Im Karussell der Erinnerungen

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Jochen Schmidts „Schneckenmühle“ am Kleinen Haus

Was ist, wenn sich die Welt verändert, während im Ferienlager, mitten in der Pubertät, das eigene Leben aus den Fugen gerät? Wie nimmt man die politische Wende wahr, wenn man doch noch auf der Suche nach sich selbst ist? Das Stück „Schneckenmühle“ nach dem gleichnamigen Roman von Jochen Schmidt (2013) ist jener Vorwendegeneration gewidmet, die 1989 gerade 14/15 Jahre alt, gleich eine doppelte Umbruchzeit durchleben durfte – bei der der persönliche Aufbruch ins Erwachsenenleben mit dem Aufbruch in eine neue deutsche Zeitrechnung zusammenfiel.

Ohne (N)Ostalgie will Regisseur Robert Lehniger diese jugendliche Geschichte über den 14-jährigen Jens im Ferienlager „Schneckenmühle“ auf die Bühne des Kleinen Haues bringen. So liegt der Protagonist (Thomas Braungardt) zwar nicht im blauen FDJ-Hemd, dafür aber im blauen Samtpulli zunächst auf einer Art Zahnarztstuhl mit Lampe und Kamera, setzt sich jugendlich verspielt eine echte Weinbergschnecke auf die Wange und hadert in einer Art szenischer Lesung mit dem Vorhaben Ferienlager. Es dauert einen Moment, bis das unbeschwerte Lagerleben auf der Bühne dann tatsächlich Raum greift. Worte wie Intershop, Pfeffi, Nicki und FDJ fallen nun doch – und verorten das Ganze eindeutig da, wo es auch hingehört: Im Ferienlager der Wendezeit auf ostdeutscher Seite.

So spielt das Stück geschickt mit den Erinnerungen jener, die in dieser Zeit – oder vorher – ebenso eine fröhliche Ost-Jugend erleben durften, wie der Protagonist und seine Freunde. Es bleibt aber auch jenen nicht fern, die Intershop-Geruch und FDJ-Ansagen (Foto: PR/Matthias Horn) nur mehr aus den Erzählungen der Elterngeneration kennen, eben weil die Jugend und ihre Blüten im Grunde in jeder Zeit ähnlich bleiben. Tatsächlich nämlich handelt das, was sich hier im Pappmaché-Bungalow (Bühne & Kostüm: Irene Ip) abspielt, viel mehr von den großen und kleinen Unwägbarkeiten der Jugend, als von großer Politik – seien es kurze Blicke aufs andere Geschlecht, heiße Diskussionen über die Liebe oder kleine Hänseleien der Schwächsten im Bunde.

Es wird gerappt, gesungen und getobt, mal gespielt, dann getanzt – all das also, was junge Leute auch heute noch so tun. Zum Beweis dafür, greift Robert Lehniger immer wieder auf die Videoprojektion zurück, die hier nicht nur einen aktuellen Blick ins ehemalige und heutige Ferienlager Schneckenmühle eröffnet, sondern auch Interviews mit jungen Menschen aus dem Jahr 2013 abspult, bevor die Perspektive abermals zum Romanstoff hin wechselt. Wunderbar stimmungsvoll gelingt hier vor allem die Szene am Lagerfeuer, und als denn auch noch die Russen kommen, wird es zeitweise sogar richtig humorig spannend.

Das fünfköpfige Ensemble schlüpft gekonnt in die Rollen der Vorwende-Kinder und zieht mit Authentizität und Wandlungsfreude in den Bann. Vor allem Thomas Braungardt kann als schüchterner, unsicherer Jens, der stets zwischen den Überzeugungen der Gruppe und seiner eigenen hin- und hergeworfen wird, überzeugen. Immer wieder, vielleicht ein bisschen zu häufig, ergänzt vom bunten Videospaß auf Leinwand und Kulisse, entspinnt sich die Romanhandlung in der Bearbeitung von Beret Evensen und Robert Lehniger als abwechslungsreiches und kurzweiliges Theatererlebnis. Ein Erlebnis allerdings, dass wenig Raum für tiefergehende Gedanken über diese Zeit gibt, sondern stattdessen oft in Übermut zu ersticken droht.

Wer den Berliner Autor Jochen Schmidt (Jahrgang 1970) und seine Texte kennt, der wird wissen, dass diese, von ihm live in seinem typisch gleichgültigen Schmidt-Duktus (etwa bei der „Chaussee der Enthusiasten“ in der Hauptstadt) vorgetragen, sich weit wirksamer entfalten als auf bloßem Papier. Ähnlich ist es mit dieser Inszenierung, sie ist lebhaft unterhaltsam – und dennoch wünschte man ihr hier und dort doch ein Quäntchen mehr von eben diesem herrlich gleichgültig sonoren Schmidt-Stil.

