Vorhang auf für kurzweilige Kurzfilme

R.E.M beim 24. Filmfest Dresden

Das 24. Filmfest Dresden öffnet vom 17. bis 22. April seine Pforten. Wie in den letzten Jahren auch ist das Programm voll gestopft mit Kurzfilmen. Um die 300 Filme sind es dieses Mal. Nicht nur im Wettbewerb, sondern auch in einzelnen Sonderprogrammen wie zum Beispiel die Retrospektive zum britischen Animationskünstler Peter Sachs. Doch ein besonderes Schmankerl ist die diesjährige und erstmalige Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Dirk Burghardt, kaufmännischer Direktor der SKD, freut sich besonders dieses Jahr dabei zu sein. „Wir haben schon länger überlegt, wie wir mit dem Filmfest Dresden einmal zusammenarbeiten können.“ Nun bietet eine Musikerlegende die Möglichkeit einer Zusammenarbeit. Burghardt und seinen Kollegen ist es gelungen, das Kunstprojekt von Michael Stipe, den ehemaligen Leadsänger der Band R.E.M., nach Dresden zu holen. Nach 31 sehr erfolgreichen Jahren trennte sich 2011 die Band und ihr Album „Collapse into Now“ sollte das letzte sein. Es ist ein einzigartiges Album, nicht nur wegen der Musik, sondern auch weil Stipe daraus ein Filmprojekt machte. Für jeden der zwölf Songs konnte er einen namenhaften Regisseur wie James Franco gewinnen, der das Lied in einem Kurzfilm interpretiert. Herausgekommen ist ein visuelles Erlebnis. Burghardt meint dazu, dass Dresden neben Austin, New York und Istanbul nur eine von vier Städten ist, die alle zwölf Kurzfilme zeigt. „Und wir zeigen sie im Albertinum, was die perfekte Kulisse eines solch außergewöhnlichen Projektes ist.“

Einziger Wermutstropfen ist, dass „Collapse into Now“ nur an zwei Tagen gezeigt wird. Einmal am Donnerstag (19.4., 20 Uhr) im Lichthof des Albertinums und am Samstag (21.4., 22.15) in der Schauburg. Allerdings zeigt das SKD begleitend dazu die vom 20. April bis 10. Juni dieses Jahres die Ausstellung „Anton Corbijn. R.E.M. Seen between 1990 – 2010“. Der niederländische Fotograf ist bekannt für seine Fotografien rund um die Rockszene und hat schon Nirvana oder U2 vor der Linse gehabt. Mit „ R.E.M. Seen between 1990-2010“ werden nun 40 Portraitaufnahmen der Band gezeigt. Ein eindrucksvolles, vor allem sehr persönliches Bild der Band entsteht so, denn Corbijn hat die Fotos weder nachbearbeitet noch die Bandmitglieder unter künstlichem Licht abgelichtet.

Janine Kallenbach

Zum Foto: Bradley Kaplan and Albert Maysles haben den Song “Me, Marlon Brando, Marlon Brando and I” interpretiert. (Foto: PR/Filmfest Dresden)

Linktipp: www.filmfest-dresden.de

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Die Tragik eines Nachmittags

„Treffen am Nachmittag“ am Societaetstheater

Es beginnt im Dunkel. Moderne Stühle stehen um einen Glastisch. Ein alter Mann setzt sich, bedient eine Fernbedienung, Knacken, Rauschen, das Licht wechselt die Farbe. Er stellt sein Hörgerät ein. Musik ist zu hören, dann der Polizeifunk, wieder Musik. Plötzlich klingelt es. Das Licht geht an, er öffnet die Tür. Eine gepflegte Dame tritt ein. Sie hat sich schick gemacht, trägt ein rotes Kleid mit Schal, hohe Schuhe und sieht sich um, setzt sich schließlich. Die ersten Minuten von Henning Mankells „Treffen am Nachmittag“ vergehen am Societaetstheater Dresden ganz ohne ein Wort. Danach herrscht dafür ein umso rauerer Ton zwischen den beiden Hauptfiguren. Sie sind 60 Jahre verheiratet, 23 davon getrennt (oder waren es schon 24?) und eigentlich immer noch ein schönes Paar. Die Beiden wissen, dass sie alt sind – und dennoch, oder gerade deshalb, will sie nun die Scheidung.

