Ein (persönlicher) Rundgang durch die neue Gemäldegalerie
Was gibt es Schöneres, als an einem kühlen Herbstnachmittag durch die Dresdner Gemäldegalerie zu wandeln? Im Februar 2020 nach siebenjähriger Teilschließung festlich wiedereröffnet, mussten die Gemälde und Skulpturen dank Corona lange auf unseren Besuch warten. Umso inspirierender wirkt nun der Rundgang durch die wohl bekannten Säle, der Blick auf Lieblingswerke und das Entdecken neuer Details.
Die Neuausrichtung der Galerie ist zweifellos geglückt. Erstmals in der Geschichte der Sammlung stehen die Gemälde mit den Werken der Skulpturensammlung in direktem Dialog, werden gegenseitige Einflüsse und Vorbilder der Künstler so in der Ausstellung sichtbar. Die farbige Wandbespannung verstärkt nicht nur – ganz im Sinne Gottfried Sempers – die sinnliche Wirkung der Bilder, sie macht auch deren jeweilige Herkunft sofort ersichtlich: rot für die Italiener, grün für alle Werke, die nördlich der Alpen entstanden und blau für die Maler aus Spanien und Frankreich.
So lässt sich beim Besuch bequem durch die europäische Kunstgeschichte bis 1800 wandeln oder einfach in Eindrücken und Erinnerungen schwelgen. Dresdnern dürfte vor Raffaels „Sixtinischer Madonna“ das Herz aufgehen, dem wohl berühmtesten Gemälde der Sammlung. König August III. von Sachsen kaufte die Madonna 1754 aus der der Klosterkirche San Sisto in Piacenza an, nachdem er sich vergeblich um ein anderes Bildnis Raffaels bemüht hatte. Von dem Verkaufserlös wurde die Renovierung des Klosters finanziert, wo fortan eine Kopie der Madonna zu sehen war. Dresden aber kann sich glücklich schätzen, das Original seither in seiner Sammlung zu wissen.
Bis heute bildet die Sixtina den Mittelpunkt der Galerie, umringt von vielen anderen berühmten Werken der Italienischen Renaissance, wie etwa Giorgiones „Schlummernde Venus“. Doch das ist längst nicht alles, was das Museum an kunsthistorischen Schätzen zu bieten hat. Die Staatlichen Kunstsammlungen verfügen etwa über die größte Anzahl an Werken aus der Cranach-Werkstatt. Der Cranach-Saal im zweiten Stock der Gemäldegalerie vereint insgesamt 40 Gemälde von Vater und Sohn, darunter die beiden lebensgroßen Akte von „Adam“ und „Eva“, die einst direkt aus dem Nachlass Cranachs in die Dresdner Kunstkammer gelangt sein sollen.
Nur wenige Schritte weiter beginnt das Dresdner Herz im Pastellkabinett beim Anblick des „Schokoladenmädchens“ erneut zu hüpfen. Vor zwei Jahren stand das Gemälde des Genfer Künstlers Jean-Étienne Liotard (1702–1789) im Fokus einer Sonderausstellung. Die Besonderheit des Werkes liegt nicht nur in der Pastelltechnik, sondern vor allem in der Darstellung eines einfachen, unbekannten Stubenmädchens –, einem bis dahin äußerst seltenen Motiv, das tausendfach reproduziert bis heute in zahlreichen Dresdner Wohnzimmern zu Hause ist.
Und dann sind da natürlich noch Bernardo Bellottos, besser bekannt als Canaletto, Stadtveduten von Dresden und Pirna. Es ist nicht der berühmte Blick auf die Altstadtsilhouette, die hier im Belotto-Saal gezeigt wird, sondern insgesamt 17 Veduten, die ein anschauliches Bild von Pirna und Dresden im 18. Jahrhundert zeichnen. Faszinierende Zeitdokumente in Öl, etwa vom Bau der Katholischen Hofkirche am noch wild verlaufenden Elbufer oder von Festen im Zwinger in ehemals prachtvoller Ausdehnung. Auch hier korrespondieren Skulpturen und Malerei, scheint es beinahe, als wöllten zwei Büsten dem Besucher wissend zunicken.
Ein Exponat mit besonders interessantem Werdegang befindet sich in der Skulpturenhalle im ersten Stock: Glänzend reckt sich Giambolognas Bronzefigur „Mars“ in seiner Vitrine. Scheinbar unscheinbar steht er zwischen all den anderen Skulpturen. Doch aufmerksame Besucher wissen: „Mars“ ist noch nicht lange wieder in Dresden. Als die Skulptur 2018 in einem Londoner-Auktionshaus versteigert werden sollte, kaufte der Freistaat Sachsen die Skulptur schnell zurück. Der „Mars“ nämlich gehört zu einem Ensemble aus insgesamt vier Figuren von Giambologna, die 1587 als persönliches Geschenk des Künstlers an Sachsens Kurfürst Christian I. in die Sammlung kamen. Mit der „Fürstenabfindung“ ging das Kunstwerk 1924 an die einstigen Herrscher, die ihn an einen privaten Sammler veräußerten. Seine Geschwister jedoch sind längst nicht so gut erhalten und liegen derzeit in der Restaurierungsabteilung der Kunstsammlungen.
Gespickt mit so vielen Geschichten und kunstvollen Details gehen zweieinhalb Stunden in der Galerie wie im Fluge vorbei. Wir haben längst noch nicht alle Säle und Exponate erkundet, als wir uns müde von den vielen Eindrücken verabschieden, um alsbald zurückzukehren.