Nicole Czerwinka

Jochen Schmidt: „Schneckenmühle“ am Kleinen Haus, wieder am 9.11., 12.11., 18.11., 23.11., 11.12., 31.12., jeweils 20 Uhr

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Florentinischer Liebesreigen

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Weills „Viel Lärm um Liebe“ an der Staatsoperette

Der Komponist Kurt Weill (1900-1950) ist wohl vor allem für die „Dreigroschenoper“ (1928) bekannt. Die Staatsoperette schenkt Dresden zum Saisonstart nun die europaweit erste szenische Aufführung seiner Broadway-Operette „Viel Lärm um Liebe“ (1945, Original: „The Firebrand of Florence“). Und diese ist ganz anders, als das, was man gemeinhin von Weill so kennt. Die Musik klingt wie aus einem Revuefilm der 50-Jahre, die Melodien sind schwärmerisch, fast schwelgend, die Texte (Ira Gershwin, Deutsche Fassung: Roman Hinze) oft keck und frech. Wer das Stück sieht, dem wird schnell klar, warum man Weill gern vorwirft, er hätte nach seiner Emigration nach Amerika die ernsthafte Musikgattung gegen die sogenannte niedere, sprich: unterhaltsame getauscht.

Mit der Inszenierung von Holger Hauer lädt die Staatsoperette ihr Publikum nun dazu ein, sich ohne diese Vorurteile mit dem deutsch-amerikanischen Gesamtwerk Kurt Weills auseinanderzusetzen. Und Hauer macht die Operette zu dem, was sie jenseits des großen Teiches sicher auch einmal war: ein kunterbuntes, bilderreiches Spektakel aus dem Reiche der unbekümmerten Unterhaltung, das hier oft filmisch und märchenhaft, manchmal auch überladen und etwas derb daherkommt.

Die Handlung (Buch: Edwin Justus Mayer) basiert sehr frei auf den Memoiren des florentinischen Bildhauers Benvenuto Cellini (1500-1571), dessen Werke bis heute leibhaftig in Florenz herumstehen, und der im Stück zur Hauptfigur wird. Cellini ist ein geschwätziger Gernegroß und Frauenheld. Im Auftrage des Herzogs von Florenz meißelt er eine große Statue nach dem Bild der schönen Angela, doch soll er aufgrund seines ausschweifenden Lebensstils mehrfach in der Operette hingerichtet werden. Miljenko Turk gibt diesen sprunghaften Künstler voller Energie und singt seine Partie zur Premiere trotz Erkältung in einem angenehmen Duktus.

Seine zweifache Begnadigung verdankt dieser Cellini in erster Linie den Frauen, denn auch die Herzogin hat ein Auge auf den smarten Bildhauer geworfen. Elke Kottmair erscheint in der Rolle dieser eher kühlen, berechnenden Medici, die nur auf das Eine aus ist, wie eine überzeichnete Comicfigur. Mit blauen Haaren, pelzbesetztem Mäntelchen, silbernem Rock (Ausstattung: Christoph Weyers) und ihrem gehässig grausamen Lachen ist sie die exzentrische Lady im Stück. Ganz anders dagegen die bescheidene, schöne Angela im weißen Kleid, die sich wahrhaftig in Cellini verliebt. Olivia Delauré ist eine reizende, anfangs fast zerbrechlich wirkende Angela, die mit ihrer zarten, in den Höhen angenehm perlenden Stimme sowohl in Arien als auch Duetten überzeugt.

Kein Wunder, dass der Herzog, Alessandro von Medici, wiederum mit der Gunst dieses jungen Bildhauermodells liebäugelt und Angela kurzerhand aus Cellinis Atelier entführt. Bryan Rothfuss verleiht dem selbstgefälligen bis narzisstischen Neurotiker im langen schwarzen Pelz eine gehörige Portion Komik und bewegt sich auch stimmlich auf hohem Terrain. Unter der Leitung von Andreas Schüller lässt das Orchester der Staatsoperette Dresden die Weill-Partitur dazu mit Schwung und dem für das Stück gebührenden Pathos wiederauferstehen.

