Eine Prinzessin mit Tücken

Studenten inszenieren Elektro-Märchenoper

Julia Domke (23) studiert im neunten Semester Gesang und Gesangspädagogik an der Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von Weber und singt die Rolle der Königstochter in Wolfgang Mitterers Märchenoper „Das tapfere Schneiderlein“ am Kleinen Haus Dresden (Fotos: PR & HfM/Hans-Ludwig Böhme). Auf elbmargarita.de erzählt sie, was es damit auf sich hat.

Inwiefern folgt Wolfgang Mitterers Oper „Das tapfere Schneiderlein“ der Märchenvorlage?

Es gibt ja verschiedene Varianten dieses Märchens, aber die bekanntesten Szenen wie der Kampf mit den Riesen, das Einhorn und natürlich die berühmten Fliegen kommen auch in der Oper alle vor. Mitterer erzählt diese Geschichte mit seiner elektronischen Musik sehr plastisch, sodass jeder das Märchen wiedererkennen sollte. Es ist ja auch als Kinderoper konzipiert und wirklich witzig.

Diese Oper ist musikalisch sehr modern gestaltet. Welche Herausforderungen brachte das für die Einstudierung Deiner Partien mit sich?

Mitterer verwendet ja ausschließlich elektronische Musik, keine Orchestermusik und das macht die Rolle natürlich sehr anspruchsvoll, besonders weil die Prinzessin in Intervallsprüngen, sehr hoch und sehr schnell singt. Zudem ist die Partie nicht wirklich melodisch, es war also ein schweres Stück Arbeit, sich die Melodie zu erarbeiten, denn die Musik erscheint einem am Anfang nicht logisch.

Hast Du vorher schon in ähnlichen Produktionen mitgewirkt?

Ja, ich habe das Gretchen im „Wildschütz“ gesungen und ganz am Anfang des Studiums im Chor der „Zauberflöte“. Aber diese Rolle ist anders, auch von der spielerischen Seite her. Denn die Prinzessin ist eine sehr extrovertierte Figur, eine Art „Lillyfee auf Droge“, sagen wir immer.

Was nimmst Du aus dieser Arbeit für spätere Projekte mit?

Die Prinzessin hat mir viel gebracht. Da die Partie sehr hoch angelegt ist, habe ich vor allem gelernt, souverän mit den Höhen umzugehen und auch schnell zu reagieren, ohne aus der Puste zu kommen.

Interview: Nicole Czerwinka

Wolfgang Mitterer „Das tapfere Schneiderlein“ läuft als Gemeinschaftsproduktion der Dresdner Hochschulen für Musik und Bildende Künste diese Woche (11. bis 16.12.) täglich am Kleinen Haus Dresden

Weiterlesen

Shakespeare für Hartgesottene

Titus Andronicus, Staatsschauspiel Dresden
Titus Andronicus poltert in einer deutsch-polnischen Kooperation am Kleinen Haus Dresden (Foto: PR/Natalia Kabanow).

„Titus Andronicus“ am Kleinen Haus

Shakespeares „Titus Andronicus“ ist ein vulgäres Stück über Rache und Krieg. Es gilt als Shakespeares blutigstes Drama ohne Moral und ist vermutlich auch deswegen vom Theater der Neuzeit über Jahrhunderte hinweg an den Rand der Vergessenheit gedrängt worden. Eine Kooperationsarbeit des Staatsschauspiels Dresden und des Teatr Polski Wroclaw holt es von dort zurück auf die Bühne. Und wie. Der polnische Regisseur Jan Klata – in seiner Heimat kein Unbekannter – serviert mit seiner Inszenierung in Wroclaw und Dresden eine wuchtig-schonungslose Theaterproduktion, an der sich die Geister scheiden – weil sie nicht schön, aber anders ist und Shakespeares Vorlage dabei trotzdem durchaus gerecht zu werden scheint.

Es ist ein theatrales Feuerwerk mit grellem Blitz und lautem Donner, das hier zweieinhalb Stunden lang auf das Publikum niederprasselt. Ein wahrhaft vulgäres und abstoßend gewalttätiges Stück, skurril, schräg, bösartig und kompromisslos, brutal und dennoch gelungen zweisprachig inszeniert. Der Kampf zwischen Römern (Titus Andronicus) und Goten wird hier auf einer düsteren Bühne ausgetragen. 21 Sargkisten fallen zu Beginn laut krachend unter militärischem Marschgeklapper auf die Bühne, sie stehen für die 21 Söhne, die Titus der Sieg über die Goten gekostet hat. Als er anschließend den Sohn der Gotenkönigin Tamora als Brandopfer tötet und diese dann auch noch den neu ernannten Römischen Kaiser ehelicht, nimmt das blutige Rachedrama seinen Lauf.

