Gefangen zwischen Hoffnung und Angst

Grigori Frids Mono-Oper „Anne Frank“ aN den Landesbühnen Sachsen

Ein Koffer, ein Tisch, ein Stuhl. Viel ist Anne Frank nicht geblieben im Hinterhaus, in dem sie sich mit ihrer Familie von 1942 bis 1944 vor der Gestapo verstecken musste. Im Koffer befinden sich auch ein Stift und jenes berühmte Tagebuch, das nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit verlegt, verfilmt und auf Theaterbühnen aufgeführt wurde. An den Landesbühnen Sachsen lässt Sängerin Miriam Sabba (Foto: PR/Hagen König) die Zeilen in einer Momo-Oper des russischen Komponisten Grigori Samuilowitsch Frid (1915-2012) nun abermals lebendig werden.

Mit großen Kulleraugen blättert sie in den Seiten, rezitiert und besingt die Zeilen einer 13-Jährigen, die vom Alltag zwischen Judenstern, Verfolgung und den ganz normalen Sorgen eines jungen Mädchens erzählen.

Ausstattung ist auf das Nötigste beschränkt

Am Rand der engen Studiobühne steht ein Flügel. Der Tisch daneben wird zum wandelbaren Requisit, dient als Schulbank, Esstisch oder Schrankkäfig zugleich. Regisseur Klaus-Peter Fischer hat die Szene auf das absolut Nötigste beschränkt – und Miriam Sabba erinnert mit gescheiteltem, dunklem Haar und den brauen Augen tatsächlich an Anne Frank, wie man sie von alten schwarz-weiß Fotos kennt. Zusammen mit Thomas Gläser am Klavier lässt Sabba die Geschichte der jungen Frau eine Stunde lang Revue passieren, zeigt, wie Anne Frank mit unerschütterlichem Lebensmut gegen die Angst eines Lebens im Versteck anschreibt und dabei doch ganz Mädchen bleibt.

Konzipiert als Theaterstück für Schüler ab 14 Jahren

Die Oper, von den Landesbühnen als Schultheaterstück für Zuschauer ab 14 Jahren konzipiert, setzt das „Tagebuch der Anne Frank“ in ein neues Licht, sie selektiert und intensiviert einzelne Szenen, gießt die Gefühle zwischen den berühmten Tagebuchzeilen in Klang. Grigori Frid hat die Texte seines Librettos fast wortgetreu vom Original übernommen und verleiht ihnen mittels Musik noch eine zusätzliche Ebene, die Momente der Angst und der Hoffnung deutlich hör-, aber auch spürbar werden lässt. Das Piano poltert und tiriliert, lange, jammervolle Töne zeigen die Ausweglosigkeit der Lage, spitze Schreie verdeutlichen die Unmittelbarkeit der Bedrohung. Die Musik untermalt das Geschriebene auch lyrisch, wenn Gestapo-Soldaten donnernd die Treppe herauf marschieren. Nur wenig später schwelgt sie dann schon wieder verträumt im Walzertakt der ersten Liebe.

Verträumte Sehnsucht trifft auf bittere Realität

Die Sehsüchte des jungen Mädchens kollidieren allzu schroff mit den Realitäten aus den Frontnachrichten – Anne sucht sich Ablenkung, indem sie etwa das Gespräch der Eheleute van Daan karikiert. Miriam Sabba bringt die Facetten dieses Mädchens, das in seinem Tagebuch tiefgründig, aber stets in leichtem Tonfall von sich erzählt, packend auf die Bühne. Zwischen Hoffnung und Angst schwankend, erklimmt sie auch die stimmlichen Extremlagen der Partie und findet stets den richtigen Ausdruck zwischen der tiefen Nachdenklichkeit und der unbeschwerten Jugendlichkeit, die bis heute aus den Zeilen Anne Franks zu uns sprechen.

Thomas Gläser schafft Atmosphäre am Flügel

Mit Thomas Gläser am Klavier hat Miriam Sabba zudem einen starken Partner an ihrer Seite. Expressiv bringt er den Flügel bedrohlich zum Donnern und Schreien, um dann wieder ganz zurückgenommen bloße Worte zu untermalen. Die beißende Musik wird stellenweise unerträglich in ihrer Unerbittlichkeit, was der Textverständlichkeit ein wenig Abbruch tut. Doch dann gibt es wieder die stillen Momente, in denen nur Worte wirken: Nackt und unmittelbar plauzen die Fragen 13-Jährigen nach der Verantwortung ganzer Völker für den Krieg in den Raum – und während sie zum Schluss wieder den Koffer packt, sieht man unwillkürlich Parallelen zu den Flüchtenden in der heutigen Zeit. Ein Grund mehr, warum dieses Tagebuch niemals in Vergessenheit geraten sollte.

„Anne Frank“ als Mono-Oper an den Landesbühnen Sachsen, wieder am 24.2., 19.30 Uhr, Studiobühne

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