Ballett und Chor der Staatsoperette (Chor: Thomas Runge, Choreografie: Christopher Tölle) machen die europäische Renaissance dieser Revue auf der Leubener Bühne wunderbar komplett. So geht es durch opulente Bühnenbilder also hin und her, von der fröhlich wuselnden Galgenszene am Beginn, über Cellinis helles Bildhaueratelier, zur überaus grünen Spielwiese des Herzogs und seiner Frau, bis nach Paris, wo schließlich – Wie sollte es anders sein? – das versöhnliche Happy End auf Cellini und Angela (Foto: PR/Kai-Uwe Schulte-Bunert) wartet.

Alles in allem also doch ganz schön viel seichte Unterhaltung, die hier serviert wird. Ab und an gewürzt mit ein paar unnötigen Albernheiten, von der platten Übersetzung der Vorlage ins Deutsche mal ganz abgesehen. An manchen Stellen wünscht man sich schlicht etwas weniger der bunten Fülle. Dennoch gedeiht dieser deutsch-amerikanische Operettenabend mitten in Dresden am Ende zu einem fulminanten Spektakel, das den Spielplan des Hauses gekonnt um eine echte Broadway-Operette ergänzt und das Wissen der Zuschauer um eine Weill-Facette erweitern möge. Schon allein deshalb ist dieser florentinische Liebesreigen doch durchaus sehenswert.

Nicole Czerwinka

Kurt Weills „Viel Lärm um Liebe“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 5. und 6. November sowie am 18. und 19. Dezember und 28., 29. Januar, jeweils um 19.30 Uhr

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Lebendig gewordene Geschichte(n)

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Messe „schriftgut“ lockt mit Handwerk und Historie

Dresdens individuelle Literaturmesse „schriftgut“ öffnet ihre Pforten diesen Herbst zum zweiten Mal. Lesefreudige Besucher (Foto: PR/Beatrice Schreckenbach) können vom 1. bis 3. November auf den Fußnoten barocker Dichtung wandeln und die Entstehung eines Buchs aktiv mitgestalten.

„Die großen Buchmessen sind oft sehr unpersönlich“, erzählt Peggy Salomo, Projektmanagerin der „schriftgut“ und Vizepräsidentin der Dresdner Gesellschaft für Literatur. „Zu viele Reize strömen auf die Menschen ein und man hat kaum Zeit, sich intensiv mit dem Medium Buch zu beschäftigen.“ Bei der „schrifgut“ soll das anders sein; hier wird das Mitmachen großgeschrieben, in verschiedenen Themenräumen können die Besucher Papier schöpfen, Kalligrafie lernen oder sich im traditionellen Druckverfahren ausprobieren. Die Buchbinder-Landesinnung Sachsen erklärt dabei, wie früher und heute Bücher gebunden wurden und was den Beruf eines handwerklichen Buchbinders ausmacht.

In der großen Halle präsentieren sich regionale Verlage und Zeitschriften, und auch das Programm auf den Lesebühnen wird zum Teil mit Dresdner Autoren gestaltet. Ralf Günther, bekannt vor allem durch seine historischen Romane, stellt am Messe-Samstag sein neues Buch vor, eine lustige Erzählung für die ganze Familie. Dresden-Krimi-Autor Frank Goldammer präsentiert seine Thriller und Romane am eigenen Stand. Am Sonntag verleiht die Literaturzeitschrift SIGNUM den „Weißen Raben“, einen neu ins Leben gerufenen Preis für die beste Debütveröffentlichung. Und auch die Literatur- und Kunstzeitschriften „Ostragehege“ und „Maulkorb“ haben sich angekündigt und zeigen den Besuchern lyrische und prosaische Gedanken zur Dresdner Kultur.

Neu in diesem Jahr ist der interaktive Zeitreise-Bereich: Mitten zwischen den Besuchern wandeln Persönlichkeiten der Epoche des Barock und rezitieren Briefe und Gedichte. Die Reichfürstin von Teschen, die das Theater revolutioniert hat, wird von einer Schauspielerin vorgestellt. Aber auch Friedrich der Große, Freiherr von Münchhausen, Hofbildhauer Balthasar Permoser und Sängerin Baronin von Moretti stehen Rede und Antwort. Beim Genießen des barocken Flairs kann man nicht nur Tänze und die „Fächersprache“ bei Hofe lernen, sondern auch barocken Märchen lauschen, sich barock schminken oder zeichnen lassen oder sich einfach zu Casanova ins Bett legen! Zwei Streicherkonzerte am Samstag runden die Zeitreise ab, und für die Kinder gibt es eine echte barocke Puppenstube zu bestaunen.

Die Leseförderung beim Nachwuchs ist den Organisatoren wichtig: Die Städtischen Bibliotheken parken die Fahrbibliothek vor der Messe und gestalten für Kinder und Jugendliche ein buntes Programm. Außerdem darf eifrig gebastelt werden: Selbst gemachte Weihnachtskarten und Linolschnitte sollen die Kinder anregen, sich mit dem Medium Papier und der Druckkunst zu beschäftigen.

