Die Staatsoperette tritt mit „Blondinen bevorzugt“ in große Fußstapfen
Dieser Titel verpflichtet: Mit „Blondinen bevorzugt“ (Foto: Pawel Sosnowksi) bringt die Staatsoperette Dresden einmal mehr Broadway-Glamour ins Kraftwerk Mitte. Wobei das mit dem Broadway eben so eine Sache ist. Denn weit berühmter als das Musical ist der gleichnamige Hollywoodstreifen aus dem Jahr 1953, dessen Kernbotschaft mit Marilyn Monroes lasziv unbeschwertem „Diamonds are a girls best friend“ vielfach gecovert bis heute im Ohr blieb.
Damals gab es sie wohl noch, die wilden Partys auf edlen Kreuzfahrtschiffen, auf denen Champagner in Litern floss und wohlhabende Männer auf langbeinige Showgirls trafen. Lorelei Lee ist eine von ihnen. Mit viel Charme und Raffinesse hat sie sich vom armen Vorstadtgirl zur Millionärsverlobten hochgekämpft.
Devi-Ananda Dahm gibt eine entzückende Lorelei
Die Staatsoperette hat mit Devi-Ananda Dahm eine Lorelei gefunden, die es versteht, sich vom Vorbild Monroes souverän freizuspielen. Selbst wenn sie im Badeanzug über das Schiffsdeck tanzt, verleiht Dahm der Blondine entzückend gespielte Unschuldigkeit – und auch gesanglich macht sie die Songs der Hollywoodikone überzeugend zu ihren eigenen. Blinzelnd, aber ohne mit der Wimper zu zucken, weiß Lorelei die Schwächen des starken Geschlechts zu ihrem finanziellen Vorteil zu nutzen und bringt dabei nicht nur den Knopf-Fabrikanten Gus Esmond ins Wanken.
Anders ist da ihre Freundin Dorothy gestrickt, die Maria-Danae Bansen nicht minder souverän und ausdruckstark über die Bühne wirbeln lässt. Dorothy bemisst die Attraktivität eines Mannes nicht am Umfang seines Portemonnaies, sondern an anderen Werten. Keine Frage, dass es turbulent zugeht, wenn die Mädchen aus dem Unterdeck in der Superior-Suite zu gewieften Strippenzieherinnen werden. Die männliche Schwäche zeigt sich allzu schnell: Marcus Günzel mimt den verzweifelt verliebten Gus Esmond, der an den Kapriolen seiner Verlobten Lorelei beinahe zu Grunde geht.
Die Herren haben das Nachsehen
Gero Wendorff stolpert als ungelenk schüchterner Henry Spofford schnurstracks Dorothy in die Arme. Die weiß mit dem schrägen Schlaks zwar zunächst gar nichts anzufangen, doch der Weg zum Sohn führt über die Schwiegermutter – und die zeigt Silke Richter als derb lebensfrohe Kumpelfrau mit großem Champagnerdurst! Bettina Weichert bleibt in der Rolle des tadelnden Hausdrachens Lady Phyllis Beekman eher eingeschränkt, während Elmar Andree als ihr Gatte Sir Francis Al-Bundy-like jedes Röckchen ins Visier nimmt und für die blonde Lorelei schnell zum willkommenen Gönner wird. Ganz nebenbei hat die blonde Schönheit mit dem fitnesssüchtigen Erfinder des Reißverschlusses Josephus Gage (Bryan Rothfuss) noch ein weitaus größeres Geschäft im Sinn.
Regisseur Thomas Helmut Heep setzt auf große Unterhaltung, in der subtile Zwischentöne allzu rasch verstummen. Opulente Ensembleszenen wechseln mit schwungvollen Balletten (Choreografie: Kati Farkas). Maria-Danae Bansen sorgt mit einer akrobatischen Einlage anfangs gleich für Staunen. Cary Gaylers Bühnenschiff schwenkt dazu spielend leicht zwischen Deck und Luxussuite, sodass genug Raum für Überraschungen bleibt. Kleine Unebenheiten in der Handlung, der oft der rote Faden fehlt, lassen sich so an vielen Stellen übertünchen.
Figuren wirken typenhaft und eindimensional
Schade nur, dass das Regiekonzept tatsächlich nicht viel mehr als Klischees für die Figuren übrighat. Besonders die Männer kommen als marionettenhafte Typen eher eindimensional daher. Lorelei hebt am Ende zwar kurz die Perücke, um zu zeigen, dass ihr blondes Marilyn-Image bloß Mittel zum Zweck ist, zugleich versemmelt sie jedoch mit inflationärer Penetranz die französische Aussprache. Dieser Running Gag wirkt beim dritten Mal schon nervig. Alles nur Fassade? Oder eben doch ein Klischee zu viel?
Zum Glück gibt es die Musik, die keine Fragen stellt, sondern die champagnerseligen Probleme von abgerissenen Knöpfen und ratschenden Reißverschlüssen stimmungsvoll in Klang gießt. Komponist Jule Styne ist neben den „Diamonds“ wohl vor allem als Schöpfer von „Let it snow“ für Frank Sinatra ein Begriff. Das Orchester der Staatsoperette Dresden zeigt unter der Leitung von Peter Christian Feigel, dass Stynes eingängige, mit schmissigem Jazz und schwelgendem Swing gespickte Melodien durchaus das Zeug zu Gassenhauern haben. Wenn Gero Wendorff als Henry mit „Nur einen Kuss entfernt“ so richtig schmachten darf, Elmar Andree als alter Frauenheld Sir Francis Beekman von einem heißen Ausflug nach Chile träumt (wobei das Ballett eine famose Show liefert) oder Marcus Günzel sich als Gus Esmond mit „Bye, bye Baby!“ von seiner romantischen Seite zeigt, schmilzt ein jeder dahin. So wäre es vielleicht gar nicht nötig gewesen, dem Klassiker „Diamonds are a girls best friend“ neben der deutschen Version auch eine englische Strophe zu schenken – als Reminiszenz an den berühmten Film passiert’s dann aber doch und wirkt auch gar nicht seltsam.
Info: „Blondinen bevorzugt“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 26. und 27. Oktober, sowie am 2. und 3. November, jeweils 19.30 Uhr