Staatsoperette erweckt Strauß-Stück zum Leben
Ein fast vergessenes Stück, ein junger Regisseur, schmissige Musik von Johann Strauß – und schon hat die Staatsoperette Dresden alles zusammen, was ein ordentlicher Bühnenschlager so braucht. Die Operette „Cagliostro in Wien“ (1875) markierte in der vergangenen Woche (2.5.) nicht nur den Beginn der 5. Johann-Strauß-Tage in Leuben, sondern bescherte Dresden dabei auch noch eine Deutsche Erstaufführung.
Am Ende dieses gut zweistündigen Abends fragt man sich allerdings, warum das Stück – einst in Wien so oft gespielt wie „Die Fledermaus“ – lange in Vergessenheit geriet. Das Libretto von Richard Genée und F. Zell kommt hier in der Bearbeitung von Alexander Kuchinka, in einer zeitgemäßen Bühnenadaption von Ansgar Weigner und Carsten Süß zur Aufführung – und dieser Cagliostro könnte tatsächlich in der heutigen Zeit leben. Er ist ein Quacksalber, Wunderheiler, Blender von Beruf, der plötzlich in die Kulisse eines trögen Filmfests platzt und die Wiener Gesellschaft hier gewaltig durcheinanderwirbelt. Dieser Aufschneider und vermeintliche Zauberer – der übrigens aus Sizilien stammte und von 1743–1795 tatsächlich, nur niemals in Wien lebte – erscheint in der Inszenierung von Ansgar Weigner (Fotos: PR/Kai-Uwe Schulte-Bunert) nun als wunderlicher Guru mit weißem Wuschelhaar und einem wehenden, goldenen Mantel (Kostüm: Renate Schmitzer), den er wie ein Zirkusmagier zur Erzeugung von Illusion einsetzt.
Mit augenzwinkerndem Humor und ohne Klamauk inszeniert
Sofort wirft Cagliostro ein Auge auf die schöne Emilie. Obgleich natürlich auch der Kontostand von deren liebestoll dem Jugendwahn anheimgefallener Mutter, Frau von Adami, nicht zu verachten ist. Doch auch Pfarrer Fodor hat das Zöllibat satt und macht Frau Adami den Hof. Emilies heimlicher Liebhaber Lieven indes durchschaut Cagliostros Spuk von Anfang an – und die beiden Guru-Gehilfen, Lorenza und Blasoni, sind die Betrügereien ihres Chefs sowieso längst leid. Das Ganze entpuppt sich bald als spritziges Komödienspiel, das Weigner mit viel augenzwinkerndem Humor und trotz einiger deftiger Momente ohne übermäßigen Klamauk in Szene setzt. Er löst das Stück aus allen muffigen Operetten-Klischees, bleibt dabei dennoch dem Genre treu: Da blühen saftig grüne Cannabis-Pflanzen in Cagliostros blechernen Wohnwagen, aus Zaubertricks von damals wird die plastische Chirurgie von heute. Das ist klug gedacht und im leichten Operettenumfeld ganz unverfänglich verpackt.
Als Cagliostro vernebelt und verführt hier Christian Grygas, der nur wenige Gesangssoli bestreiten darf, dafür aber mit großzügigen Guru-Gesten überzeugt. Aus dem Ensemble sticht zur Premiere stimmlich jedoch ganz klar Elena Puszta in der Partie der Lorenza heraus. Radoslaw Rydlewski gibt zudem einen starken Pfarrer und erweist sich so schon im ersten Akt als lustige Figur im Stück. Richtig witzig ist auch das betrügerische Dreiergespann aus Andreas Sauerzapf, Marcus Günzel und Jannik Harneit anzusehen. Mit großer Verwandlungsfreude streuen die drei als Gaunergehilfen oder rettende Engel die nötige Würze ins Komödiengeschehen. Ingeborg Schöpf und Maria Perlt sind das gegensätzliche Mutter-Tochter-Paar, das den Gauner Cagliostro am Ende dank Rollentausch gar mit seinen eigenen Waffen schlägt.
Moral der Geschichte dreht sich am Ende im Walzertakt
Und obwohl Johann Strauß mit dieser Operette dem ewigen Walzerrhythmus einst entfliehen wollte, lieber auf volkstümliche Melodien, eine Polka und viele Chorszenen (Chor: Thomas Runge) setzt, fühlt sich das Orchester der Staatsoperette Dresden unter der musikalischen Leitung von Andreas Schüller spürbar heimisch in der Partitur. Die Moral von der Geschichte dreht sich am Ende dann natürlich doch im Walzertakt: Der Mensch lässt sich von allerlei Dingen im Leben lenken, anstatt zu denken, sei es die Konsumwelt, die Medien, Erotik oder Sehnsucht nach ewiger Jugend – Cagliostro hat viele Gesichter. Sie zeigen sich am Ende auch auf der Bühne – und wer dort zuletzt lacht, kann man jetzt sicher schon ahnen.
Weitere Aufführungen: am 20.5., 6.6. und 7.6. sowie 19./20.9.
Weitere Kritiken: MDR Figaro, Der Opernfreund,
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