Bianca Raum von „Literatwo – Binea & Mr Rail“ übernimmt auf der „schriftgut“ das Live-Blogging mit Verlosung und stattet alle Kinder als Messereporter aus. Mit einem eigenen Presse-Ausweis und einem Quiz zu den Themengebieten machen sich die Wissbegierigen auf den Weg über das Gelände, um Aussteller und Teilnehmer „Löcher in den Bauch“ zu fragen. Wie winzig ist eigentlich eine Minibuch-Bibliothek und was könnte ein „Lesespaten“ sein? Neben Infos zum Barock gilt es auch, das Autogramm eines Schriftstellers zu ergattern – aber davon trifft man auf der „schriftgut“ ja genug!

Linktipp: www.schriftgut-messe.de

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Figaros Hochzeit im futuristischen Ufo

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„Die Hochzeit des Figaro“ an den Landesbühnen

Ein bisschen Eifersucht, viel Leidenschaft und eine Prise Aufmüpf sind das Geheimrezept, mit dem Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Die Hochzeit des Figaro“ (1786) das Publikum bis heute in ihren Bann zieht. Die Geschichte vom gräflichen Diener Figaro, der seine Susanna heiraten will, auf die wiederum auch Graf Almaviva ein zwinkerndes Auge geworfen hat, erobert in einer optisch unkonventionellen Inszenierung von Anja Sündermann nun auch die Landesbühnen Sachsen.

Sündermann bewegt sich inhaltlich nah am Original der Oper, die damals die erste von drei gemeinsamen Arbeiten Mozarts mit dem Librettisten Lorenzo Da Ponte war. Sie versetzt die Handlung auf der Bühne in einen von Ausstatterin Olga von Wahl geschaffenen, futuristischen und sehr technisch anmutenden Glitzerraum, der im Wesentlichen aus einer großen Metallwelle und einem liebesroten, ufoartigen Ring besteht, mit dem der Graf – hier Herr über die Fernsteuerung – Susanna einfangen möchte.

Diese ist, wie auch die anderen Figuren im Spiel, von Emotionen und Leidenschaften getrieben, hin und hergerissen zwischen dem mächtigen, erfahrenen Grafen und ihrem lässigen Jungspund Figaro. Miriam Sabba (Foto: PR/Robert Jentzsch) verleiht ihrer Susanna dabei wahrhaft kämpferische Züge und meistert die Partie, die der größte Gesangspart in der Oper überhaupt ist, souverän und vielgestaltig. Die Inszenierung stellt ihr zudem noch zwei weitere Bräute zur Seite. Denn auch Marcellina, die ebenfalls gern mit Figaro verheiratet werden möchte, wird hier von Silke Richter in silbernen Stiefeln und mit weißer Korsage als mondänes Vollweib im Brautkleid gezeigt.

Die dritte Braut im Bunde ist schließlich die Gräfin. Stephanie Krone singt diese Partie so wunderbar gefühlvoll und berührend, dass man ihr den Kampf der langjährigen Ehefrau um ihren Gatten gern abnimmt. Doch auch sie ist gegen die Verführung des Fremden nicht ganz immun. Vor allem der lebenslustige Page Cherubino hat es ihr angetan. In der beliebten Hosenrolle gehört Patrizia Häusermann gewiss zu den großen Stimmen des Abends. Sie ist der sorglose Fixpunkt der Inszenierung, springt selbst in Stöckelschuhen unbeschwert über die Bühne und lässt sich von keiner Regel fangen.

Obwohl die Herren – allen voran Kazuhisa Kurumada als Graf und Paul G. Song als Figaro – sowohl musikalisch als auch darstellerisch keine Wünsche offen lassen, scheint die Bühne hier eher den Damen zu gehören. Sie treiben das Spiel an, kontern die Intrigen des Grafen und Figaros schließlich mit ihrer eigenen und sind auch optisch irgendwie stets im Fokus. Hinzu kommt ein mit lustigen Kappen begleiteter Chor, der wie ein Spähtrupp des Grafen immer dann beobachtend zur Stelle ist, wenn der Hausherr mal nicht an seinem blinkenden Steuerrad steht.