Barbarische Gewaltszenen, verpackt in einen schrillen Diskosound, der ab und an mit militärischen Stechschritten kombiniert wird, um das Ganze auf allen Sinnesebenen ja noch wuchtiger zu gestalten, zeigen hier den verbitterten Rachefeldzug zwischen Goten und Römern. An dessen Ende steht das kannibalische Fressen des Gegners, ohne Moral. Auch bei Shakespeare. Nur dass sich hier anstatt der Römer, Deutsche in mit Wehrmachtstechnik bedruckten Shirts und Polen als barbarische Goten in Hawaiihemden gegenübertreten und gegenseitig niedermetzeln – wobei die Derbheit des Stückes auf die gestalterische Spitze getrieben wird. Da fliegen abgehackte Hände über die Bühne und Babys werden verspeist, die stumme Lavinia kehrt blutig vergewaltigt aus den Klauen der Goten zurück. Dazwischen lugt nur ab und zu ein Stück vergnügliche Ironie hervor, meist in Zweisprachigkeit verpackt, die zur Abwechslung ein paar müde Lacher provoziert.

Wirklich menschlich ist keine dieser Figuren auf Bühne, alle handeln brachial und übertrieben, offenbar von niederschmetternden Emotionen geleitet, die an Amokläufer aus dem Fernsehen erinnern. Das zweisprachig mit wirkungsvoll auf weißer Leinwand arrangierten Übertiteln angelegte Stück kommt dabei über lange Strecken nahezu ohne Text aus. Nur das Wichtigste wird gesagt, der Rest ist grell lautstarkes Effekttheater. So ist es am Ende denn auch egal, ob sich Römer und Goten oder Deutsche und Polen auf der Bühne gegenüberstehen, werden hier doch schließlich ohnehin bloß Extreme ohne Graustufen gezeigt, die jeder Hoffnung auf Besserung oder gar Läuterung entbehren.

Die schauspielerische Leistung ist dabei durchweg grandios, schade nur, dass das Publikum in der Wucht der Inszenierung davon größtenteils unberührt bleibt. So wartet etwa Torsten Ranft als Titus-Bruder Marcus Andronicus immer wieder mit keckem Lautklamauk auf und erscheint wie ein in die Handlung verwobener Erzähler, zu dem Wolfgang Michalek als Titus eher in den Hintergrund rückt – wenn er nicht gerade mal wieder lauthals brüllend Rache übt. Und während Paulina Chapko als geschundene Titus-Tochter Lavina in ihrer stummen Opferrolle physisch und psychisch gefesselt auf der Bühne steht, tigert Ewa Skibinska als hinterlistige, erotisch laszive Verführerin und fahrig-gedankenversunkene Rache-Kaiserin über die Bühne.

Die wiederum ist mit den 21 Holz-Sarg-Kisten und der weißen Leinwand im Hintergrund so einfach wie wirkungsvoll gestaltet. Das Bühnenbild von Justyna Lagowska-Klata wird von den kunstvoll arrangierten Übertiteln regiert und gibt trotz oder dank seiner Kargheit viel Raum für Bilder, die die Handlung um Krieg, Rache und Politik eben heraufbeschwört. Die größte Rolle in diesem Reigen aus kriegerischen Grausamkeiten nimmt jedoch immer wieder die Musik ein, die mal laut wummernd, dann wieder ironisch stimmungsvoll („Flames of Love“), immer aber überlaut tönend Raum greift, sodass der krude Machtkampf ähnlich einem Krieg auf der Diskotanzfläche erscheint.

Bei all dem bleibt die Inszenierung dennoch schockierend, abstoßend, grell überzogen und grausam laut, auf ihre Weise jedoch faszinierend zugleich werden diese zweieinhalb Stunden keine Minute langweilig. Dem gern vergessenen Bastard unter Shakespeares Stücken mag das vielleicht gerecht werden, ob es in aller Wuchtigkeit und Brutalität jedermanns Sache ist und so wie zu Shakespeares Zeit auch heute ein großes Publikum begeistern kann, ist dagegen fraglich.

