Warum Dresdner gern in die Ferne schweifen, aber selten für immer wegbleiben – ein Essay
Ein Dresdner will zurück nach Dresden. Ich musste schmunzeln, als ich diesen Satz neulich aus dem Mund einer Kölnerin hörte, die ihrem Mann (Dresdner) zuliebe hierher zog. Es ist die reine Wahrheit. Ich bin auch Dresdnerin – und lebte über vier Jahre in Fernbeziehung. Mein Mann war damals in Norwegen. Er war glücklich dort. Doch ich konnte mich nicht entschließen, zu ihm zu ziehen. Auswandern, das kam für mich gar nicht infrage.
Nicht, dass ich es nicht schön in Norwegen fand. Ganz im Gegenteil! Die Menschen sind freundlich, sozial, wir haben viele Freunde da. Die Landschaft ist atemberaubend. Die Jobs sind sicher. Norwegen ist familienfreundlich, steht in der Liste der Länder mit der höchsten Lebensqualität in Europa jedes Jahr sehr weit vorn. Doch das alles konnte mich nicht davon überzeugen, aus Dresden wegzugehen.
Die längste Zeit, die ich es außerhalb von Dresden aushalte, ohne Heimweh zu bekommen, sind etwa drei Monate. Das habe ich bei meinem Studium in Wien schon gemerkt. Nach etwa drei Monaten beginne ich ganz simple Dinge zu vermissen, die die Stadt einfach so lebens- und liebenswert machen. Ein Spaziergang zur Frauenkirche, die Elbauen, die Museen, die Theater- und Kulturlandschaft in Dresden. Nicht zuletzt natürlich Freunde und Familie, sei es nur ein Frühstück mit meinen Freundinnen. Auch wenn das nur noch alle paar Monate stattfindet, es gehört zum Wohlfühlen einfach dazu.
Doch warum sind wir Dresdner so? Warum haben wir das bestimmte, dresdnerische Heimatgefühl? Ich denke, weil wir uns auf ganz besondere Weise mit unserer Stadt verbunden fühlen. Wir leben nicht nur einfach in Dresden, wir leben (und lieben!) diese Stadt. Allein der Blick auf die Kuppeln der Altstadt lässt uns das Herz höher schlagen und evoziert eine Wärme, die wir an keinem anderen Ort in der Welt auf ähnliche Weise empfinden. Es ist vielleicht die Art Vertrautheit, wie sie uns bei einem Familientreffen oder in einer guten Beziehung abends nach Feierabend auf der Couch befällt. Ein Gefühl von Geborgenheit, Zugehörigkeit. Identifikation.
In einem anderen Essay über Dresden schrieb ich über das besondere Gefühl beim Heimkommen in Dresden. Ich verglich es mit der Umarmung einer liebenden Mutter, das unsere Stadt bei der Ankunft in uns Dresdnern erzeugt. Ich erntete daraufhin viele zustimmende Reaktionen von den Lesern bei Facebook. Viele meinten, sie würden es genauso empfinden. Man mag viel über Dresden schimpfen und die Konservativität dieser Stadt verurteilen, doch die Stadt hat Herz und Charme. Sie ist lebenswert und vereint viele Stärken, die wenige Städte in dieser Fülle besitzen: Natur, Kultur, Historie, Schönheit, ein attraktives Umfeld. Dresden ist familienfreundlich und ist eine Großstadt, die einen in ihrer ganzen Dörflichkeit nicht überfordert.
Dass das nicht einfach nur eine rührselige Einbildung gebürtiger Dresdner ist, merkt man im Gespräch mit jenen, die vor langer Zeit zugezogen sind, noch immer gern typische Eigenheiten von Dresden lautstark kritisieren, sich aber auf der anderen Seite so pudelwohl hier fühlen, dass sie einfach bleiben. Auch ich hatte Glück und konnte meinen Mann davon überzeugen, aus dem Norden zurückzukehren und zu mir nach Dresden zu ziehen. Heute lieben wir die Stadt und unser Viertel beide, weil Dresden uns Geborgenheit und Freiheit bietet, weil wir hier jeden Abend aus einem reichen Kulturangebot wählen oder uns aber in unseren vier Wänden zuhause fühlen können. Genau deshalb wollen Dresdner immer wieder zurück nach Dresden!
2 Kommentare
Lobhudelei auf Dresden – diametral dazu keinen vernünftigen Beitrag zur Kulti-Eröffnungsfeier, jedoch Hamburger-Philharmonie ausschweifend fabrizieren…
Zur Eröffnungsfeier des Kulturpalast wurde doch in Dresden an anderer Stelle wohl schon genug geschrieben und berichtet, oder? Außerdem hat der Palast in seiner Bedeutung für Dresden hier umfangreich stattgefunden, u.a. eben IM Vergleich mit der Elbphilharmonie …