Überhaupt bietet die mit vielen neckischen Ideen garnierte Inszenierung jede Menge zum Schauen. Das sonst häufig im „Figaro“ gezeigte Türengeklapper – zum Zimmer rein, zum Zimmer raus, ins Versteck und wieder zurück – wird hier durch einen aufgeweckten allgemeinen Trubel ersetzt, der nicht nur Kurzweil, sondern bisweilen auch viel Komik erzeugt. Einziges Manko des quirligen Spiels: Der eine oder andere Handlungsfaden kann dem Zuschauer in diesem bunten Treiben schon mal verloren gehen.

Doch das ist im Strudel der Aufführung schnell wieder vergessen. Gelungen ist diese auch deswegen, weil die langen Rezitative der Oper im Vorfeld massiv gekürzt wurden. Der musikalische Leiter Jan Michael Horstmann hat dazu flüssige Anschlüsse gefunden und führt die Elbland Philharmonie Sachsen sowie das Ensemble am Premierenabend werkgetreu durch die Oper. Musik und Bühne gehen dabei trotz des ungewöhnlichen Bildaufbaus erstaunlich gut Hand in Hand, sodass dieser „Figaro“ als pfiffige und lebhafte Interpretation in bester Erinnerung bleibt.

Nicole Czerwinka

Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ an den Landesbühnen Sachsen, wieder am 18.10., 17.11. und 29.11. im Stammhaus Radebeul

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Zeitgenössisches aus Polen und Tschechien

Valentina Marcenaro in ihrem Büro. Sie ist die neue Festival-Lei

17. Jüdische Musik- und Theaterwoche

Inmitten des herbstlichen Blätterrauschens lädt die Jüdische Musik- und Theaterwoche in Dresden alljährlich zum kulturübergreifenden Kunstgenuss ein. Einst als jiddische Woche ins Leben gerufen, haben sich Organisatoren und Gastgeberinstitutionen inzwischen als Verein formiert und holen vom 13. bis zum 27. Oktober bereits in der 17. Auflage wieder jüdische Künstler in die Stadt. Erstmals hat die Woche – eigentlich sind es ja zwei – mit Valentina Marcenaro (Foto: PR/Amac Garbe) dieses Jahr eine waschechte Jüdin als Festivalleiterin bekommen – und wird unter dem Motto „Nachbarn im Osten“ mitten in Dresden ein Stück jüdische Kultur aus Tschechien und Polen präsentieren.

„Es soll um zeitgenössische Sichtweisen der Künstler auf ihre Kultur gehen“, erzählt Valentina Marcenaro. Das Spektrum der insgesamt 35 Veranstaltungen in diesen 14 Tagen reicht von Lesungen, über Konzerte, Filme, Theater, Ausstellungen bis hin zu Vorträgen, Gesprächen und Habräischkursen. Erstmals wird es in diesem Jahr eine Nacht der Synagoge geben (19. Oktober), sie wird von der Jüdischen Gemeinde Dresden gestaltet und stellt verschiedene Themenorte in der Synagoge vor.

Eine Neuauflage erfährt auch die Jüdische Ballnacht (18. Oktober), die im Jahr 2010 mit rund 120 Besuchern im Gemeindesaal der Synagoge erfolgreich Premiere feierte. Dieses Mal wird im Hygienemuseum getanzt, wo die Besucher unter Anleitung typisch jiddische (Volks-)Tänze zelebrieren können. „Das hat nichts mit einem steifen Ballabend in Abendkleid und Smoking gemein, sondern ist eher eine lockere Atmosphäre, wo alle gemeinsam tanzen“, sagt Marcenaro.

Doch auch Film- und Theaterfans kommen beim Festival auf ihre Kosten. Ein Höhepunkt wird sicher die Deutschlandpremiere „Ein Stück über Mutter- und Vaterland“ in einer Inszenierung des polnischen Regisseurs Jan Klata am Staatsschauspiel Dresden (24. Oktober) sein. Klata, der  den Dresdnern bereits durch seine deutsch-polnische Version von Shakespeares „Titus Andronicus“ bekannt sein dürfte, die fast genau ein Jahr zuvor am Kleinen Haus Premiere feierte, habe dieses Stück selbst für das Festival ausgesucht.

Ein ebenfalls spannender Import aus Polen ist der Film „Pok?osie – Nachlese“ von W?adys?aw Pasikowski aus dem Jahr 2012 (14. Oktober), der heftige Diskussionen im Heimatland entfesselte. Regisseur Pasikowski rüttelt in seinem Werk am Selbstverständnis der Polen, in dem er sie nicht als Kriegsopfer, sondern als Komplizen des Judenmords während der Naziherrschaft zeigt. Der Abend im Thalia wird mit einer Gesprächsrunde zum Thema ausklingen.