„Titus Andronicus“ am Kleinen Haus Dresden, wieder am 06.10., 19.30 Uhr; 07.10., 19 Uhr; 10.11., 19.30 Uhr und 11.11., 19 Uhr

Weiterlesen

Wenn Frau Eule mit Herrn Albatros

„Ja, ich will“ am Kleinen Haus

Miriam Tscholl inszeniert mit der Bürgerbühne ein amüsantes Spiel mit Verheirateten und solchen, die es mal waren.

Es ist Frühling im Paradiesgarten. Die Vögel zwitschern – und was für welche: Paradiesvögel, Turteltäubchen, Streithähne (Foto: PR/David Baltzer). In Miriam Tscholls Inszenierung „Ja, ich will“ (Stückfassung: Lissa Lehmkühler) geht es so bunt zu wie im Dschungel. Die Piepmätze treffen auf der grünenden Bühne 3 des Kleinen Hauses (Judith Kästner) zusammen und reden über das, was sie alle verbindet: die Ehe.

Ob (noch) glücklich verheiratet oder schon geschieden – die Luftschlösser, Erfahrungen und Probleme, von denen hier die Rede ist, kennt jeder – wenn nicht von sich selbst, so aus Familie, Bekanntenkreis oder aus dem Fernsehen. Sie werden in der aktuellen Aufführung der Bürgerbühne ungekünstelt selbstironisch und ganz ohne Schlammschlachten inszeniert. Nur selten grenzt das Stück ans Klischeehafte, fängt sich dann aber schnell mit herzerfrischend komödiantischen Ideen.

Da ist zum Beispiel der zauberhafte Märchenprinz Michael Sommer, dem alle Frauen zu Füßen liegen, dem sie aus der Hand fressen, den sie vergöttern. Nur nützt es ihm nichts, weil seine Geschichten stets vor der Hochzeitsnacht enden. Da ist der kauzige Pirol (Dietmar Bombach), der die Reisezeit seines Lebens in Kilometer umrechnet und feststellt, jeden zweiten Schritt zusammen mit seiner Frau gegangen zu sein. Und da ist das glücklich verheiratete Schwanenpärchen (Annekatrin und Hagen Bruder), bei dem sich alle anderen fragen: Kann so viel Liebe dauerhaft möglich sein? Dazwischen gibt es auch nachdenkliche, traurige Momente. Die Facetten der Ehe, sie kommen (fast) alle zum Vorschein, in diesen eineinhalb Stunden guter Theaterunterhaltung für Verheiratete sowie auch für die, die es (nicht) noch werden wollen.

Nicole Czerwinka

(erschienen in „ad rem“ 17 vom 20.06.2012)

Kleines Haus 3 Dresden, wieder am: 20.6., 20 Uhr und am 1.7., 19 Uhr

Weiterlesen

Große Partien am Kleinen Haus

Studenten inszenieren Mozarts „Figaro“

Die Dresdner Hochschulen für Musik und Bildende Künste bringen am 27. April mit Mozarts Oper „Die Hochzeit des Figaro“  wieder eine Gemeinschaftsproduktion auf die Bühne des Kleinen Hauses. Während die Kunststudenten für Bühnenbild, Kostüme und Maske verantwortlich zeichnen, übernimmt die Opernklasse der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ den musikalischen Part. Elbmargarita.de sprach im Vorfeld mit Lindsay Funchal (Foto: privat), die die Partie der Susanna singt.

Lindsay, Sie singen die Susanna in der Hochschulinszenierung von „Figaros Hochzeit“. Wie fühlt es sich an, im Rahmen einer studentischen Produktion auf der Bühne des Kleinen Hauses stehen zu dürfen?

Es ist eine tolle Möglichkeit, die wir hier an der Hochschule für Musik haben, unsere Hochschulproduktion auf einer echten Bühne zu spielen und den Betrieb eines richtigen Theaters kennenzulernen. Auch weil Figaros Hochzeit somit in den regulären Spielplan des Dresdner Schauspielhauses integriert ist.

Welche Herausforderungen sind mit der Rolle der Susanna verbunden?

Die Rolle der Susanna ist eine der längsten Opernpartien überhaupt, daher braucht man eine sehr gute körperliche und stimmliche Kondition. Um den Charakter der Susanna darzustellen, muss man sehr aktiv sein und viel Energie versprühen.