Das ursprünglich als Rundfundhörspiel konzipierte Kammerstück des Schweden Henning Mankell hat es in sich. Feinsinnig zeichnet der durch seine Wallander-Krimis international populär gewordene Autor darin das Profil eines ergrauten Liebespaares, das die Probleme des Lebens eigentlich längst gelebt und verziehen haben sollte. Doch die beiden reden erst jetzt miteinander – und wie! Wortgefechte, die von Seitensprüngen bis hin zu Inkontinenz und Tablettenkonsum allerlei traurig-komische Geständnisse enthüllen. Mankells Text strotzt vor Ironie. Er erzählt in subtiler Weise von den Unwägbarkeiten der Liebe, ebenso wie von den Unzulänglichkeiten der Liebenden, deren tiefe Zuneigung zueinander trotz des gelegentlichen Hasses aufeinander nie endet. So ein Text braucht, wenn er auch auf der Bühne funktionieren soll, vor allem eines: sehr gute Schauspieler.

Für die deutsche Uraufführung am Theater hat sich Regisseur Andreas Pirl daher zwei Koryphäen erster Güte auf die Bühne geholt. Irma Münch (geboren 1930), war bis 1990 Mitglied des Schauspielensembles des Deutschen Fernsehfunks der DDR und mit dem Schauspieler Hans-Peter Minetti verheiratet, spielt den weiblichen Part. Und Hermann Beyer, der (1943 geboren) am Societaetstheater zuletzt in „Totentanz“ zu sehen war und als Schauspieler bis heute in zahlreichen Fernsehproduktionen mitwirkt. Den beiden nimmt man das alte, frustrierte bis einsame Ehepaar (Foto: PR/Detlef Ulbrich) gern ab. Sie harmonieren zusammen, optisch ebenso wie beim Spiel. Das jedenfalls lässt sich an vielen Stellen der Uraufführung schmerzlich erahnen.

Denn ganz sicher gelänge es den beiden Schauspielern, die pfiffigen, oft frechen und schonungslos ehrlichen Dialoge mit viel Humor und Spielfreude auf der Bühne erlebbar zu machen. Von der nötigen Lockerheit und erfahrener Routine ist bei der Uraufführung am 13. April allerdings nicht viel spürbar. Es scheint eher wie verhext. Immer wieder verheddert sich Hermann Beyer in allzu offensichtlichen Texthängern. Mehrfach fordert er die Souffleuse auf, ihm den Text laut vorzusagen und bringt den Spielfluss damit unangenehm ins Stocken. Improvisiert er auch anfangs noch selbstbewusst über seine Unsicherheiten hinweg, so drohen diese am Ende die gesamte Dramaturgie zu sprengen. Auch Irma Münch wird dadurch immer wieder zur Improvisation gezwungen, was sie jedoch souverän und tapfer meistert.

So bleibt zum Schluss nur eine leise Ahnung davon, dass in Beyer ein grandioser Schauspieler steckt, der an diesem Abend nur einfach nicht in Gang kommen will. Stattdessen wird er auf traurige Weise zu eben jener vergesslichen Figur, die er eigentlich spielen soll. Am Ende bibbert das Publikum mehr mit ihm als mit dem eigentlichen Stück. Das ist schade.

Nicole Czerwinka

„Treffen am Nachmittag“ am Societaetstheater Dresden wieder am 14.4. 20 Uhr sowie am 18.5. und 19.5. jeweils 20 Uhr.

 

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Die Leuchttapete an der Wand

Das Tal der Superhirne, Teil II

In Dresden wird seit jeher gefragt, geforscht und entdeckt. Allein die Technische Universität meldete 2011 rund 120 Patente an – und ist damit bundesweiter Spitzenreiter. Doch auch an den anderen Hochschulen und Instituten der Stadt köchelt es in den Erfinderstübchen. www.elbmargarita.de stellt in einer losen Serie DDner Entdeckungen vor:

Was sind eigentlich organische Halbleiter? „Das sind organische Kohlenstoffmaterialien, die ähnlich wie die bisherigen Halbleiter aus Siliziumkristallen in der Elektronik eingesetzt werden können, jedoch weit vielfältiger verwendbar und besonders energiesparend sind“, erklärt Professor Karl Leo von der Technischen Universität Dresden (TU). Leo erforscht organische Halbleiter an der TU schon seit den 90er Jahren. Gemeinsam mit Dr. Jan Blochwitz-Nimoth von der Novaled AG und Dr. Martin Pfeiffer von der Heliatek GmbH ist es ihm nun erstmals gelungen, organische Halbleiter für den Einsatz in verschiedensten Produkten entscheidend zu verbessern.

