Wie eisig ist die Musik des Nordens?

Buchmesse macht Lust auf Musikfestspiele

Klingt Musik im Norden anders als im Süden? Können die Elemente Feuer und Eis vielleicht sogar eine Komposition beeinflussen? Mit diesen Fragen stimmte eine Diskussionsrunde im Musik Café der Leipziger Buchmesse heute (12.3.) auf die diesjährigen Musikfestspiele in Dresden ein. Der finnische Musikwissenschaftler Prof. Dr. Tomi Mäkelä, der Hornist Prof. Thomas Hauschild und Moderator Dr. Michael Kube legten dabei unter dem Motto „Komponiert man in nördlichen Ländern anders als im Süden, wird Musik anders gespielt und gehört?“ interessante Erkenntnisse frei.

Der Kontakt mit anderen Ländern, mit Musikern aus anderen Kulturen ist für junge Musiker heute ebenso wichtig wie für Edvard Grieg (1843–1907) oder Jean Sibelius (1865–1957) im 19. Jahrhundert. Beide Komponisten sind Zeit ihres Lebens weit gereist, Grieg verbrachte nicht nur viele Monate in Italien, sondern war auch häufig in Leipzig zu Gast. Ein typisch „nordischer Ton“ sei bei Orchestern in Norwegen, Schweden, Finnland oder Dänemark heute allerdings kaum noch auszumachen, meint der Hornist Thomas Hauschild. „Die Orchester gleichen sich an, werden immer vergleichbarer, auch weil die Dirigenten immer seltener über Jahrzehnte bei einem Orchester bleiben und es prägen“, sagte er.

Allerdings stellten Hauschild und Mäkelä durchaus Unterschiede in der Art des Spielens und auch der Art des Komponierens bei skandinavischen Künstlern fest. „Die Musik skandinavischer Orchester klingt anders als in Deutschland. Es ist ein freieres Musizieren, das meinen Studenten etwa in Oslo auffällt“, sagte der Hornist. Dies liege vor allem an verschiedenen Konkurrenzsituationen in beiden Ländern. „In Deutschland ist die Dichte an Musikern deutlich höher, die Perfektion spielt daher eine größere Rolle, im Norden gehen die Musiker dagegen freier und toleranter miteinander um.“

Anders äußert sich das bei den Komponisten, wie Tomi Mäkelä erklärte: „Die Skandinavier sind eher handwerklich orientiert, man könnte es auch ‚antiromantisch‘ nennen. Die nordischen Komponisten träumen nicht so sehr, sie philosophieren und experimentieren nicht so viel wie die Mitteleuropäer.“ Zudem sei die Art des Komponierens auch von der Kulturförderung geprägt. In Skandinavien wird die Musikkultur bis heute stark subventioniert. „Die Finnen schreiben meist große, sehr anspruchsvolle Partituren, deren Uraufführung große Orchester voraussetzt. Die Kultur in Skandinavien ist zentraler ausgerichtet, es gibt nur eine Oper in Finnland, wo sich alle treffen“, erklärte der Finne.

Inwieweit die Landschaft der nordischen Heimat Komponisten wie Sibelius und Grieg jedoch in ihrem kompositorischen Schaffen beeinflusste, konnte er nicht beantworten. „Man muss dazu sagen, dass gerade diese beiden viel unterwegs waren. Oft ist es schwer zu bestimmen, wo welche Komposition geschrieben wurde“, so der Musikwissenschaftler. Große Städte seien gerade für Sibelius‘ Schaffen wohl prägender gewesen als seine Heimat Finnland. „Wir brauchen daher mehr Individualbiografik.“ Sicher präge die Umgebung der Jugend auch das Schaffen eines Komponisten, man müsse aber ganz genau in die Künstlerbiografie hineinschauen, um zu sehen, welche Elemente da prägend waren.

Oftmals werden Bilder des typisch Nordischen von den Hörern auch in Werke hineinprojiziert. Dies werde in den nordischen Ländern auch gern so verkauft. „Da macht man sich als Wissenschaftler dann ganz schnell unbeliebt, wenn man sagt: Sibelius ist nur einmal mit dem Zug durch Lappland gefahren, er hat diese Landschaft kaum gekannt“, sagte Mäkelä. Fakt ist: In Skandinavien gab es im 19. Jahrhundert keine so ausgeprägte Musikkultur wie in Mitteleuropa, weshalb viele Künstler nach Süden aufgebrochen sind. „Und wenn man eine Stadt besucht, so wie Sibelius Dresden oder Grieg Leipzig besuchte, dann nimmt man sie intensiver wahr, als wenn man da wohnt. Da entsteht eine ganz andere Intensität – und das muss man mitdenken als Biograf“, erklärte Mäkelä.

Wie viel „Feuer und Eis“ wirklich in den Kompositionen der Skandinavier steckt und ob diese eher die unendlichen Landschaften des Nordens oder das Feuer des Südens hörbar werden lassen, können die Besucher der Dresdner Musikfestspiele in diesem Jahr auch live entscheiden. Das Festival vereint vom 13. Mai bis 7. Juni 2015 Künstler und Orchester aus Skandinavien in der Landeshauptstadt. Der wissenschaftliche Buchmesseauftakt hat auf jeden Fall Lust auf etwas Praxis im Konzertsaal gemacht.

Linktipp: www.musikfestspiele.com

Du magst vielleicht auch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.