Erfrorene Herzen

Humperdincks „Königskinder“ an der Semperoper

Die Adventszeit ist gemeinhin auch die Zeit der Märchen. Und keine Oper ist mit diesen letzten, oft glänzenden Tagen im Jahr wohl enger verbunden als Engelbert Humperdicks (1854–1921) „Hänsel und Gretel“ (1893). Selten gespielt wird dagegen seine zweite Oper „Königskinder“ (uraufgeführt 1910 in New York) mit einem Libretto von Elsa Bernstein. Es ist eine Geschichte von Verblendung und Kälte einer Gesellschaft, die das wahre Gute nicht zu erkennen vermag. Nach der umjubelten Premiere und Wiederentdeckung des Stücks (Fotos: PR/Matthias Creutziger) an der Semperoper Dresden am Freitag (19.12.) muss man sich wundern, warum es so selten zu sehen ist.

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Theaterorgasmus mit Unterhaltungswert

„Harry und Sally” am Boulevardtheater Dresden

Männer und Frauen können nicht befreundet sein! Der Film „Harry und Sally“ von Rob Reiner hat das schon im Jahr 1989 bewiesen. Oder war es doch anders? Wie dem auch sei, die Liebeskomödie erobert jetzt in der Bühnenfassung von Marcy Kahan das Dresdner Boulevardtheater – und beschert dort beste Unterhaltung und herzerfrischende Vorweihnachtsromantik.

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Goethes kranke Gesellschaft

„Faust I“ am Staatsschauspiel – eine Kritik

Es war ein Experiment: Der schwedische Regisseur Linus Tunström inszeniert Goethes „Faust, der Tragödie erster Teil“ am Staatsschauspiel Dresden – und kürzt das allerheiligste Stück der deutschen Theaterliteratur dabei auch noch auf eine zweistündige Version ohne Pause zusammen. Die meisten Nebenfiguren fallen in seiner Inszenierung raus, ebenso wie die Zueignung und das Vorspiel auf dem Theater. Das Ganze beginnt im Krankenhaus statt in der Studierstube.

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So viel Spaß kann Schule machen

Die Comödie spielt „Die Feuerzangenbowle“ in Farbe

Die schwarz-weiße Filmfassung der „Feuerzangenbowle“ (1944) von Helmut Weiss gehört zu jenen selten gewordenen Filmen, die genauso unvergesslich sind wie die eigene Schulzeit. Schließlich flimmerte der Streifen mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle noch über 50 Jahre später regelmäßig über die Mattscheiben, wurde so generationenübergreifend ein Renner. Jetzt, wo alte Komödien wie diese im Fernsehen rar werden, feiert die Geschichte in der Fassung von Wilfried Schröder auf der Bühne der Comödie Dresden nun Renaissance

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Starkes Stück auf kleiner Bühne

Die tu bühne spielt „Die fetten Jahre sind vorbei“

Kleine, unscheinbare Bühnen bieten einen nährreichen Boden für jene relevanten Stoffe, die an den großen Häusern viel zu selten in den Spielplänen stehen. So ist das auch im 25. Jahre nach der Wende, also genau 25 Herbste nachdem in Berlin die Mauer fiel. Es sollte den Dresdner Intendanten allerdings schon ein bisschen zu Denken geben, dass sich an der bühne der TU Dresden derzeit gerade jene mit den Protestkulturen von damals (und auch denen von heute, wenn man sie denn überhaupt so nennen kann) auseinandersetzen, die damals noch gar nicht auf der Welt waren oder erst in den Windeln strampelten.

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Fade Endzeitlethargie

Drei Schwestern Staatsschauspiel Dresden
Drei Schwestern an einem langen Tisch der Langeweile …

Tschechows „Drei Schwestern“ am Schauspielhaus

„In Moskau blüht Anfang Mai alles.“ – In Moskau, da ist sowieso alles besser als in der russischen Provinz. Das ist auch der Grund, warum es Anton Tschechows „Drei Schwestern“ (1901) nach Moskau drängt. Doch Olga, Mascha und Irina kommen dennoch nie dort an. Hausregisseur Tilmann Köhler inszeniert diesen Klassiker, der 1901 – vier Jahre vor der Russischen Revolution – seine Uraufführung feierte, nun für das Staatsschauspiel in Dresden. Es ist ein zeitloses Stück, das von der Lethargie des unmittelbar bevorstehenden Untergangs erzählt – widergespielt in den Charakteren der Figuren, die wiederum nur von sich selbst reden, anstatt mit anderen in Dialog zu treten.