Die Wissenschaftler schufen die Basis für Anwendungen von Displays, Beleuchtung und Photovoltaik, die bis dato undenkbar waren. So können die organischen Halbleiter dank des Dresdner Forscherteams künftig die heute gebräuchlichen kristallinen Materialien wie Silizium mit neuen Nutzungsmöglichkeiten in der Elektronik ergänzen. „Man kann diese Leiter zum Beispiel transparent machen und in Gebäude und Fenster integrieren“, erklärt Professor Leo. Auch die Biegsamkeit der Halbleiter sei ein grundlegender Vorteil. So lassen sich die Materialien vergleichsweise einfach und kostengünstig zu Transistoren, Leuchtdioden oder Solarzellen mit ungewöhnlichen Eigenschaften verarbeiten: als dünne, biegsame und transparente Folien fast beliebiger Größe. Die Dresdner Forscher verbesserten die Effizienz organischer Leuchten und Lichtfänger zudem deutlich, indem sie die Kunststoffe darin mit bestimmten Fremdsubstanzen „spickten“. Sie entwarfen organische Leuchtdioden (OLED), die eine größere Lichtausbeute haben als Leuchtstoffröhren, was zum Beispiel für die Beleuchtung in Büros angewendet werden könnte.

„Wir stellen uns vor, dass die organischen Halbleiter später als großflächige Leuchten in verschiedenen Farben etwa wie eine Tapete an die Wand geklebt werden können“, sagt Leo. Auch durchsichtige dünne Solarzellen könnten künftig auf Autos oder Kleidungsstücken haften und Strom aus Sonnenlicht erzeugen. Für die Fertigung solcher Produkte haben die Forscher in Dresden eine erste Rolle-zu-Rolle-Anlage errichtet, die organische Elektronik-Bauteile auf eine dünne Unterlage druckt – ähnlich wie eine Zeitung auf Papier. Die patentierten Anwendungen werden inzwischen bereits in zwei ausgegründeten Unternehmen realisiert. Das Forschungsprojekt wurde im Dezember mit dem Deutschen Zukunftspreis 2011 ausgezeichnet.

Nicole Czerwinka

(erschienen in SAX 02.12, Seite 10/11)

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Zu Besuch im Gefühlshaushalt

Die Leidenschaften im Hygiene-Museum

Kaum ein Gefühl bestimmt unser Leben so unmittelbar und unwillkürlich wie ein leidenschaftliches Gefühl. Sicher auch aus diesem Grund widmet das Hygiene-Museum Dresden dem Thema LEIDENSCHAFTEN in diesem Jahr eine eigene Sonderausstellung.

Der Besucher wird dabei zu einem Theater der besonderen Art eingeladen: Bei der Ausstellung „Die Leidenschaften, ein Drama in fünf Akten“ soll er selbst in die Stürme und Wogen des menschlichen Gefühlshaushaltes eindringen. In abstrakter Weise erzählt die Ausstellung von Kuratorin Catherine Nichols sowie der beiden Gestalterinnen Mariama Clément und Julia Hansen davon, wie uns die Leidenschaften immer wieder im Leben packen, mitreißen, beflügeln, in Abgründe stürzen und schließlich, manchmal plötzlich, manchmal nach langem Kampf, wieder loslassen. In beschreibender Weise sammelt die Ausstellung Beispiele, eine riesige Collage von Leidenschaften verschiedenster Art, mit deren Hilfe der Besucher seinen ganz persönlichen Erfahrungen sowie dem Phänomen „Leidenschaft“ per se auf den Grund gehen soll. Grundgedanke der Exposition bleibt dabei immer die Tatsache: Ohne Leidenschaft läuft rein gar nichts im Leben.

Und so werden wir im ersten Akt dieses bizarren Gefühlsdramas von einem großen Krokodil (Foto: PR/Oliver Killig) begrüßt, das inmitten einer gutbürgerlichen Kücheneinrichtung seine Berechtigung sucht. Schließlich kommen sie meist ungewollt, aggressiv und unerwartet wie ein Krokodil im Urwald daher, diese Leidenschaften. Was folgt, ist ein spannender Rundgang durch die Kulturgeschichte und Erscheinungsformen der Leidenschaft, die auch danach fragt, ob Leidenschaft wirklich immer Leiden schafft oder ob die Vernuft vielleicht auch ihre Chance bekommt.

