arabische und deutsche Musiker proben in Dresden Integration mit Musik
Es klingt wie das Normalste auf der Welt: Sechs Musiker treffen zusammen, um gemeinsam Musik zu machen. Doch wenn sie aus verschiedenen Kulturkreisen stammen, kann daraus leicht ein Abenteuer werden. „Transit Place“ heißt ein Projekt, bei dem sich zwei Dozenten der Dresdner Musikhochschule mit Mitgliedern der Banda Internationale zusammengefunden haben, um voneinander zu lernen und miteinander ein Konzert zu geben. Ein Gitarrist aus Kolumbien, ein Oudspieler und ein Rapper aus Syrien, eine deutsche Opernsängerin, ein Cellist aus Deutschland und einer aus dem Irak (Fotos: privat) werden nun im Rahmen des Interkulturellen Musikforums Sachsen am Samstag (22.10.) unter dem Titel „Transit Room – eine musikalische Begegnung“ in der Dresdner Musikhochschule den Begriff „Integration“ sprichwörtlich mit Klang füllen.
Die Musiker singen dabei auf Arabisch und auf Deutsch, versuchen aber auch, ihre unterschiedlichen musikalischen Prägungen miteinander zu verbinden. „Dieses Projekt ist für uns alle ein Experiment“, sagt der Cellist Wolfgang Lessing. Jeder der Beteiligten sei nach den Proben mit neuen Erkenntnissen nach Hause gegangen. Vor allem eines sei bei dem Versuch, gemeinsam ein Konzertprogramm mit Werken aus beiden Kulturkreisen zu erstellen, klar geworden: dass Integration und Verständigung die Bereitschaft erfordern, sich selbst zu verändern – und dabei doch eigene Grenzen zu akzeptieren.
Doch was bedeutet es eigentlich, verschiedene musikalische Sozialisationen überein zu bringen? Der Cellist Akram stammt aus dem Irak und kam als Flüchtling nach Dresden. In seiner Heimat werden die Werke von Beethoven und Händel genauso in den Konzertsälen gespielt wie hier, auch er hat gelernt, nach dem Dur-/Moll-System zu spielen – und trotzdem hat das einen anderen Klangcharakter als bei Musikern, die in Deutschland aufgewachsen, also musikalisch sozialisiert sind. Für die Musiker aus Deutschland dagegen sind die arabischen Maqams, also die Modi in der Musik, fast so etwas wie eine Fremdsprache. Diese Maqams sind aus dreiviertel Tönen aufgebaut, was für europäisch sozialisierte Ohren fremd, ja exotisch klingt. „Das ist wie eine andere Tonsprache, man muss sich erst reinfinden“, sagt die Sängerin Elisabeth Holmer – und auch ihr Kollege Wolfgang Lessing gibt zu, dass selbst nach Monaten gemeinsamer Probenzeit noch immer nicht ganz „fertig“ damit sei, Maqams zu begreifen.
Genau das jedoch macht den Reiz des gemeinsamen Projektes aus. Jeder der sechs Musiker soll sich selbst treu bleiben und doch offen für die musikalische Sprache der anderen sein. „Es geht hier nicht darum, mit dem anderen konform zu werden, sondern verschiedene Zugänge zur Musik zu tauschen – und etwas Neues daraus entstehen zu lassen“, erklärt Elisabeth Holmer. Sie hat für das Konzert ein arabisches Wiegenlied einstudiert. Wochenlang habe sie die charakteristischen Dreivierteltonschritte geübt, am Frühstückstisch, unter der Dusche, im Auto, auf dem Arbeitsweg. „Ich habe dann gemerkt, wenn mir ein bisschen schwindelig dabei wird, ist es richtig. Es ist Kopfsache, wir haben unsere Art zu musizieren wie auf einer Speicherkarte abgelegt“, sagt sie.
Zu Beginn der Proben haben die sechs Musiker viel improvisiert, sich nach und nach angenähert, bald ein Programm erarbeitet, das europäische wie arabische Kompositionen einerseits nebeneinander stellt, andererseits aber Spielweisen beider Kulturkreise vereint. Geprobt wurde im Wohnzimmer, bei Tee und Keksen. So wurden aus Musikerkollegen bald Freunde, die mit der Musik auch ein Stück weit in die Kultur des jeweils anderen eingetaucht sind. Ihr gemeinsames Experiment haben sie von der Filmemacherin Barbara Lubich dokumentieren lassen, sodass es nun auch für die Konzertbesucher anschaulich wird.
Auf die Frage, ob Musik denn wirklich eine Sprache sei, die überall auf der Welt verstanden wird, antworten alle sechs sofort mit Ja. „Es ist nur so, dass es eben so etwas wie Dialekte gibt, die sich unterscheiden“, versucht es Wolfgang Lessing zu erklären. Man muss sie nicht fließend sprechen können, wichtig sei nur, dass man versucht, sie wenigstens ein Stück weit zu verstehen. Mit dem Konzert ist ein erster Anfang gemacht. Doch der Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen – und schon jetzt steht für die sechs fest, dass dies nicht das letzte gemeinsame Konzert bleiben wird.
Interkulturelles Musikforum Sachsen, Symposium vom 21. bis 23. Oktober 2016 an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber, Konzert am 22.10., 18 Uhr Konzertsaal der Hochschule.