„Die lustigen Weiber von Windsor“ an der Staatsoperette
Turbulent geht`s zu im rosaroten Kosmetiksalon. Ein und derselbe Liebesbrief an zwei benachbarte Empfängerinnen. Schon nehmen die Verwicklungen um „Die lustigen Weiber von Windsor“ an der Staatsoperette Dresden (Fotos: Pawel Sosnowski) ihren Lauf. Regisseurin Noa Naamat bringt die Oper von Otto Nicolai nach dem Libretto von Salomon Hermann Ritter von Mosenthal (nach William Shakespeare) mit Ironie und viel Sinn fürs Komische auf die Bühne. Im Zentrum stehen zwei selbstbewusste Frauen, die nicht nur ihren Verehrer, den Briefadressaten Falstaff, sondern auch ihre Ehemänner bald dumm aus der Wäsche gucken lassen.
Frau Fluth und Frau Reich schmieden zwischen Nagellack und Trockenhaube ein Komplott, das es in sich hat. Statt nach Windsor folgen wir beiden an der Staatsoperette in eine Wellnessoase irgendwo in Kalifornien. Die Bühne (Takis) dreht sich auf mehreren Ebenen zwischen Strandidyll, Beautysalon und Tennisclub, die Kostüme verströmen die Eleganz der 1960er Jahre. Naamat packt die Oper, die unter anderem von Mozart, Shakespeare und Weber inspiriert ist, in ein optisch schrilles Gewand und macht die knapp drei Stunden Aufführungszeit zum kurzweiligen Vergnügen.
Steffi Lehmann gibt die alternde Diva Fluth stimmlich stark und mit darstellerischer Hingabe, sie ist zunächst der Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Brilliant lässt sie die verschiedenen Facetten ihres kräftigen Soprans schimmern und verlieht der Figur Dominanz. An ihrer Seite ist Silke Richter in der Rolle der Frau Reich eine verlässliche Komplizin, sie ist die Bodenständige von beiden, wenn auch zunächst etwas zurückhaltender, ist sie stimmlich wie dramaturgisch ein starker Anker. Unter dem Vorwand des heimlichen Stelldicheins laden die Damen Falstaff in den Salon, wo den armen Tropf statt heißer Liebe jedoch nur heißes Wachs erwartet. Und das ist nur der erste Streich!
Andreas Mattersberger gibt den Falstaff als naiven Kerl, statt raffinierten Verführer. Stimmlich durchdringend und übermäßig behaart auf der Brust stolpert er auf der Suche nach dem Glück beharrlich von einem Fettnapf in den nächsten – zunächst wird er von den Damen im Wäschekorb entsorgt, auf dass Herrn Fluths polternde Eifersucht als grundlos bloßgestellt werde. Beim zweiten Anlauf muss er in Damenkleidung vor dem tobenden Gatten fliehen – schließlich gibt er sich gehörnt im Sadomaso-Dress am Waldesrand sprichwörtlich geschlagen.
Überhaupt, diese Männer! Zwischen Tennisplatz und Sauna wird ihnen im Stück ihr Platz zugewiesen, während die Damen im Salon die Strippen ziehen. Im Reigen der Herren sticht neben Falstaff vor allem Chao Deng als rasend eifersüchtiger Herr Fluth heraus. Sein Hahnenkampf mit Falstaff in der Sauna gerät so amüsant wie bierselig. Am Ende jedoch kämpfen beide in der bloßen Einbildung, dass das holde Weib Zuneigung zum Nebenbuhler hegt, ein wahrlich sinnloses Match. Die Männer werden in der Oper ausgetrickst und vorgeführt, der Triumph jedoch gehört den Frauen.
Das gilt auch für Herrn Reich, den Gerd Wiemer als strengen Vater und Ehemann ohne Autorität mimt. Flugs entpuppt sich hier der zweite Handlungsstrang: Denn Tochter Anna liebt und begehrt weder den vom Vater favorisierten treudoofen Herrn Spärlich (Andreas Sauerzapf) noch den französelnden Cajus (Markus Liske), der Wunschschwiegersohn ihrer Mutter. Nein, Anna hat ihr Herz an den feschen Fenton verschenkt. Christina Maria Fercher und Timo Schabel sind das einzig ernstzunehmende Liebespaar des Stückes. Sie entzücken vom ersten Kuss bis zum finalen Jawort im Mondschein, das ohne Annas trickreiches Agieren wiederum nicht möglich würde.
Die Szene wechselt hier schlussendlich ins romantisch Märchenhafte. Wie schon in der Ouvertüre angedeutet, ist die Musik nun wieder ganz der Tradition Carl Maria von Webers verhaftet. Johannes Pell spornt das Orchester der Staatsoperette Dresden zu Höchstleistungen an. Die Leichtigkeit der eingängigen Melodien trifft bei Nicolai auf ernsthaft romantische Tiefe. Aus diesem Kontrast schöpft das Orchester die buntesten Klangfarben und koloriert die Handlung beinahe wie im Kino. Der Chor (Thomas Runge) singt „Oh süßer Mond“, schon tanzen statt der Elfen wie verzaubert die Tennisdamen übern Platz, um zum endgültig letzten Match anzuheben. Falstaff bekommt auf derbe Art sein Fett weg. Reich muss sich in sein Schicksal fügen und Fluth erkennen, dass Eifersucht allein kein Garant fürs Glück sein kann.
Zwischen Mozart`scher Ironie und der Zauberwelt der Romantik endet der Spuk genretypisch in Versöhnung. Das Publikum jubiliert mit den pfiffigen Weibern. Spiel, Satz und Sieg.
Info: „Die lustigen Weiber von Windsor“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 25., 29. und 30. Oktober sowie am 23., 24. November, 22., 23. Dezember, 21., 22. Januar und 23., 24. Februar