Verstört und fasziniert zugleich wandern wir also weiter, befinden uns mittendrin und versuchen dabei doch, das Ganze irgendwie distanziert zu verarbeiten. Wir stoßen auf Ecken, in denen wir uns wohlfühlen und auf Gebiete, die uns fremd sind, in diesem Gefühlshaushalt  – und picken uns doch immer wieder das für uns Beste, Interessanteste heraus. Ja, zum Nachdenken regen sie bestimmt an, diese Leidenschaften als „Drama in fünf Akten“.

Richtig greifbar, und das ist durchaus ein vorhersehbares Manko der Ausstellung, werden die Leidenschaften dabei jedoch nicht – da kann auch ein Krokodil aus Gummie nichts daran ändern. Wer eine Antwort darauf haben möchte, warum uns Leidenschaften so heftig befallen, wo sie herkommen und was sie bedeuten, der wird nach dem fünften Akt nicht schlauer sein, als vor dem ersten. Aber vielleicht ist das ja auch gerade der Sinn – spannend wie die Leidenschaft ist dieses fünfaktige Drama schließlich allemal!

Nicole Czerwinka

Ausstellung „Die Leidenschaften – Ein Drama in fünf Akten“, im Deutschen Hygiene-Museum Dresden, noch bis zum 30. Dezember 2012

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Bedeutungsvolles Nichts

Janne Teller Nichts, Staatsschauspiel Dresden
Ein Gruppe von Jugendlichen ist mit Nichts auf der Suche nach Bedeutung (Foto: PR/David Baltzer).

Janne Tellers „Nichts.“ am Staatsschauspiel

Am Anfang steht die Videoprojektion. Was die Zuschauer oben auf der Leinwand sehen, passiert unten in der Horizontalen. Die Ebenen werden so auf effektvolle Weise verkehrt. Alle Beteiligten liegen am Boden, am Anfang, als Pierre Anthon aus der Klasse 7a geht. Er entgleitet seinen Kameraden förmlich ins Ungewisse, ins Nichts. Die dänische Schriftstellerin Janne Teller schuf mit ihrem Jugendroman „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ bereits im Jahr 2000 die Vorlage für das Theaterstück, das am Kleinen Haus in Dresden am 31. März Premiere feierte. Es handelt von Pierre Anthon, der sich an einem heißen Sommertag nach den Ferien plötzlich in seinen Pflaumenbaum zurückzieht und behauptet, dass nichts auf der Welt eine Bedeutung hat. Und schon sitzt er da, hoch oben auf den auf der Bühne sorgfältig gestapelten Holzpaletten (Bühne: Karoly Risz). Im Theater provoziert er das Publikum mit dem Mikrophon in der Hand, er bezieht die Zuschauer so direkt mit in das Geschehen ein, viel wirkungsvoller als im Buch.

Hausregisseur Tilmann Köhler hat den umstrittenen, hochphilosophischen und mittlerweile in 13 Sprachen übersetzten Roman Janne Tellers mit den Studentinnen und Studenten des Schauspielstudios Dresden auf jugendlich-frische Art für die Bühne des Dresdner Staatsschauspiels inszeniert. In der folgenden Szene zeigt die Videoprojektion die acht jungen Schauspieler von oben, wie sie wie Ameisen hilflos vor dem Nihilismus ihres früheren Klassenkameraden hin- und herrennen. Schließlich geht es um viel, Pierre Anthons gewagte Thesen vom allumspannenden Nichts führen das Leben ad absurdum, die Jugendlichen wollen daher nun seine Sprüche ad absurdum führen – und beginnen, bedeutsame Gegenstände für einen „Berg aus Bedeutung“ zu sammeln. Zunächst im Publikum. Später soll dann jeder Einzelne von ihnen ein ganz persönliches Opfer bringen. Mit den grünen Sandalen von Agnes beginnt es – und steigert sich schon bald bis ins Geschmacklose. Zum Schluss muss Sophie ihre Unschuld opfern und Jan-Johan seinen rechten Zeigefinger. Das anfangs noch unschuldige Spiel gerät außer Kontrolle.