Inwieweit können sich auch die Gesangsstudenten in die Gestaltung des Stückes mit einbringen?

Wie in jeder Opernproduktion haben die Sänger auf die Inszenierung an sich keinen Einfluss, allerdings lässt uns der Regisseur Andreas Baumann viel Spielraum, die einzelnen Charaktere selbst zu entwickeln und mit eigener Persönlichkeit zu füllen.

Welche Beziehung haben Sie als Sängerin zu Mozarts Opern?

Susanna ist meine dritte Mozartpartie, nachdem ich bereits Blonde in „Die Entführung aus dem Serail“ und Despina in „Cosi fan tutte“ gesungen habe. Es ist für mich sehr spannend zu erfahren, wie unterschiedlich die oft als ähnlich gesehenen Rollen in Wirklichkeit doch sind. Mozart zeichnet seine Figuren musikalisch sehr fein und jede hat ihre Persönlichkeit. Als Sängerin muss man eine große Sensibilität entwickeln, um diese Unterschiede darstellen zu können.

Mozart charakterisiert die Figuren im Figaro allein durch die Musik sehr genau. Inwieweit bleiben da noch Spielräume für eigene Interpretationen?

Es gibt immer Spielraum für eine eigene Interpretation und das ist genau unsere Aufgabe, die Figuren durch unsere eigene Persönlichkeit mit Leben zu erfüllen.

Interview: Nicole Czerwinka

Mozart „Die Hochzeit des Figaro“, Premiere am 27. April, 19 Uhr im Kleinen Haus Dresden, öffentliche Probe am 25. April, 18 Uhr im Kleinen Haus

Weiterlesen

Bedeutungsvolles Nichts

Janne Teller Nichts, Staatsschauspiel Dresden
Ein Gruppe von Jugendlichen ist mit Nichts auf der Suche nach Bedeutung (Foto: PR/David Baltzer).

Janne Tellers „Nichts.“ am Staatsschauspiel

Am Anfang steht die Videoprojektion. Was die Zuschauer oben auf der Leinwand sehen, passiert unten in der Horizontalen. Die Ebenen werden so auf effektvolle Weise verkehrt. Alle Beteiligten liegen am Boden, am Anfang, als Pierre Anthon aus der Klasse 7a geht. Er entgleitet seinen Kameraden förmlich ins Ungewisse, ins Nichts. Die dänische Schriftstellerin Janne Teller schuf mit ihrem Jugendroman „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ bereits im Jahr 2000 die Vorlage für das Theaterstück, das am Kleinen Haus in Dresden am 31. März Premiere feierte. Es handelt von Pierre Anthon, der sich an einem heißen Sommertag nach den Ferien plötzlich in seinen Pflaumenbaum zurückzieht und behauptet, dass nichts auf der Welt eine Bedeutung hat. Und schon sitzt er da, hoch oben auf den auf der Bühne sorgfältig gestapelten Holzpaletten (Bühne: Karoly Risz). Im Theater provoziert er das Publikum mit dem Mikrophon in der Hand, er bezieht die Zuschauer so direkt mit in das Geschehen ein, viel wirkungsvoller als im Buch.

Hausregisseur Tilmann Köhler hat den umstrittenen, hochphilosophischen und mittlerweile in 13 Sprachen übersetzten Roman Janne Tellers mit den Studentinnen und Studenten des Schauspielstudios Dresden auf jugendlich-frische Art für die Bühne des Dresdner Staatsschauspiels inszeniert. In der folgenden Szene zeigt die Videoprojektion die acht jungen Schauspieler von oben, wie sie wie Ameisen hilflos vor dem Nihilismus ihres früheren Klassenkameraden hin- und herrennen. Schließlich geht es um viel, Pierre Anthons gewagte Thesen vom allumspannenden Nichts führen das Leben ad absurdum, die Jugendlichen wollen daher nun seine Sprüche ad absurdum führen – und beginnen, bedeutsame Gegenstände für einen „Berg aus Bedeutung“ zu sammeln. Zunächst im Publikum. Später soll dann jeder Einzelne von ihnen ein ganz persönliches Opfer bringen. Mit den grünen Sandalen von Agnes beginnt es – und steigert sich schon bald bis ins Geschmacklose. Zum Schluss muss Sophie ihre Unschuld opfern und Jan-Johan seinen rechten Zeigefinger. Das anfangs noch unschuldige Spiel gerät außer Kontrolle.

