„Wie gern unterhielte ich mich mal wieder mit Ihnen!“

SLUB erwirbt umfangreiche Clara-Schumann-Korrespondenz

„Sehr verehrte Frau Schumann! Wie leid es mir that, Sie in Berlin nicht mehr zu sehen, kann ich Ihnen nicht sagen; ich hätte Ihnen so gern Alles, was mich damals in musikalischer Beziehung erregte, ausgekramt, und mir von Ihnen Rath, Urtheil, Ermahnung – auch ein bisschen Beruhigung vielleicht – geholt …“, schrieb der Pianist, Komponist und Dirigent Ernst Rudorff (1840–1916) am 16. Juni 1861 an Clara Schumann. Es sind Zeilen, die so vieles über die Freundschaft Rudorffs zu seiner ehemaligen Klavierlehrerein erzählen, davon, wie er sie schätzte, zu ihr aufsah, auch wie vertraut er ihr war.

Ernst Rudorff 1861 an Clara Schumann

Bis Anfang des Jahres befand sich die fast vier Jahrzehnte umfassende Korrespondenz zwischen Clara Schumann und Ernst Rudorff – ebenso wie dessen Briefwechsel mit Johannes Brahms – noch im privaten Besitz von Rudorffs Nachfahren. Diese letzte große, bisher unzugängliche Korrespondenz Clara Schumanns (Foto: Ramona Ahlers-Bergner) konnte nun zusammen mit Rudorffs Briefwechsel mit Brahms von der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) erworben und für Öffentlichkeit und Wissenschaft zugänglich gemacht werden. Unterstützt wurde das Vorhaben durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Kulturstiftung der Länder und die Mariann Steegmann Foundation.

Der Blick in die Briefe ist dank Digitalisierung nun weltweit möglich – und dürfte nicht nur die Herzen von Wissenschaftlern höherschlagen lassen. In 400 Schriftstücken tauschten Clara Schumann und Ernst Rudorff auf rund 2000 Seiten musikalische Ratschläge, private Erlebnisse und Erfahrungen aus. Die Korrespondenz begann 1858, kurz nachdem Rudorff seinen Unterricht bei Clara Schumann beendet hatte. Robert Schumann war da schon nicht mehr am Leben. Mit ihrem ehemaligen Schüler verband die Pianistin jedoch eine zunehmend vertraute Freundschaft – und ein Briefwechsel, der bis zu ihrem Tod 1896 anhielt. In Briefen, Postkarten, Telegrammen und Notizen spiegeln sich nicht nur beider Lebenswege, sondern auch musikalische Ansichten und gesellschaftliche Einflüsse wider.

Clara meldete sich von verschiedenen Wohn- und Aufenthaltsorten wie Düsseldorf, Dresden, Leipzig, Luzern, Paris, Moskau, Petersburg, London, Brüssel und Wien bei ihrem Freund Rudorff. Sie gewährt ihm Einblick in die alltäglichen Herausforderungen, die ihre Aufgaben als Mutter und Künstlerin mit sich brachten. Für Rudorff hingegen war die Pianistin stets bewundertes Vorbild und geschätzte Ratgeberin zugleich. Immer wieder bedauern die beiden verpasste Gelegenheiten für persönliche Begegnungen, doch zeigt sich auch ihre große Übereinstimmung in musikalischen Dingen:

„Mit Freude las ich aber, dass Sie so viel Genuss an den Brahm’schen Clavierstücken finden. Mir sind sie eine Quelle reinsten Genusses! Wie gern spielte ich Ihnen mal einige vor! – Ueberhaupt, wie gern unterhielte ich mich mal wieder mit Ihnen! Wie wir so ganz übereinstimmen in unseren Anschauungen in der Kunst, das ist mir zu empfinden immer eine Herzensfreude gewesen“, schreibt Clara Schumann am 15. Oktober 1895 von Frankfurt am Main aus – und ergänzt in ihren ausladend geschwungenen Buchstaben: „… lieber sage ich Ihnen, was Sie aber ja wissen, dass ich von Liebe getragen bin, und stündlich das Glück des Besitzes meiner Marie empfinde, die mir Tochter und Freundin ist, wie man es selten finden wird.“

Clara Schumann 1895 an Ernst Rudorff

Ihre Briefe zeichnen dabei ein lebendiges Bild des damaligen Konzertbetriebs und weisen sie einmal mehr als Botschafterin der Werke ihres Ehemanns Robert aus. Ernst Rudorff antwortet in kleiner, engmaschiger Handschrift und vertraut herzlichem Tonfall. In seinen Zeilen erscheint er als gut vernetzte Person und aufmerksam kritischer Beobachter im deutschen Musikleben des 19. Jahrhunderts.

Rudorffs Korrespondenz mit Johannes Brahms ist mit 16 Briefen von Brahms und 12 Gegenbriefen deutlich geringer im Umfang als die mit Clara Schumann. Von besonderem Interesse ist hier unter anderem ein Notenblatt, auf dem sich die Musiker über Aspekte von Wolfang Amadeus Mozarts Konzert für Flöte, KV 314, austauschen. Auch sonst stehen für die beiden Männer kompositorische oder editorische Fragen im Vordergrund ihrer Korresponenz.

Beginnt man erst darin zu stöbern, so offenbaren sich zwischen den Zeilen gewiss noch einige persönliche Anekdoten und spannende Begegnungen, die das Musikleben des 19. Jahrhunderts vor unserem Auge aufschimmern lassen. Ein Glück, dass diese musikalischen Freundschaften nun ausgiebig von der Nachwelt erforscht werden können.

Die Briefe sind über die digitalen Sammlungen der SLUB zugänglich: Briefe Clara SchumannBriefe Ernst RudorffBriefe von Johannes BrahmsBriefe von Ernst Rudorff an Brahms

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