Die jungen Schauspieler bringen dieses literarische Gedankenspiel Tellers unwahrscheinlich energiereich und voll Erfindungsreichtum auf die Bühne. Immer wieder beziehen sie das Publikum mit in ihr rasantes Spiel ein, verblüffen mit ungeheurer Spontanität und zeigen dabei spürbar Freude an der Improvisation. Es fällt schwer, sich dieser Schnelligkeit und dem Wahnsinn des Stückes zu entziehen. Gibt es zu Anfang noch einige Lacher, herrscht später, als Jan-Johan seinen Finger opfern soll, auf einmal bedächtige Ruhe im Saal. Schon wird diese selbstironisch vom Ensemble gebrochen, mit der offenen Frage, wer von den Darstellern auf der Bühne denn nun Jan-Johan sein soll. Denn die Rollen – und das ist ein geschickter Schachzug Köhlers – sind zu keiner Zeit festgeschrieben. Pierre Anthon wird zum Hamster, Agnes zu Pierre Anthon und so weiter. Jeder ist jeder und alle sind alles, oder eben nichts. Den Schauspielstudenten ringt das darstellerische Höchstleistungen ab, sie müssen jeder für sich in allen Facetten brillieren, permanent von Figur zu Figur schlüpfen. Obwohl sie das mit Bravour meistern, ist es für den Zuschauer doch an mancher Stelle auch verwirrend. So wird der Roman vielleicht ein bisschen zu wörtlich genommen: Nichts bleibt, wie es war. Selbst Requisiten wandern wie von Geisterhand auf die Bühne, wechseln ihre Bedeutung, kreativ wird mit den einfachsten Mitteln gespielt. Zweifelhaft ist dabei jedoch, ob tatsächlich jeder versteht, was beispielsweise ein „Dannebrog“ (in Dresden ersetzt durch einen blauen Slip) ist und warum diese dänische Nationalflagge für einen Jugendlichen von etwa 14 Jahren so bedeutungsschwer sein soll. Hier driften dänische Vorlage und sächsisches Theater ein bisschen auseinander.

Die Sucht nach Bedeutung gelangt dann schließlich auch auf der Bühne zum Höhepunkt, als Jan-Johan seinen Finger opfern muss. Trickreich wird hierbei das Publikum aus seiner Schockstarre geweckt und wiederum direkt ins Geschehen hineingezogen, als ein spontaner Gitarrenwettbewerb auf der Bühne entscheiden soll, welcher Schauspieler Jan-Johan mimen wird. Die Entscheidung – und das erscheint genial – liegt dabei ganz allein beim Publikum, das per Applaus für den einen oder den anderen abstimmen wird, und sich so auch ein Stück weit mitschuldig macht am darauffolgenden Verlust des Fingers. Reflektierende Distanz unerwünscht. Jeder ist alles oder nichts.

Dass die Inszenierung sich dabei auch allzu gern mal vom Text der Romanvorlage abhebt und szenische Freiheiten ausgiebig auskostet, macht einen gewissen Reiz des Ganzen aus. Es kann allerdings dann zu Problemen führen, wenn man die Romanvorlage nicht kennt. Sehr dicht wird es dabei vor allem am Schluss, wo Journalisten aus aller Welt zu den Schülern kommen, um ihren Berg aus Bedeutungsvollem als Kunstwerk zu begutachten. Auch hier wird das Publikum wieder auf die Bühne zitiert und somit Teil der gaffenden Masse. Doch allzu schnell ist dieser Ruhm verflogen und der Berg wieder vom Nichts bedroht. Was dann kommt, passiert im Zeitraffer. Unbelesene werden spätestens hier überfordert sein: Massenkampf mit Todesfolge, der Berg wird angezündet und nur die Asche bleibt vom einstmals Bedeutungsvollen noch übrig. Erst hier kommt die Videoprojektion dann wieder zum Einsatz, weit weniger wirkungsvoll als zu Beginn zeigt sie dieses Mal jedoch nur auf eine Person, die erledigt am Boden liegt – oben wie unten, die Ebenen scheinen nun gewaltvoll geglättet. Die Moral von der Geschichte bleibt im Roman wie am Theater jedem selbst überlassen – es sei denn man hält es wie Pierre Anthon.

Staatsschauspiel Dresden, Kleines Haus, wieder am 7.4., 13.4., jeweils 19.30 Uhr,

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Provisorium in der Südvorstadt

Vergessene Orte: Die Zionskirchruine

An dieser Stelle stellt www.elbmargarita.de in loser Folge vergessene Orte der Stadt vor – das können Gebäude oder auch Plätze sein, die spannende Geschichten über Dresden und seine Bewohner erzählen.