Die jungen Schauspieler bringen dieses literarische Gedankenspiel Tellers unwahrscheinlich energiereich und voll Erfindungsreichtum auf die Bühne. Immer wieder beziehen sie das Publikum mit in ihr rasantes Spiel ein, verblüffen mit ungeheurer Spontanität und zeigen dabei spürbar Freude an der Improvisation. Es fällt schwer, sich dieser Schnelligkeit und dem Wahnsinn des Stückes zu entziehen. Gibt es zu Anfang noch einige Lacher, herrscht später, als Jan-Johan seinen Finger opfern soll, auf einmal bedächtige Ruhe im Saal. Schon wird diese selbstironisch vom Ensemble gebrochen, mit der offenen Frage, wer von den Darstellern auf der Bühne denn nun Jan-Johan sein soll. Denn die Rollen – und das ist ein geschickter Schachzug Köhlers – sind zu keiner Zeit festgeschrieben. Pierre Anthon wird zum Hamster, Agnes zu Pierre Anthon und so weiter. Jeder ist jeder und alle sind alles, oder eben nichts. Den Schauspielstudenten ringt das darstellerische Höchstleistungen ab, sie müssen jeder für sich in allen Facetten brillieren, permanent von Figur zu Figur schlüpfen. Obwohl sie das mit Bravour meistern, ist es für den Zuschauer doch an mancher Stelle auch verwirrend. So wird der Roman vielleicht ein bisschen zu wörtlich genommen: Nichts bleibt, wie es war. Selbst Requisiten wandern wie von Geisterhand auf die Bühne, wechseln ihre Bedeutung, kreativ wird mit den einfachsten Mitteln gespielt. Zweifelhaft ist dabei jedoch, ob tatsächlich jeder versteht, was beispielsweise ein „Dannebrog“ (in Dresden ersetzt durch einen blauen Slip) ist und warum diese dänische Nationalflagge für einen Jugendlichen von etwa 14 Jahren so bedeutungsschwer sein soll. Hier driften dänische Vorlage und sächsisches Theater ein bisschen auseinander.

Die Sucht nach Bedeutung gelangt dann schließlich auch auf der Bühne zum Höhepunkt, als Jan-Johan seinen Finger opfern muss. Trickreich wird hierbei das Publikum aus seiner Schockstarre geweckt und wiederum direkt ins Geschehen hineingezogen, als ein spontaner Gitarrenwettbewerb auf der Bühne entscheiden soll, welcher Schauspieler Jan-Johan mimen wird. Die Entscheidung – und das erscheint genial – liegt dabei ganz allein beim Publikum, das per Applaus für den einen oder den anderen abstimmen wird, und sich so auch ein Stück weit mitschuldig macht am darauffolgenden Verlust des Fingers. Reflektierende Distanz unerwünscht. Jeder ist alles oder nichts.

Dass die Inszenierung sich dabei auch allzu gern mal vom Text der Romanvorlage abhebt und szenische Freiheiten ausgiebig auskostet, macht einen gewissen Reiz des Ganzen aus. Es kann allerdings dann zu Problemen führen, wenn man die Romanvorlage nicht kennt. Sehr dicht wird es dabei vor allem am Schluss, wo Journalisten aus aller Welt zu den Schülern kommen, um ihren Berg aus Bedeutungsvollem als Kunstwerk zu begutachten. Auch hier wird das Publikum wieder auf die Bühne zitiert und somit Teil der gaffenden Masse. Doch allzu schnell ist dieser Ruhm verflogen und der Berg wieder vom Nichts bedroht. Was dann kommt, passiert im Zeitraffer. Unbelesene werden spätestens hier überfordert sein: Massenkampf mit Todesfolge, der Berg wird angezündet und nur die Asche bleibt vom einstmals Bedeutungsvollen noch übrig. Erst hier kommt die Videoprojektion dann wieder zum Einsatz, weit weniger wirkungsvoll als zu Beginn zeigt sie dieses Mal jedoch nur auf eine Person, die erledigt am Boden liegt – oben wie unten, die Ebenen scheinen nun gewaltvoll geglättet. Die Moral von der Geschichte bleibt im Roman wie am Theater jedem selbst überlassen – es sei denn man hält es wie Pierre Anthon.

Staatsschauspiel Dresden, Kleines Haus, wieder am 7.4., 13.4., jeweils 19.30 Uhr,

Weiterlesen