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Mit drei Engeln ins Babadies

Baba Jaga Boulevardtheater DD

Wesensverwandt: Engelchen Luzifer und Junghexe Baba

Boulevardtheater öffnet mit dem 5. Teil der „Hexe Baba Jaga“

Sie ist zweifelsohne ein Dauerbrenner der Dresdner Theaterlandschaft: „Die Hexe Baba Jaga“ fegt als saalfüllende Komödienproduktion in mehreren Teilen seit 2005 mit Rainer König in der Hauptrolle über die Bühnen der Stadt. Der fünfte Teil „Geburt einer Legende“ ward daher sicher auch bewusst erkoren, um das neue Boulevardtheater zu eröffnen. Und diese Rechnung geht auf. Selbst vierzehn Tage nach der Premiere am 14. September sind die Reihen im neuen, blauen Saal in der Maternistraße bestens gefüllt – wie gewohnt hält die Hexe auch hier, was sie verspricht.

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Wohlstand auf Kosten der Menschlichkeit

Schöne neue Welt im Schauspielhaus Dresden
Huxleys gruselige Science-Fiktion-Welt ist uns erstaunlich nah.

Huxleys „Schöne neue Welt“ am Staatsschauspiel

Identität, Konformität, Stabilität. Das sind die Staatsmaxime, aus denen Aldous Huxley (1894–1964) in seinem Roman „Schöne neue Welt“ (1932) die Utopie einer perfekt funktionieren Gesellschaft baut. Eine Gesellschaft aus Retortenmenschen (Foto: PR/David Baltzer), in der ein jeder genetisch auf die ihm vorbestimmte Aufgabe im System konditioniert wird. Eine Welt des Konsums, in der Krankheiten ausgerottet, echte Liebe überflüssig und der Tod auf das 60. Lebensjahr festgelegt sind. Regisseur Roger Vontobel lässt diese Romanutopie in einer knackigen Theaterfassung von Robert Koall zum Saisonstart auf der Bühne des Schauspielhauses Dresden auferstehen.

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Wie die Faust aufs Auge …

Ich armer Tor, Staatsschauspiel Dresden
Männer in der Midlifecrisis oder arme Toren an der Bürgerbühne in Dresden …

Eindrücke Bürgerbühnenfestival vom 18. Mai

Wenn ich mich umsehe, dann ist der kleine Zuschauerraum prall gefüllt. Ein ganz unterschiedliches, aus allen Generationen und jeder Herkunft stammendes Publikum richtet immer gespannter seinen Blick auf die Bühne (Bernhard Siegl). Auch ich schaue sie mir neugierig an. Wüsste ich es nicht besser, würde ich glauben, ich stehe im Kaufhaus vor den Umkleidekabinen. Sieben an der Zahl, auf einem kleinen Podest aufgestellt, über ihnen schmale Täfelchen. Und das soll etwas mit Goethes Allzeitmeisterwerk „Faust“ zu tun haben?

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Menschmaschine versus Rebellion

Sophokles „Antigone“ am Staatsschauspiel Dresden

Eine Videoleinwand, jemand liest die Ödipus-Sage. Unten raucht die Erde, der Krieg ist vorbei. Doch der frisch gekrönte König Kreon möchte Kraft seines neuen Amtes Polyneikes nicht bestatten lassen, dessen Bruder Eteokles hingegen schon. Beider Schwester Antigone ist das nicht recht. Mitten im Trümmerfeld steht sie, eine großköpfige Puppenfigur namens Ismene schüttelnd – denn sie will mit ihr den Bruder heimlich begraben. So geraten Antigone und Kreon also in Streit.

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