Eher historisch ausgerichtet sind auch zwei tschechische Beiträge zum Festival. Ein Schülerprojekt aus Tschechien wird dabei zum Dreh- und Angelpunkt einer Ausstellung im Stadtmuseum, die dort noch bis zum 27. Oktober unter dem Titel „Verschwundene Nachbarn“ zu sehen ist. Sie ist Bestandteil eines langfristigen Bildungsprojektes vom Jüdischen Museum in Prag, wo Jugendliche zwischen 12 und 21 Jahren nach Nachbarn vergangener Generationen forschen, die aufgrund der Nürnberger Rassengesetze einst „verschwunden“ sind.

In Zusammenarbeit mit dem Mitteleuropazentrum der TU Dresden spürt eine Projektgruppe aus Theresienstadt zudem Erinnerungsorte in Dresden und Theresienstadt auf, um daraus eine „Landschaft des Gedenkens“ zu entwerfen. Das grenzübergreifende Projekt will im Rahmen des europäischen Ziel3-Programms bis Mitte 2014 eine multimediale Präsentation zum Thema erstellen: Ein 3D-Modell zur „Landschaft der Gedenkens“ wird die Erinnerungsgeographie der böhmisch-sächsischen Grenzregion im ‚Dritten Reich‘ bis dahin virtuell repräsentieren. Das Projekt wird am 14. Oktober, um 17 Uhr im Museumscafé des Stadtmuseums Dresden vorgestellt.

Über Polen und Tschechien hinaus hat Valentina Marcenaro in diesem Jahr auch die Festivalsäule des „Israelischen Kulturfensters“ präzisiert. „Das Festival hat immer schon Künstler aus Israel eingeladen. Die israelische Kulturlandschaft ist sehr interessant, aber israelisch ist nicht gleich jüdisch“, erklärt sie den Hintergrund – und empfiehlt das israelische Acco Theatre Centre, das im Societaetstheater mit „Um Muhamad“ (16. Oktober) aufspielt, einem Stück, in dem eine jüdische und eine muslimische Israelin über ganz ähnliche Verluste im Leben ins Gespräch kommen.

Nicole Czerwinka

Linktipp: www.juedische-woche-dresden.de

! Achtung Freikartenverlosung: Elbmargarita verlost je zwei Freikarten für das Klezmafour-Konzert (PL) am 17.10. (21.30 Uhr) in der Scheune und das Konzert „Yiddish Evergreens“ mit Sharon Brauner (D) am 19. 10. (22 Uhr) im Jüdischen Gemeindezentrum. Einfach bis zum 15. Oktober eine E-Mail mit dem Stichwort „Elbmargarita“ an presse(at)juedische-woche-dresden.de senden und gewünschtes Konzert sowie den Namen mit angeben. Viel Glück!

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Opernspaß mit der Nanny und Steve Urkel

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Szene12 inszeniert „Così fan tutte“ im Labortheater

Theaterregisseure sind oft bescheidene Menschen. So nahm Toni Burghard Friedrich den tosenden Schlussapplaus für seine Inszenierung von Mozarts „Così fan tutte – oder die Schule der Liebenden“ im Labortheater am Donnerstag (26.9.) auch mit einem stillen, zufriedenen Nicken entgegen. Verdient hat er ihn allemal, denn der Regiestudent aus Wien hat mit dem jungen, durchweg studentischen Ensemble des Dresdner Vereins szene12 in diesem Jahr eine so ungewöhnliche wie beachtliche Aufführung des bekannten Repertoirestücks auf die Beine gestellt.

Das Verwechslungsspiel um den kreuzweisen Pärchentreuetest in Mozarts dritter und letzter Oper, die er zusammen mit dem Librettisten Lorenzo Da Ponte realisierte, wird in Friedrichs Inszenierung als moderner Sitcom-Dreh verpackt. Don Alfonso (Steven Klose) ist hier der Regisseur am Filmset, seine Verbündete Despina (Marie Hänsel) steht ihm als Assistentin zur Seite. Die vier Hauptpersonen Fiordiligi (Johanna Will), Dorabella (Christiane Johanna Gänßler), Ferrando (Sie Hun Park) und Guglielmo (Meinhardt Möbius) treten schließlich als paarweise verbandelte Sitcom-Schauspieler auf, die stets zwischen Bühne und Hinterbühne auf- und abgehen.