Die Zionskirchruine an der vielbefahrenen Nürnberger Straße erscheint vielen Dresdnern und Gästen als architektonisch verunglücktes Provisorium. Da die Dachkonstruktion des massigen Kirchenbaus durch einen Bombentreffer verloren ging, Teile der Kirche aber nach dem Krieg weiter genutzt wurden, setzte man kurzerhand ein praktisches Flachdach auf die notdürftig gesicherte Ruine, um das Bauwerk vor Wind und Regen zu schützen.

Erbaut wurde die Zionskirche in einer Zeit, als die heutige Südvorstadt noch aus Wiesen und Feldern bestand. Der katholische Dresdner Industrielle Johann Hampel hatte das Geld für den Kirchenbau der Gemeinde Dresden gespendet, um für sich und seine Ehefrau eine adäquate letzte Ruhestätte zu schaffen. Nach seinem Tod wurde 1901 eilends der Grundstein für die neue evangelische Kirche gelegt, da die Schenkung sonst der katholischen Kirche zugefallen wäre.

Was den Maschinenbauer zu dieser paradoxen Erbschaftsregelung bewegt hatte, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Die Stadt entschied sich, den Auftrag für die Gestaltung der Kirche durch einen Wettbewerb zu vergeben, aus dem das Büro Schilling & Graebner hervorging. Der Bau zog sich dann von 1908 bis 1912 hin; eine eindrucksvoll- wuchtige Jugendstilkirche entstand, die zu ihrer Grundsteinlegung weder Pfarrer, noch Gemeinde hatte. Besonders faszinierend ist auch heute noch die Kreuzigungsszene an der Außenwand des Gebäudes, die mit der Überschrift „Lobe Zion deinen Gott“ (Psalm 147)  versehen ist und der Kirche ihren Namen geben sollte.

Während des Baus der Kirche herrschte auch ringsum rege Bautätigkeit; ein neues Viertel entstand, sodass die Kirche bei ihrer Weihe eine Gemeinde von mehr als 5000 Mitgliedern hatte. Bei den Bombenangriffen auf Dresden ging die Kirche zusammen mit dem gerade entstandenen Viertel unter. Erst 1981 bekam die Zionskirchgemeinde einen neue Kirchenbau von der schwedischen Kirche geschenkt; bis dahin wurden eine Baracke neben der Kirchruine und zwei ausgebaute Räume der Kirchruine genutzt.

Die Ruine selbst dient hingegen weiter einem wichtigem Zweck. Als Lapidarium der Stadt Dresden beherbergt sie nun über 3000 beschädigte Statuen, Bauteile, geschmolzene Zäune oder Schmuckelemente, die nach 1945 von Dresdner Bürgern aus Ruinen geborgen worden und vor der endgültigen Vernichtung gerettet worden waren. Fast jedes dieser Teile kann mittlerweile einem früheren Gebäude oder Anwesen der alten Südvorstadt zugeordnet werden und dokumentiert damit die Geschichte eines untergegangenen Stadtteils.

Einmal jährlich, zum Tag des offenen Denkmals, kann man das Lapidarium besichtigen und die besondere Atmosphäre dieses vergessenen Ortes ganz hautnah erleben.

Foto&Text: Annett Baumgarten

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Fulminantes Zirkusspiel

Bergs „Lulu“ an der Semperoper

Dompteure, Raubtiere, Clowns und Seiltänzer – es ist ein einziger großer Zirkus, den Regisseur Stefan Herheim dem Publikum in seiner „Lulu“-Inszenierung an der Semperoper vorführt. Dabei dreht sich in diesem – bereits an den Opernhäusern in Kopenhagen und Oslo erfolgreichen – ironischen Spiel des Theaters mit dem Theater eigentlich alles um die Hauptfigur. Lulu, auch Nelly oder Mignon genannt, hat viele Gesichter. Ob als schlummernde Venus, Femme fatal, Clowin, Ehefrau oder Braut, bleibt sie am Ende der Inbegriff des Weiblichen – verehrt, verführt, verheiratet, verrucht, verliebt und vergewaltigt.

