Provisorium in der Südvorstadt

Vergessene Orte: Die Zionskirchruine

An dieser Stelle stellt www.elbmargarita.de in loser Folge vergessene Orte der Stadt vor – das können Gebäude oder auch Plätze sein, die spannende Geschichten über Dresden und seine Bewohner erzählen.

Die Zionskirchruine an der vielbefahrenen Nürnberger Straße erscheint vielen Dresdnern und Gästen als architektonisch verunglücktes Provisorium. Da die Dachkonstruktion des massigen Kirchenbaus durch einen Bombentreffer verloren ging, Teile der Kirche aber nach dem Krieg weiter genutzt wurden, setzte man kurzerhand ein praktisches Flachdach auf die notdürftig gesicherte Ruine, um das Bauwerk vor Wind und Regen zu schützen.

Erbaut wurde die Zionskirche in einer Zeit, als die heutige Südvorstadt noch aus Wiesen und Feldern bestand. Der katholische Dresdner Industrielle Johann Hampel hatte das Geld für den Kirchenbau der Gemeinde Dresden gespendet, um für sich und seine Ehefrau eine adäquate letzte Ruhestätte zu schaffen. Nach seinem Tod wurde 1901 eilends der Grundstein für die neue evangelische Kirche gelegt, da die Schenkung sonst der katholischen Kirche zugefallen wäre.

Was den Maschinenbauer zu dieser paradoxen Erbschaftsregelung bewegt hatte, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Die Stadt entschied sich, den Auftrag für die Gestaltung der Kirche durch einen Wettbewerb zu vergeben, aus dem das Büro Schilling & Graebner hervorging. Der Bau zog sich dann von 1908 bis 1912 hin; eine eindrucksvoll- wuchtige Jugendstilkirche entstand, die zu ihrer Grundsteinlegung weder Pfarrer, noch Gemeinde hatte. Besonders faszinierend ist auch heute noch die Kreuzigungsszene an der Außenwand des Gebäudes, die mit der Überschrift „Lobe Zion deinen Gott“ (Psalm 147)  versehen ist und der Kirche ihren Namen geben sollte.

Während des Baus der Kirche herrschte auch ringsum rege Bautätigkeit; ein neues Viertel entstand, sodass die Kirche bei ihrer Weihe eine Gemeinde von mehr als 5000 Mitgliedern hatte. Bei den Bombenangriffen auf Dresden ging die Kirche zusammen mit dem gerade entstandenen Viertel unter. Erst 1981 bekam die Zionskirchgemeinde einen neue Kirchenbau von der schwedischen Kirche geschenkt; bis dahin wurden eine Baracke neben der Kirchruine und zwei ausgebaute Räume der Kirchruine genutzt.

Die Ruine selbst dient hingegen weiter einem wichtigem Zweck. Als Lapidarium der Stadt Dresden beherbergt sie nun über 3000 beschädigte Statuen, Bauteile, geschmolzene Zäune oder Schmuckelemente, die nach 1945 von Dresdner Bürgern aus Ruinen geborgen worden und vor der endgültigen Vernichtung gerettet worden waren. Fast jedes dieser Teile kann mittlerweile einem früheren Gebäude oder Anwesen der alten Südvorstadt zugeordnet werden und dokumentiert damit die Geschichte eines untergegangenen Stadtteils.

Einmal jährlich, zum Tag des offenen Denkmals, kann man das Lapidarium besichtigen und die besondere Atmosphäre dieses vergessenen Ortes ganz hautnah erleben.

Foto&Text: Annett Baumgarten

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