Leonore Pilz und Dennis Ennen von der Dresdner Hochschule für Bildende Künste haben für diesen pfiffigen Stückzugang eine typische Sitcom-Kulisse im Wohnzimmerstil (Foto: PR/René Fußhöller) entworfen, in der das Spiel im Spiel stattfindet. Eine Videoleinwand zeigt zudem den Bereich hinter der Bühne. Hier streiten, pausieren und lachen die als Sitcom-Stars auftretenden Hauptcharaktere – vorn müssen sie den Partnertausch glaubhaft vorgaukeln, hinten wissen sie, wer sich hinter der Maskerade verbirgt. Die eigentliche Oper wird so auf geschickte Weise noch um eine Ebene erweitert, die den zumeist unkritischen TV-Konsum der Fernsehzuschauer hinterfragt.

Was hier vielleicht kompliziert klingt, verblüfft auf der Bühne als ungewöhnlich leichtfüßige und spritzige Opernvorstellung, der in Anbetracht von knapp fünf Wochen Probenzeit, die alle Beteiligten neben dem Studium stemmen mussten, höchster Respekt gebührt. Die jungen Darsteller überzeugen sowohl mit ihrer Spielfreude als auch gesanglich, wobei die Partitur des Stückes gerade für junge Stimmen eine große Herausforderung ist. Unter der musikalischen Leitung von Michael Blessing, der passend zum Stück ein reines Frauenorchester dirigiert, gedeiht der Abend zu einem soliden musikalischen Singspielerlebnis.

In Anlehnung an amerikanische Fernsehsitcoms stöckeln und stolpern hier auch einige vom Bildschirm bekannte Typen übers Parkett. So trägt Marie Hänsel als Despina ganz eindeutig Züge der „Nanny“, Guglielmo verwandelt sich dank Verkleidung plötzlich in den „Prinz von Bel Air“ und Ferrando ähnelt verblüffend komisch dem Tollplatsch Steve Urkel aus „Alle unter einem Dach“. Für Lacher sorgt auch immer wieder der von Leonore Pilz zusammengestellte Film-Vorspann zur Sitcom „School of Lovers“, die hier im Gewand von Mozarts Oper gezeigt wird.

So spielt die Inszenierung mit typischen Formen, Abläufen und Charakteren der amerikanischen Fernsehsitcom, doch geschieht dies alles, ohne dass es aufgesetzt oder penetrant wirken würde. Ungeachtet des lockeren Showcharakters bleibt die Oper immer Oper, in der Musik und Handlung wirkungsvoll Hand in Hand gehen. Und dennoch sind die gut zwei Stunden junger Kunst im Laborthater so kurzweilig, dass man am liebsten sitzen bleiben und weiter diesem opernhaften Fernsehspiel (oder war’s umgekehrt?) zuschauen möchte. Als am Ende dann doch die Lichter ausgehen, der Fernseher quasi abgeschaltet ist, kann man dem jungen Projekt für die fünf Vorstellungen in dieser Woche nur noch viele, viele Zuschauer wünschen …

Nicole Czerwinka

Szene12 spielt „Così fan tutte“ im Labortheater, wieder am 28./30.9., 2.10., je 20.15 Uhr, am 3.10., 16 Uhr und am 5.10., 20.15 Uhr

Linktipp: www.szene12.de

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Oase der Ruhe im Neustadtdschungel

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Café OSWALDZ vereint Köstliches und Kunst

Kunst, Kaffee und Kommunikation gingen in den großen Kaffeehäusern der Welt seit jeher Hand in Hand. Die Symbiose aus köstlich duftendem Kaffee, zeitgenössischer Kunst und Konversationen im gepflegten Ambiente gehört auch zum Konzept des Café Oswaldz auf der Bautzner Straße 9, das am Freitag (20.9.) Eröffnung feierte.

Die Betreiber Petra van de Loo und Kai Lässig haben mit dem kleinen Café am Rande der Dresdner Neustadt einen lang gehegten Traum wahr gemacht und eine Oase der Ruhe in direkter Nachbarschaft des hektischen Albertplatz geschaffen. Mit der Kunstkennerin Elly Brose-Eiermann (Foto: N. Czerwinka) haben sie zudem eine Partnerin gefunden, die den Duft von köstlichen Kaffeespezialitäten im Oswaldz mit ausgewählten Werken der zeitgenössischen Kunst gekonnt zu ergänzen weiß.

Mit einer vierteljährlich wechselnden Ausstellungsreihe wird sie den Gästen regelmäßig andere Werke der zeitgenössischen Kunst präsentieren und dem ersten Kunstcafé der Stadt somit auch eine Art Galeriecharakter verleihen. Zur Eröffnung hatte Brose-Eiermann die in Berlin lebende Malerin Sophia Schama und den tschechischen Videokünstler Pavel Mrkus nach Dresden geladen.