Alban Bergs Oper ist nach der Vorlage zweier Tragödien von Frank Wedekind („Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“) entstanden – und eine einzige Hommage an die Sinnlichkeit. Die Figur der Lulu wird dabei zur Illusionsfläche männlicher Phantasien. Mit viel Liebe zum Detail verwandelt Herheim dieses zirkushafte Ränkespiel auf der kleinen in der großen Bühne (Bühne: Heike Scheele) in ein buntes, bilderreiches Spektakel, ohne dass Lulu gänzlich auf ihre allgegenwärtige Erotik reduziert bleibt. Gisela Stille, die die Partie der Lulu bereits in Kopenhagen und Oslo sang, brilliert dabei in der Titelrolle. Gesanglich wird sie zum Star des Abends, wenn sie auch schwere Passagen mit souverän kraftvoller Stimme vorträgt und musikalisch scheinbar über allen schwebt, während die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Cornelius Meister ihrerseits begeistert.

Die vierstündige Aufführung fasziniert so auch am Dresdner Opernhaus als eine aus Witz, Musik und der Tragik des Endes feinsinnig abgestimmte Gesamtkomposition.

Nicole Laube

(erschienen in Hochschulzeitung „ad rem“, am 07.03.2012)

Dresden, Semperoper wieder am 25.3. und 28.3., je 19 Uhr

Foto: Semperoper/Matthias Creutziger

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Wer Macht hat, hat auch recht

„Der zerbrochene Krug“ am Staatsschauspiel

Hoch waren die Erwartungen an Roger Vontobels zweite Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden, nachdem sein „Don Carlos“ sich zum gefeierten Dauerbrenner entwickelt hatte.  Dass er danach mit Kleists „Zerbrochenen Krug“ ein Lustspiel inszenieren würde, hatte wohl kaum einer erwartet.

Kleists Lustspiel behandelt einen Stoff, aus dem man auch eine Tragödie machen könnte. Denn die Geschichte des Dorfrichters Adam, der über ein Verbrechen zu Gericht sitzt, dass er selbst begangen hat, erscheint in ihrer Absurdität immer auch beklemmend. Denn Recht haben hier zunächst diejenigen, die Macht über andere haben.

Genau dieser Aspekt scheint Vontobel besonders fasziniert zu haben. Vielfältig sind die Bedrohungen, die Machtdemonstrationen und Machtgefällte, die sich während des Prozesses unter den Dorfbewohnern entfalten. Denn es geht hier nicht um einen profanen Krug, sondern um Gewalt und Machtmissbrauch, um sexuelle Nötigung und Erpressung.

Das erste Drittel der Inszenierung ist ganz im Kleistschen Sinne noch sehr slapstickartig gehalten. So werden die unterschiedlichen Versionen der Vorgänge, die zur Zerstörung des Krugs führten, nicht einfach erzählt, sondern szenisch nachgestellt. Das anfangs etwas altbacken wirkende Bühnenbild von Magda Willi entfaltet hier seine volle Wirkung, denn jeder Gegenstand, jedes Gestaltungselement des vollgestopften Raumes hat hier seinen Zweck. Rasante Szenen folgen aufeinander; ständig passiert etwas auf der Bühne; es wird gerannt, man stürzt, kämpft und rangelt miteinander.

Das Publikum lacht und applaudiert und bemerkt darüber kaum, den erzählerischen Sog, der die Geschehnisse zunehmend drastischer, düsterer und gefährlicher macht. Unversehens eskaliert die Gewalt, vor allem gegen den Angeklagten Ruprecht Tümpel, den Sebastian Wendelin als herrlich naiven Simpel anlegt.

Auch Burghart Klaußners Adam, der sich zunächst mit albernen Ablenkunsmanövern der Lächerlichkeit preisgibt, durch Charme, Schmeichelei und Betulichkeit seine Felle zu retten versucht, wird zunehmend polternder, reizbarer, ja gefährlicher.

Je näher man der Lösung des Rätsels kommt, desto mehr kann das Ensemble auftrumpfen. Als Zuschauer rückt man unwillkürlich auf dem Sitz nach vorn, wenn Sonja Beißwenger als gestrenge Gerichtsrätin im Businesskostüm sich langsam selbst im Gespinst der Lügen zu verirren droht, Marthe Rull (Hannelore Koch) ihre Tochter immer mehr unter Druck setzt und das Mädchen (gespielt von Karina Plachetka) schließlich zusammenbricht und nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch Rache einfordert.

Die abschließenden Erklärungen gestalten sich dann doch etwas zu langwierig, nach all der Rasanz nimmt sich die genaue Erklärung der Abläufe, die den Krug zu Boden gehen ließen etwas zu statisch aus.

