Opernpremiere im Doppelpack für die Studierenden der Hochschulen für Musik und Bildende Künste Dresden
Ein Toter kommt selten allein. So könnte das Motto der diesjährigen Operproduktion der Hochschulen für Musik (HfM) und Bildende Künste (HfBK) am Kleinen Haus des Staatsschauspiels lauten. Regisseurin Barbara Beyer lässt in diesem Jahr Darius Milhauds selten gegebenen Einakter „Le pauvre matelot“ („Der arme Matrose“) auf Giacomo Puccinis Repertoireschlager „Gianni Schicchi“ (Fotos: Sebastian Hoppe) treffen und schenkt dem Dresdner Publikum einem Doppelabend der Kontraste.
Für die Leiterin der Opernklasse liegen die Parallelen beider Stücke vor allem darin, dass die Figuren „vom Tod eines Menschen zu profitieren“ glauben. Traditionell mit der Tragödie von Darius Milhaud beginnend, eröffnet der Abend also mit einem schaurigen Mordszenario: Ein Matrose, der die Treue seiner Frau bei seiner Rückkehr nach langer Abwesenheit auf die Probe stellen will, wird hier zum Opfer seiner eigenen List. Nachdem er sich als reicher Besucher ausgibt und seiner Frau erzählt, ihr Mann käme bald zurück, sei aber hoch verschuldet, erschlägt sie ihn, um die Schulden begleichen zu können.
Die Figuren bewegen sich im fahlen Licht auf der Bühne. Kulisse und Kostüme von Philipp Eckle (HfBK) spiegeln jene unbarmherzige Distanz wider, mit der Milhaud und sein Librettist Jean Cocteau die Figuren zeichnen: weiße Quader, graue Kleider, dazu die dezente Videoinstallation von Matthias Otto und Lena Zwerina. Hammer und Seesack sind als einzige Requisiten überpräsent. Das alles mag die kühle Ungeheuerlichkeit der Geschichte unterstreichen, wirkt in der szenischen Umsetzung allerdings nichtssagend. Den Sängern bleibt kein Raum, um Figuren und deren Gefühle zu entwickeln, alles spielt sich wie hinter Glas ab. Dennoch zeigen sich Mariko Lepage als Matrosenfrau und Seunghun Han als Freund des Matrosen stimmlich mit starkem Ausdruck. Der Matrose Konrad Furian wirkt in seiner Partie hingegen etwas kurzatmig.
Auch das Hochschulsinfonieorchester der HfM braucht einige Zeit, bis es zur Premierenreife findet. In den ersten Takten geht es drunter und drüber im Graben. Orchester und Sänger finden nicht so recht zusammen. Erst allmählich gelingt es Georg Christoph Sandmann am Pult, Struktur ins Durcheinander zu bringen, sodass die dramatischen Passagen am Schluss schließlich effektvoll gelingen. Ganz anders dann der Puccini: Mit „Gianni Schicchi“ geht das Orchester nach der Pause beherzt zur Sache, agiert vom ersten Ton an mitreißend und schwelgt gehörig in Puccinis schönsten Melodien.
Szenisch erwartet die Zuschauer mit der komischen Oper nun ein wahrhaft buntes Treiben, das die Tristesse des ersten Teils schnell vergessen macht. Philipp Eckle hat auf der Bühne vier klappernde Türen um ein riesiges Bett gruppiert, aus denen die geldhungrige Verwandtschaft des verstorbenen Buoso Donati plappernd ein- und austritt. Da sie aber enttäuscht feststellen müssen, dass der eben dahin geschiedene Onkel sein Erbe einem Kloster vermacht hat, tritt Gianni Schicchi auf den Plan. Als kranker Onkel verkleidet will er dem Notar das Testament einfach neu diktieren, bereichert sich aber dabei natürlich vor allem selbst. Pucchinis beliebter Opernspaß wird hier zum famosen Spiel im Spiel, in dem die Familie als lebhafte Theatergesellschaft auf Stühle gereiht dem theatralen Kampf ums Erbe folgt, wenn sie nicht gerade rauchend, saufend und parlierend um das Sterbebett postiert.
Unterhaltsam ist dies nicht zuletzt, weil das junge Ensemble mit einer großen Portion Humor und erquicklicher Spielfreude zu Werke geht. Anders als Milhauds Matrose bietet Puccinis Gianni Schicchi schließlich üppige Gelegenheiten für witzige Übertreibung. Gesanglich gibt es dabei immer wieder kleine Entdeckungen Qing Wang bekommt für die schwelgende Arie der Lauretta am Freitag (26.4.) verdienten Szenenapplaus. Chao Deng ist ein gewiefter, im Vergleich zur schrillen Familienbande, unaufgeregt agierender Gianni Schicchi. Im Kopf bleiben zudem die facettenreiche Altstimme von Pauline Weiche als Zita und das köstlich lebendige Spiel von Hyuna Lim als Nella. Ebenso wie Gerry Zimmermann, der den Papierkram als Notar in der turbulenten Menge gar auf allen Vieren erledigen muss. So zeigt sich mit Puccini einmal mehr, wie herzerfrischend ungezwungen studentische Produktionen gedeihen können, wobei sich die Doppelpremiere als ein Abend spannungsvoller Steigerungen erweist – mit zwei Toten und dennoch gutem Ausgang.
Weitere Termine: „Le pauvre matelot“/„Gianni Schicchi“ am Kleinen Haus, wieder am 6.5., 8.5., 10.5., 30.5., 5.6., 7.6.