Hoppes Hoftheater zeigt „Die Känguru-Chroniken“ als Kammerstück mit Puppe
Hüpfend und Schnapspralinen futternd hat ein Känguru in Dresden Einzug gehalten. Wo es genau herkommt, das weiß man nicht so recht. Doch frech und vorlaut ist das Tier, mag Eierkuchen, am liebsten mit Hackfleisch, und bezeichnet sich als Kommunist. Die „Känguru-Chroniken“ des Berliner Autors und Kleinkünstlers Marc-Uwe Kling sind längst Kult. Begonnen hat das alles mit einem Radio-Podcast und auf den Kleinkunstbühnen in Berlin. Inzwischen füllen die Texte um einen Künstler und seinen australischen Mitbewohner drei Bände und zählen Fans im ganzen Land. Längst haben die lustigen Episoden auch die Theaterbühnen erobert. Am Hoftheater Dresden, das seit 15 Spielzeiten vom Verein um „Prinzipal“ Rolf Hoppe ehrenamtlich und mit viel Herzblut am Leben gehalten wird, war es Theaterchef Dirk Neumann, der den Stoff entdeckte und als Kammerstück mit Puppe (Fotos: PR/Robert Jentzsch) auf die urige Bühne im alten Kuhstall holte.
Dem studierten „Dipl. Pupp.“ (Diplom Puppenspieler) hüpfte das Känguru gerade zum richtigen Zeitpunkt über den Weg. Denn ein Puppentheater in dieser Form ist ein absolutes Novum an der kleinen Bühne vor den Toren von Dresden. Als Regisseur fand sich Heiki Ikkola, die kesse Puppe mit dem durchdringenden Blick bauten Marita Bachmaier und Christian Werdin – und ganz offenkundig entwickelte der sprunghafte Kollege schon bald ein forsches Eigenleben. Dirk Neumann schlüpft hier in die Rolle des menschlichen Protagonisten aus den „Känguru-Chroniken“. Mit Ikkola verleiht er der Vorlage auch zartes sächsisches Lokalkolorit, nie zu viel, aber gerade genug, um dem Stück eine eigene Note zu geben. Ganz ohne Nebenfiguren fokussiert die Inszenierung die verrückte Begegnung des Dipl. Pupp. mit dem Känguru. Neumann stemmt den zweistündigen Abend allein im witzig-unterhaltsamen Zwiegespräch mit seinem vorlauten Gefährten.
In gestreiftem Hemd und Hut (Ausstattung: Sabine Köhler) erinnert er an die verschmitzte Unbeholfenheit eines Bill Murray – reicht dem Känguru zunächst noch freigiebig Eier, Mehl, Salz und Milch, damit es Eierkuchen backen kann. Schließlich braucht es dazu jedoch einen Ofen und flugs hat es sich auch schon beim Dipl. Pupp. breit gemacht. Was mit dieser belanglos witzigen Küchenszene beginnt, steigert sich bald zu einem hintersinnigen, episodischen Spiel, bei dem Diskussionen über die Inhaltsstoffe von Lidl-Waren in Konflikte mit den Sozialen Netzwerken und eine anarchische Auseinandersetzung über Sinn und Unsinn allzu banaler Infos aus dem Internet münden. Allmählich durchwandern die kuriosen Diskussionen des Puppenspielers mit seinem tierischen Alter Ego die Stationen vom Eierkuchen hin zur Weltrevolution. Wer nix tut, kann schließlich auch nix falsch machen. Oder vielleicht doch?
Dirk Neumann bringt die pfiffigen Wortspielerein vom „Tütensuppentotalitarismus“ bis hin zu Googles „Informationsmüllhalde“ mit lockerem Humor auf die Bühne, bewegt das Känguru oft pfeifend, lässt es locker in der Hängematte schaukeln oder aufgeregt vorm Robotron-Fernsehr auf- und niederspringen. Nicht zu vergessen, die roten Boxerhandschuhe, die das Känguru flugs aus dem Beutel zieht – und vor deren Gebrauch es nicht zurück schreckt, sofern es darum geht, seine Ziele zu erreichen. Wer am Ende siegt, das kann man sich schon denken. Ein Gewinn ist dieses Stück in jedem Fall aber auch für das Hoftheater: Schon zur Premiere waren alle Folgevorstellungen ausverkauft. Zwei zusätzliche am 16. März und 13. April 2017 sind bereits eingeplant. Dem kleinen, familiären Theater vor den Toren von Dresden könnte ein kleiner „Hype“ um den Kängurukult sicher guttun. Vielleicht springt das Känguru gar auf neue Publikumsschichten über – das Potenzial für eine Fortsetzung mit Dipl. Pupp., Eierkuchen und Schnapspralinen im Kuhstall ist definitiv gegeben.
„Die Känguru-Chroniken“, Hoftheater Dresden, wieder am 10.3., 16.3., 25.3. und 13.4., 28.4.