Herbstauslese: „Leichentuch“
Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ gibt es auf elbmargarita.de eine Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Andreas M. Sturm: „Leichentuch“.
Weihnachten in Dresden: Der Schnee bedeckt die Stadt wie ein Tuch. Doch als Tauwetter einsetzt, offenbart sich Schreckliches: In seinem Wagen wurde ein Familienvater grausam ermordet. Das Kommissaren-Team um Karin Wolf und Sandra König verfolgt den Fall in ein düsteres Milieu um Erpressung und Kinderpornografie.
Aber plötzlich taucht auch ein alter Feind wieder auf: Der Killer Witkowski ist entflohen und versucht nun, Karin seine Vergehen anzuhängen und seine ganz persönliche Rache an ihr zu nehmen. Bis in ihre Wohnung folgt er ihr unbemerkt, und Karin entdeckt, dass jemand aus ihrem nächsten Umfeld gemeinsame Sache mit dem Verbrecher macht. Ungewollt wird sie schließlich von ihrem Fall abgezogen und ist mit ihren Ängsten allein. Ihr scheint nichts anderes übrig zu bleiben, als die direkte Konfrontation zu suchen …
Andreas M. Sturm schafft eine hohe Spannungsdichte, indem er immer wieder neue Fragen aufwirft und dabei private und berufliche Probleme der Figuren im Wechsel thematisiert. Seine Ermittlungen wirken authentisch und gut recherchiert, dabei schreibt er pragmatisch und ohne überflüssige lyrische Kapriolen. Die Charaktere sind einfühlsam gezeichnet und zeigen sich aus verschiedenen Blickwinkeln. Sturms Polizisten sind in erster Linie Menschen, und die heimliche Liebe der beiden Kommissarinnen bringt den Leser noch dichter an ihre Emotionen.
„Menschen wählen Verstecke aus, die ihren Interessengebieten entsprechen. Sie wusste aus Erfahrung, dass es kein Allgemeinplatz war, dass Hausfrauen ihre Heimlichkeiten sehr gern in Wäschestapeln verbargen. Vor Jahren war sie bei einer Durchsuchung im Haus eines Tischlers dabei gewesen. Die Beamten hatten in den selbst gebauten Möbeln des Handwerkers Bündel von veruntreutem Geld gefunden. Conrad war Techniker. Karin würde diesem Sachverhalt ihr besonderes Augenmerk widmen.“
Andreas M. Sturm ist inzwischen Herausgeber mehrerer Anthologien im Leipziger fhl Verlag zu den Schwerpunkten „Giftmorde“ und „Schauplatz Sachsen“. In seinem dritten Dresden-Krimi nennt er zahllose Orte in der Stadt, für die er aber nicht immer detaillierte Beschreibungen liefert, sodass Leser von außerhalb nicht unbedingt einen Eindruck der Atmosphäre erhalten. Lokalpolitische Probleme verbaut er geschickt mit einigen Hintergründen und lässt seine Figuren dazu Stellung beziehen. Der gebürtige Dresdner fotografiert die Cover seiner Bücher gern selbst und läuft die Routen seiner Protagonisten persönlich ab, um sich alle Details einzuprägen. Dresdner Tankstellen, Kirchen und Brücken halten in seinen Romanen als Mordschauplätze her, die bei Einheimischen ein gemischtes Gefühl von Erkennen und Schaudern erzeugen.
„Leichentuch“ ist ein spannender Lokalkrimi, bei dem höchstens ein einziger Konflikt etwas zu schnell gelöst wird. Doch die liebevollen, realitätsnahen Figuren und die Hintergründe der Fahndung machen den Roman zu einem besonderen Leseerlebnis in der Weihnachtszeit.
Linktipp: www.krimisturm.de