Insgesamt  ist Roger Vontobel nicht der ganz große zweite Wurf gelungen, doch sein „Zerbrochener Krug“ ist mitreißend inszeniert und gespielt, hervorragend besetzt und intellektuell anregend.

Annett Baumgarten

„Der zerbrochene Krug“ am Staatsschauspiel Dresden, wieder am 18.3., 19.00 Uhr, 27.3., 19.30 Uhr, 9.4., 19.30 Uhr

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Vorhang auf, Licht an

Das Tal der Superhirne, Teil I

In Dresden wird seit jeher gefragt, geforscht und entdeckt. Allein die Technische Universität meldete 2011 rund 120 Patente an – und ist damit bundesweiter Spitzenreiter. Doch auch an den anderen Hochschulen und Instituten der Stadt köchelt es in den Erfinderstübchen. www.elbmargarita.de stellt in einer losen Serie DDner Entdeckungen vor:

Matthias Pinkert studierte von 2004 bis 2009 Produktgestaltung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW). Im Rahmen eines Seminar-Projektes – Ziel war es, neue, bedienungsfreundliche Produkte zu entwickeln – im siebten Semester kam ihm 2007 eine patentreife Idee. „Mir war schnell klar, dass ich mich dem Thema Licht zuwenden will“, sagt Pinkert. Er erinnert sich: „Damals waren die LED-Leuchten gerade ganz groß in Mode.“ Ein ganz normaler Vorhang habe ihn schließlich zu seiner Leuchte mit besonderem Lichtsteuerungsverfahren inspiriert.

Die aus einer langen Metallröhre auf vier Füßen stehende Lampe sieht auf den ersten Blick einfach nur futuristisch aus. Mit Hilfe von gardinenringartigen Metallringen kann das Licht damit je nach Bedarf entlang der Röhre „verschoben“ und somit genau da platziert werden, wo man es braucht.  „Das ist nicht nur praktisch, sondern auch besser für das Auge und sparsamer, denn die Lampe verbraucht natürlich nur da Strom, wo das Licht angeschaltet, also der Ringvorhang aufgezogen, wurde“, erklärt Pinkert.

Die Lampe funktioniert dank einer Vielzahl von aneinandergereihten LED-Lämpchen. Mithilfe der LEDs und einer Sensorik wird es möglich, die Ringe per Hand zu steuern und so das Licht per Vorhangprinzip auf- und zuzuziehen.

Pinkerts Idee überzeugte die Professoren, sodass er ein Patent auf seine Erfindung anmeldete und nach dem Studium ein zweijähriges Stipendium zur Entwicklung der Leuchte bekam. Zusammen mit einem Team von zwei Ingenieuren und zwei Kaufmännern entstanden ein Prototyp und ein Verkaufskonzept. Im vergangenen Jahr folgte dann die Gründung der Dresdner dreiplus GmbH unter Pinkerts Leitung.

Die Weiterentwicklung des Produkts für den Markt dauert derzeit noch an. Noch im Laufe dieses Jahres soll die Leuchte voraussichtlich in zwei Schienen vertrieben werden. „Wir wollen einerseits Design- und Wohnraumleuchten, zum Beispiel für Küchenzeilen, produzieren. Andererseits könnten die berührungslos steuerbaren Leuchten auch an Labore und Krankenhäuser verkauft werden“, so der junge Erfinder. Die Lampen sollen dann in Mittweida und Lauenstein hergestellt werden.

Nicole Laube

(erschienen in SAX 02.12, Seite 10/11)

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Freier Eintritt dank Kassensturz

Militärhistorik für klamme Geldbeutel

Manche Besucher im Militärhistorischen Museum haben sich in den vergangenen Tagen sicher schon ein bisschen gewundert. Nach der Eröffnung Mitte Oktober und der ersten Aufwärmphase bis Ende Dezember ist der Eintritt im Museum gegenwärtig noch immer frei. Und das soll er „bis auf Weiteres“, wie es aus der Pressestelle heißt, auch bleiben. Über die Gründe indes schweigt sich diese aus.

„Änderungen werden zeitgerecht über die Presse und auf unserer Homepage kundgetan“, hieß es heute auf Anfrage lediglich dazu. Kann sich die Bundeswehr das leisten? Sicher nicht. Aber wie www.elbmargarita.de aus zuverlässiger Quelle  erfuhr, sind wohl Probleme mit dem Kassensystem im Museum schuld an der unfreiwilligen Großzügigkeit. Immerhin, die Besucher und Dresdentouristen freut’s! (NL)

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