauben, der Tod zeigt sich als halbwegs normale Person, die dir auch noch ähnlich sieht. Und er will dich mitnehmen.

Die Hauptfigur in Thees Uhlmanns Roman „Sophia, der Tod und ich“ (Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2015/2022) ergeht es genauso. Nach einigen turbulenten Minuten (drei sollten es eigentlich sein, bis der Protagonist sein Leben aushaucht) stellt sich heraus: Hier läuft nichts nach Plan. Der Ich-Erzähler ist noch am Leben, ein phlegmatischer Enddreißiger ohne nennenswerte Ambition, sieht sich dem personifizierten Tod und seiner Exfreundin Sophia gegenüber und erlebt kurz darauf einen humorvollen Roadtrip durch die wunderbare Welt des Lebens, der Liebe und des kleinen Glücks.

Die heiter ironische Art, mit der Uhlmann diese bittersüße Geschichte erzählt, erinnert an Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“ und führt den Leser auf eine unvergesslich unterhaltsame Begegnung mit der Endlichkeit des Seins. Leichtfüßig folgen wir dem Erzähler, wenn er mit trockenem Humor und bisweilen in kühne Denkkaskaden abschweifend über die großen und kleinen Dinge des Lebens fabuliert. Dabei gestattet sich Uhlmann auch eine melancholische Momente, um sie jedoch schnell wieder in Galgenhumor aufzufangen. Wie könnte eine Figur, der das Leben normalerweise so egal ist wie die letzte Wasserstandsmeldung, schließlich auch den Tod fürchten?

Dieses Buch hat Herz! Der gleichgültige, nüchterne Stil ist bloße Fassade für eine glühende Hommage an das Leben, die von der ersten bis zur letzten Seite aus jeder Zeile quillt. Ein Plädoyer dafür, die Zeit, die Begegnungen mit der Welt jeden Tag aufs Neue zu genießen – sei es nur der Duft von Kaffee am Morgen. Und es lädt dazu ein, die Endlichkeit der Dinge dankend als Motor allen Lebens anzuerkennen – oder um es mit den Worten des Todes zu sagen: „Ich bin der Grund, warum ihr morgens aufsteht. Ich bin die Angst, die euch lieben lässt. Ich bin das Ticken in eurem Kopf. Alles, was ihr im Leben liebt, bekommt durch mich erst seine Form.“

Ruckzuck sind wir auf der letzten der gut 300 Seiten angekommen – doch ein bisschen traurig, dass es nun schon vorbei sein soll. Ein Glück, dass man mit Büchern, anders als mit dem Leben, tatsächlich noch einmal von vorn beginnen kann! Leseempfehlung: unbedingt!!!

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