Thomas Dannemann inszeniert Schillers „Maria Stuart“ am Staatsschauspiel Dresden
Am Ende resigniert Friedrich Schillers „Maria Stuart“. Die Königin von Schottland wird 19 Jahre lang von ihrer Cousine, Königin Elisabeth von England, gefangen gehalten. Die wiederum muss Blutbande gegen Weltpolitik abwägen – und schickt Maria schlussendlich nach langem Zagen doch in den Tod. Regisseur Thomas Dannemann zeigt den Klassiker am Staatsschauspiel Dresden in einer äußerst kargen Inszenierung (Fotos: Sebastian Hoppe). Zischen zwei schrägen Ebenen entwickelt er das prickelnde Psychogramm einer Machtfrau, ohne zeitliche Bezüge ins Heute zu suchen.
Für sein Dresden-Debüt hat er die Handlung radikal reduziert und auf griffige zwei Stunden ohne Pause zusammengekürzt. Das erscheint modern und schlicht, allein elisabethanische Halskrausen tasten vorsichtig nach dem Ursprung von Schillers Drama. Dabei spiegelt sich gerade in der Figur der Königin von England die Zeitlosigkeit des Stoffes. Ihre reale Regierungszeit von 1558 bis 1603 ist als das Elisabethanische Zeitalter bekannt. In jene Jahre fällt der Aufstieg Englands zur Seemacht, es war die Zeit Shakespeares, in der mit Francis Bacon auch die modernen Wissenschaften begründet worden. Eine gute Zeit für England. Doch im Konflikt mit Maria Stuart muss Elisabeth sich entscheiden: Lässt sie Menschlichkeit walten und die Cousine am Leben oder fügt sie sich den Zwängen der Gesellschaft, den malmenden Zahnrädern der (Welt-)Politik? Marias Rettung könnte das Ende von Elisabeths Herrschaft bedeuten, das Todesurteil aber wird ihr das Image einer berechnenden Monarchin verleihen.
Die Bühne von Olaf Altmann ist leer, völlig entschlackt vom Kulissenzauber stehen die Menschen im Vordergrund, eine schräge Ebene kippt ab und zu nach oben, eine weitere vom Himmel herunter. Die Musik von Jan Beyer erinnert an bedrohliche Geräuschkulissen wie man sie aus unzähligen TV-Krimis kennt. Nervöses Klopfen untermalt die Szenen, rhythmisches Pfeifen treibt die Handlung voran. Das bringt den Text klar zur Geltung, wirkt gleichzeitig jedoch auch austauschbar – und unwillkürlich fragt man sich, wie viele solche Inszenierungen im leeren Bühnenraum ein Theater wohl verträgt.
Für das Ensemble jedenfalls ist das Spiel im Nichts eine Herausforderung. Anja Laïs wirkt in der Rolle der Maria eher blass. Es fällt ihr merklich schwer, Schillers Text lebendig werden zu lassen, allenfalls trockene Verbitterung kann sie Maria abtrotzen. Torsten Ranft hingegen sticht sofort als energischer Wilhelm Cecil hervor, der sich immer wieder beinahe fanatisch für Marias Hinrichtung ausspricht. Ahmad Mesgarha gibt den Wendehals Graf von Leicester als kühlen Analytiker und Raiko Küster ist ein allzu gesetzestreuer Hüter der Maria. Während Viktor Tremmel und Hans-Werner Leupelt kaum Gelegenheit bleibt, ihren Figuren Profil zu verleihen, darf Lukas Rüppel immerhin als schleimiger Mortimer leidenschaftlich über die Gefangene herfallen, bevor er sich aus Liebe zu ihr das Leben nimmt.
So balanciert die Inszenierung immer auf Messers Schneide zwischen Langeweile und Psychokrimi. Im Reigen verschrobener Charaktere, die sich bis heute in jeder Gesellschaft zuordnen lassen, sticht allein Fanny Staffa als Elisabeth heraus. Wie eine Fremde steht sie da, das lange Kleid glitzert im Licht (Kostüm Regine Standfuss) als äußeres Symbol von Pracht und Einfluss einer Monarchin. Doch unter dem Stehkragen wirkt Elisabeth wie eine Marionette ihrer Macht. Staffa verleiht ihr psychologische Tiefe, zeigt sie als gebeutelte Repräsentantin, hin und her gerissen zwischen den Zwängen, die ihr ihre Position auferlegt und eigenen Bedürfnissen. Sie kann niemandem vertrauen. Einsam steht sie an der Spitze des Reiches, übt sich in tragischer Distanz – und unterschreibt schließlich das Urteil.
Maria indes hat sich längst in ihr Schicksal gefügt. Das Publikum applaudiert brav. So haben wir also wieder einen Klassiker am Schauspielhaus, mit dem man zumindest nichts falsch machen kann. Doch wo Theater nichts falsch macht, da macht es auch nichts richtig. Beim nächsten Klassiker darf es daher bitte wieder ein bisschen zu viel sein – von allem!
Friedrich Schiller: „Maria Stuart“ am Staatsschauspiel Dresden, wieder am 10.2., 15.2., 23.2., 8.3., 24.3.