Eine lebendige Nacht

Teilnehmer der Moritzburg Festival Akademie machen die „Lange Nacht der Kammermusik“ zum kurzweiligen Vergnügen

Musik klingt aus dem Schloss, während die letzten Regenwolken über Moritzburg sich verziehen. Anders als sonst wird am Montagabend (10.8.) bis zur letzten Sekunde geprobt, ist die Aufregung hinter den dicken Mauern spürbar. Die „Lange Nacht der Kammermusik“ gehört traditionell dem Nachwuchs. In diesem Jahr sind es 16 junge Musiker aus 13 Nationen, die in der Moritzburg Festival Akademie unter der Direktion der Geigerin Mira Wang zwei Wochen lang ein umfangreiches Kammermusik- und Orchesterprogramm einstudieren.

Beim Musikpicknick auf Schloss Proschwitz durften sich die Akademisten in lockerer Atmosphäre erstmals dem Publikum präsentieren. Am darauffolgenden Abend nun gehört die Bühne auf der Schlossterrasse für fast vier Stunden ganz ihnen allein. Kosthäppchen quer durch die Kammermusik-Literatur erklingen in diesem Jahr erstmals unter freiem Himmel, wobei sich schnell zeigt, dass die 16 aus über 500 internationalen Bewerbern ausgewählten Akademisten exzellente junge Profis sind. Sie musizieren – teils in großen Ensembles – voll inspiriert, spielen mit spürbarem Enthusiasmus und bescheren dem Publikum einen mitreißenden Abend von durchweg hohem musikalischen Niveau.

Da klingt wogende Leidenschaft in Felix Mendelssohn Bartholdys Streichquartett Nr. 4 e-Moll, wird Beethovens Streichtrio Nr. 4 zu einem schwungvoll prickelnden Erlebnis, tönen Witold Lutosławskis „Dances Preludes“ dynamisch spritzig durch den von zarten Nebelschwaden durchzogenen Schlosspark. Das Repertoire hält – wie hier so oft – viele Überraschungen und Entdeckungen bereit. Zum Beispiel Francis Poulencs „Mouvements Perpétuels“, die teils jazzig, filmmusikalisch aufscheinen und in ihrem vergnügten Duktus beinahe schon orchestral anmuten. Auch Werke wie Jacques Iberts „Trois Pièces Brèves“ für die Besetzung aus Flöte (Mario Bruno), Oboe (Ruth Santiago), Klarinette (Clarissa Schmitt), Fagott (Hana Hasegawa) und Horn (Carlos Pinho) hört man im Konzertsaal eher selten.

Der Höhepunkt vor der Pause ist zweifelsohne Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ in der Bearbeitung für Streichorchester von Gustav Mahler für fünf Violinen (Matthew Chin, Louisa Rocha; Carolin Grün, Kazim Kaan Alicioğlu, Lydia Stettinius), zwei Bratschen (Ulrich Eichenauer, Jiliang Shi), zwei Celli (Petar Pejčić, Benjamin Lund Tomter) und Kontrabass (Miguel Pliego Garcia). Dirigent Josep Caballé Domenech arbeitet hier mit den Akademisten feine Schattierungen und Abstufungen heraus, lässt das Stück im roten Sonnenuntergang fast magisch erstrahlen – und weckt so schon Vorfreude auf das Orchesterkonzert der Akademie am kommenden Samstag (15.8.).

Der zweite Teil beginnt mit Dvořáks Streichquintett Es-Dur op. 97 nicht minder verheißungsvoll. Das schwungvolle, von einem zarten Hauch der Melancholie durchwobene Stück ist in der Interpretation von Matthew Chin, Carolin Grün (Violine), Ulrich Eichenauer, Jiliang Shi (Viola) und Benjamin Lund Tomter (Violoncello) beinahe schon Akademiepreisverdächtig. Doch der Publikumspreis für das beste Ensemble in der Langen Nacht muss diesmal aufgrund der Hygienevorgaben ausfallen. Später gibt es dafür noch einen flirrend spannungsvollen Schostakowitsch. Mit dessen Streichquartett Nr. 8 lassen Kazim Kaan Alicioğlu, Lydia Stettinius (Violine), Jiliang Shi (Viola) und Benjamin Lund Tomter (Violoncello) die Herzen ein Stück höherschlagen und bescheren einen weiteren Glanzpunkt des Abends.

Abschließend steht mit Heinrich Hofmanns Oktett F-Dur wieder ein selten gespieltes Werk auf dem Programm. Violine (Matthew Chin, Kazim Kaan Alicioğlu), Viola (Ulrich Eichenauer) und Violoncello (Benjamin Lund Tomter) liefern sich darin einen intensiven Dialog mit Flöte (Mario Bruno), Klarinette (Clarissa Schmitt), Fagott (Hana Hasegawa) und Horn (Carlos Pinho) – und führen die Lange Nacht der Kammermusik nach vier äußerst kurzweiligen Stunden zu einem vibrierenden Abschluss.

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