(Un-)Treueprobe mit Happy-End

Mozarts „Così fan tutte“ an der Semperoper

Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Così fan tutte“ (1790) ist tausendfach gespielt – und noch immer aktuell. Regisseur Andreas Kriegenburg lässt das beliebte Repertoirestück in seiner Inszenierung an der Semperoper Dresden nun als sinnlichen Maskenball der Gefühle (Foto: PR/Matthias Creutziger) abermals wiederauferstehen. Und diese Dresdner Neuinszenierung der dritten Oper, die Mozart mit dem Librettisten Lorenzo Da Ponte schuf, schürt schon jetzt zarte Vorfreude auf die anderen beiden – „Die Hochzeit des Figaro“ und „Don Giovanni“ –, welche demnächst am Haus noch folgen sollen.

Zusammen mit dem musikalischen Leiter Omer Meir Wellber hat Kriegenburg sowohl gestalterisch als auch musikalisch eine unkonventionelle Art des Erzählens gefunden, ohne das Stück zu entstellen oder dessen Ursprung zu verfremden. Die Geschichte von zwei jungen Männern, die sich – völlig überzeugt von der Treue ihrer Verlobten – kurzerhand auf eine Wette einlassen und die Treue ihrer Herzdamen auf die Probe stellen, wird hier in einen wunderbar zeitlosen Rahmen verpackt. Harald Thor hat dafür ein schlichtes, schönes Bühnenbild mit einer schrägen Drehkonstruktion geschaffen. Eine riesiges Karussell der Leidenschaften, auf dem so manche Gewissheit ins Wanken gerät.

Dieses Karussell verwirrt die Sinne der Figuren, entlarvt dabei aber auch ihre Illusionen, lotet Gefühle aus und rührt an den so lange sorgfältig eintrainierten Rollen der Einzelnen, bis hinter den Masken der Gesellschaft im zweiten Akt schließlich die wahren Menschen hervorgucken. Das alles passiert auf so leichtfüßige Art, dass die darin verborgene Tragik nur ganz selten sachte durchschimmert. Denn Andreas Kriegenburg holt sich für seine Inszenierung Slapstick-Anleihen alter Stummfilme auf die Opernbühne und schafft es so geschickt, dass Ironie und Humor die Oberhand behalten.

Die verkleideten Männer erscheinen ihren unwissenden Herzdamen hier als tollpatschige Charlie-Chaplin-Verschnitte (Foto: PR/Matthias Creutziger). Die sind zwar irgendwie süß anzusehen, verkörpern aber nicht gerade das Idealbild von Männlichkeit – so bekommt die Verführung der unwissenden Frauen automatisch eine spielerische, nicht ernstzunehme Komponente. Da sind vier junge Liebende, die von Don Alfonso und Despina über die Liebe belehrt werden. Ein putziges Spiel im Spiel, das überrascht und Mozarts Art zu komponieren auf Bühne gelungen widerspiegelt.

Omer Meir Wellber nimmt sich am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden kleine Freiheiten in der Interpretation. Er ersetzt etwa das Cembalo gegen ein Hammerklavier, lässt Improvisationen einfließen, und schafft es dennoch, die Musik stets im Fluss zu halten, dem Grundcharakter der Oper mit scheinbarer Leichtigkeit, ja geradezu unbeschwert, gerecht zu werden. Auf der Bühne steht ihm dafür ein überaus starkes Ensemble zur Seite. Rachel Willis-Sörensen (Fiordiligi), Rachel Frenkel (Dorabella), Christopher Tiesi (Ferrando) und Christoph Pohl (Guglielmo) glänzen nicht nur stimmlich, ihnen gelingt es spielend, die kleinen, liebenswerten Eigenheiten der Figuren herauszuarbeiten.

Szenen, wenn Dorabella, beglückt von ihrer Untreue, im Nachthemd über die Bühne tanzt oder Fiordiligi voller Scham über ihre Gefühle die Perücke abnimmt, bleiben nicht nur im Kopf, sondern auch im Ohr. Ebenso wie die vergeblichen (tatsächlich slapstickhaften) Werbungsversuche der beiden Chaplins im ersten Akt. Das passende Gegenstück zur bunten, unbeschwerten Welt der jungen Paare sind dagegen Despina und Don Alfonso.

Georg Zeppenfeld gibt den Rädelsführer der Männerwette als eine Art mystischen Gaukler mit betörender Bassstimme. Nicht mehr und nicht weniger verkleidet als alle anderen im Stück, ist er allgegenwärtig, scheint aber dennoch nie greifbar. Wirklich bezaubernd ist auch die Dresdnerin Ute Selbig, die gleich bei ihrem ersten Auftritt als Despina in der Premiere tosenden Szenenapplaus bekommt. Sie gibt die erfahrene Zofe mit großer Stimme und herrlich humorvollem Gestus, wenn sie über die Männerwelt herzieht und von Alfonso schließlich immer mehr in das Versteckspiel integriert wird.

Überhaupt ist der Szenenapplaus in dieser Premiere für Dresdner Verhältnisse ungewöhnlich dicht und ausgewogen gestreut. Immer wieder erhebt sich Jubel für Arien und Duette, ganz zum Schluss auch einhellig für die Regie. Am Ende der Inszenierung wird natürlich auf der mit bunten Lämpchen geschmückten Bühne Hochzeit gefeiert. Ein Happy End, soweit es eben möglich ist – das vorläufige Ende eines Reifungsprozesses in der „Schule der Liebenden“, wie der Untertitel zu „Così fan tutte“ heißt. Dann dreht sich die Karussellbühne wieder, das Licht gedämpft, geht ein Paar im Schattenriss auf und ab. Warum sollte sich an der Liebe nach 224 Jahren auch irgendetwas geändert haben?

Mozarts „Così fan tutte“ an der Semperoper Dresden, wieder am 24.3., 26.3., 30.3., 3.4., 19 Uhr; 5.4., 11 Uhr; 6.4., 8.4., 6.5., 11.5., 16.5.,19 Uhr

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