Sophia Schama, die in Sophia/Bulgarien geboren, in Syrien aufgewachsen ist und an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste studiert hat, stellt derzeit ihr imposantes Ölgemälde „Urban Jungle“ (2008) im Oswaldz aus. Pavel Mrkus zeigte zur Eröffnung an der Wand gegenüber dem Tresen eine vielseitige Live-Video-Performance.

Auch für die nächsten Ausstellungen habe Elly Brose-Eiermann schon einige passende Kunstwerke im Blick. „Ich könnte mir an der Wand auch etwas Skulpturales gut vorstellen“, sagte sie zur Eröffnung. Dabei sei es ihr Bestreben nicht nur Dresdner, sondern auch internationale Künstler in dem Café zu würdigen. „Nicht jeder Künstler ist bereit, in einem Café auszustellen, aber diejenigen, mit denen ich zusammenarbeite, haben großes Vertrauen zu mir“, so Brose-Eiermann, die in Dresden ein Büro für Kunst leitet.

Nicole Czerwinka

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Verträumtes Villenviertel

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Hirschspaziergänge …

Zwischen Romanschauplatz und Großbaustelle, von Lahmanns Erben bis hin zu den schnuckeligen Villen rund um die Standseilbahn gibt es auf dem Weißen Hirsch für Bummler und deren Kameraobjektive zu jeder Jahreszeit etwas zu entdecken. Sogar an vernieselten Herbstsonntagen …

Fotos: Nicole Czerwinka

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Dresdner Theatersaison eröffnet

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Zwischen Bühnentechnik und Premieren

Erst die Party, dann die Premieren. Das Dresdner Staatsschauspiel stimmt am kommenden Sonnabend (7.9.) mit einem großen Theaterfest auf die neue Saison ein. Das Programm für die kleinen Besucher startet um 15 Uhr vor dem Schauspielhaus, bevor es mit der Bühnentechnikshow im Theater um 16 Uhr dann auch für die Großen interessant wird.

In den Foyers enthüllen die Abteilungen des Hauses den Nachmittag über Geheimnisse aus ihren Werkstätten (Foto: PR/Daniel Koch), während zum 100. Geburtstag des Hauses Zeitzeugen aus vergangenen Tagen im Roten Salon zu Wort kommen. Höhepunkt wird am Abend der große Spielzeitausblick (20 Uhr im Hauptsaal) mit Szenen und Musik aus den ersten Premieren der Dresdner Staatstheatersaison sein. (NC)

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Musik wie Zuckerwatte

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„Pantoum“ bringen ihr erstes Album heraus

Es ist gepresst. Die Dresdner Band Pantoum (Foto: PR/René Limbecker) hat über ein Jahr lang fleißig komponiert, gespielt, gebastelt, gemixt und hält nun ihr erstes gemeinsames Album in den Händen. Es heißt „Puzzle“ und vereint Songs voller Sehnsucht, die phantasievoll aus Jazz- und Popelementen zu einer Musik voller leichter Schwere komponiert sind. „Musik wie Zuckerwatte“, so beschrieben die vier Musikstudenten Inez Schaefer, Christoph Hutter, Katharina Lattke und Marius Moritz ihren Stil aus weiblicher Stimme und klangvollen Jazzexperimenten einmal in einem Interview.

Und wer sie bereits bei einem ihrer Konzerte erleben durfte, der weiß auch, was damit gemeint ist. Auf „Puzzle“ haben die vier nun insgesamt zehn Songs aus den vergangenen eineinhalb Jahren zu einem Ganzen geformt. Die Scheibe ist ganz in Eigenregie entstanden, ohne eigenes Label und via Startnextaccount finanziert. Die träumerischen Songs stammen überwiegend aus der Feder von Schlagzeugerin Katharina Lattke und Sängerin Inez Schaefer. In den teils experimentellen Arrangements dient schon mal eine Wasserschale als Schlaginstrument, während Schaefers Stimme durch die verschiedensten Songlandschaften führt.

Kein Wunder, dass die vier ihr Publikum faszinieren. Derzeit spielen sie im Schnitt etwa drei Konzerte pro Monat. Darüber hinaus führten sie ihre Konzertreisen bereits bis nach Tschechien, Frankreich und Norwegen. Besonders stolz sind Pantoum auf die Auftritte beim Døla Jazzfestival in Lillehammer sowie beim Bohemia Jazz Fest in Prag im vergangenen Jahr. Das Record Release Konzert fürs erste eigene Album wird allerdings am 10. Oktober im Jazzclub Tonne, also in der Bandheimat, stattfinden.

Nicole Czerwinka

Linktipp: www.pantoum-music.com

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