Philharmonie bringt in Gorbitz Kinderaugen zum Leuchten
Die Zahlen waren am Ende beinahe zweitrangig. Denn wenn die Dresdner Philharmonie ihre Jahresbilanz in der 139. Grundschule in Dresden-Gorbitz (Foto: PR/Markenfotografie) vorstellt, stehen doch andere Themen im Vordergrund. Zwar kann sich Intendantin Frauke Roth zu Recht freuen, dass die Philharmonie 2018 eine Auslastung von 90 Prozent für ihre Konzerte verzeichnete und gemeinsam mit anderen Veranstaltern 362.343 Besucher in den Kulturpalast lockte. Das wahre Leben aber spielt sich woanders ab: Gorbitz, vor 30 Jahren noch ein Hort glücklicher Kindheiten, ist heute als „sozialer Brennpunkt“ in den Köpfen gebrandmarkt.
Fernab der glanzvollen Musentempel in der Altstadt läuft hier seit zwei Jahren ein besonderes Projekt, mit dem die Dresdner Philharmoniker die Musik tatsächlich in jene Winkel der Gesellschaft tragen, in denen Konzerte alles andere als alltäglich sind. Rund 400 Kinder aus 37 Nationen vereint die 139. Grundschule am Omsewitzer Ring – wobei gerade diese Vielfalt für die Lehrer mehr Herausforderung als Chance bedeutet: „Über die Hälfte der Kinder hat einen erhöhten Förderungsbedarf“, berichtet Schulleiterin Carmen Köppe, sei es nun aus sozialen, familiären oder gesundheitlichen Gründen. Die Partnerschaft mit der Philharmonie scheint da tatsächlich wie ein warmer Sonnenstrahl in den oft trüben Schulalltag.
Musiker wie der Geiger Thomas Otto sind gern gesehene Gäste bei Schülern wie Kollegium. Regelmäßig stellen sie seit 2017 im Unterricht ihre Instrumente vor, kommen mit den Kindern ins Gespräch, laden die Klassen zu Proben in den Kulturpalast ein und kreieren sogar Konzertprogramme zusammen mit den Schülern. Das sieht aber nicht etwa so aus, dass zehn Auserwählte auf der Bühne stehen dürfen, während die anderen unten zuschauen. Vielmehr bekommt hier jeder eine Aufgabe, sodass die Kinder das Prinzip Konzertbetrieb gleichsam spielerisch kennenlernen: Sie dürfen selbst moderieren, ein Programmheft schreiben, Eintrittskarten basteln, abreißen, Kostüme auswählen und natürlich Musik machen oder als Konzertbesucher einfach nur zuhören. Und auch wenn nicht jeder gleich mitmacht, ein Großteil der Schüler ist mit sichtlichem Enthusiasmus dabei.
„Wir wollen Beziehungen aufbauen und Vertrauen wecken“, sagt Thomas Otto. Die leuchtenden Kinderaugen, die ihn kurz drauf in der Turnhalle begrüßen, beweisen: Das ist in den vergangenen eineinhalb Schuljahren schon geglückt. Die Partnerschaft des Orchesters mit der Grundschule in Gorbitz ist als langfristiges, intensives Projekt angelegt, das auch über das bloße Musikerlebnis hinausstrahlt, wie die Lehrer sagen: „Wir beobachten, dass die Kinder im Konzert fokussiert und konzentriert sind, auch die Eltern gehen mit“, sagt Carmen Köppe. Sie ist sich sicher: „Die meisten unserer Schüler kämen ohne die Kooperation gar nicht in den Genuss von klassischer Musik.“ Und ist es auch nur ein Anfang, allein der Wert dieser Begegnungen ist in Bilanz-Zahlen wohl kaum abzubilden.