Operette im Zeichen der Powerfrauen

Die Staatsoperette Dresden startet voller Optimismus in eine spannende Spielzeit

Fast scheint die Unbeschwertheit jener Tage, in denen sich an der Staatsoperette Dresden erstmals unter der Intendanz von Kathrin Kondaurow der Vorhang hob aus heutiger Sicht Lichtjahre entfernt. Es sei ein erfolgreicher Spielzeitauftakt mit 81 prozentiger Auslastung gewesen, sagt die Intendantin rückblickend. Ja, es hätte eine erfolgreiche erste Spielzeit für sie werden können, hätte nicht ein Virus die Welt im März jäh zum Stillstand gebracht.

Und dennoch zeigt sich Kathrin Kondaurow zufrieden: Der Anfang ist gemacht, eine Handschrift für das Haus gefunden, sagt sie. Nun geht es mit Hygienekonzepten vor, auf und hinter der Bühne mit Vollgas in eine neue Kulturzeit, wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bereits im Juni ankündigte. Mit 215 Besuchern darf der Saal der Staatsoperette Dresden nach derzeitigem Stand besetzt werden. Wird ein aktuelleres Hygienekonzept vom Gesundheitsamt genehmigt, könnten es immerhin 350 Personen sein, für die sich im Kraftwerk Mitte bald Abend für Abend der Vorhang hebt.

Dass die danach bezaubert von der üppigen Welt der Operette nach Hause gehen, daran arbeiten Kathrin Kondaurow und ihr Team seit Monaten hart. „Wir haben vom ersten Tag an überlegt, wie geht es nun weiter“, sagt die Intendantin, fest entschlossen, weiterhin frischen Wind durch ihr Theater im Kraftwerk Mitte wehen zu lassen. Sie beweist dabei, dass vielleicht noch nicht alles, aber doch recht viel geht, wenn man nur will: Insgesamt vier Premieren sind bis Juni 2021 geplant, drei davon mit Entdeckerpotenzial. Die Spielzeit steht ganz im Zeichen von Frauenpower – und von Powerfrauen. Die Regisseurinnen Cornelia Poppe, Geertje Boeden, Noa Naamat und Esther Dandani werden Paul Abrahams „Märchen im Grand-Hotel“ (26.9.), das Broadway-Märchen „Cinderella“ (28.11.) von Rodgers und Hammerstein, Johannes Prells „Die lustigen Weiber von Windsor“ (6.2.) und schließlich Joseph Beers lang vergessene Operette „Polnische Hochzeit“ (24.4.) mit viel Bühnenzauber inszenieren.

„Wir werden kein abgespecktes Theater machen, keine Miniversion von großen Stücken“, verspricht Kondaurouw. Und es ist kein Zufall, dass in den vier Stücken, die das ganze Spektrum vom Musical bis zur Spieloper abdecken, überwiegend Frauenfiguren im Zentrum stehen, die sich auf die eine oder andere Art gegen die Konventionen ihrer Zeit zur Wehr setzen. Dramaturgin Dr. Judith Wiemers führt diese Verquickungen zur Spielzeitpressekonferenz engagiert aus – und weckt Neugier etwa auf die moderne „Cinderella“, die 1957 ursprünglich für eine Fernsehproduktion konzipiert war, bevor sie 2013 den Broadway eroberte.

Mit dem neuen Chefdirigenten Johannes Pell hat Kondaurow zudem einen Kenner seines Fachs nach Dresden geholt, für den die „Operette zum Lebensgefühl dazugehört“, wie er sagt und der auch das Orchester weiter fordern, den Musikern am Haus einen noch präsenteren Platz einräumen will. Dazu gehört eine neue Konzertreihe, die Prell am kommenden Wochenende mit seinem Antrittskonzert unter dem Titel „Was Pikantes und Spezielles, kurz: Was Sensationelles!“ startet. Er arbeitet gerade am Neujahrskonzert, das ganz aktuell unter dem Prinzip Hoffnung stehe. Spannend dürfte zudem die für Ende März geplante „Hommage à Piazzolla“ anlässlich des 100. Geburtstages des Komponisten werden, bei der mit der Dirigentin Alondra de la Parra denn auch im Orchester das Prinzip Powerfrau Einzug hält. De la Parra ist 1980 in New York geboren, sie stand unter anderem bereits am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden, des Orchestre de Paris und des WDR Rundfunkorchesters. Das letzte Konzertprogramm der Spielzeit wird unter dem Titel „Come fly with me“ unter der Leitung Johannes Pell im Juni eine musikalische Hommage an Frank Sinatra sein.

Darüber hinaus sind neun Wiederaufnahmen und zwei Gastspiele an der Staatsoperette vorgesehen, auch die noch jungen Formate „Late Night Mitte“ und die digitale Operetten Sitcom werden eine Fortsetzung finden. Klingt fast, als sei schon wieder alles beim Alten. Die eigentliche Herausforderung jedoch wird den Bühnen in diesem Herbst noch bevorstehen. Auf die Frage, wie Mindereinnahmen durch die lückenhafte Platzbelegung und auch die geschätzten 950.000 Euro Minus im Budget aus der Spielzeit 19/20 bei gleichbleibenden Eintrittspreisen ausgeglichen werden, antwortet Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch nur ausweichend: „Uns geht es hier im Vergleich zu den Bühnen in anderen Ländern sehr, sehr gut. Der Spielbetrieb ist gesichert, aber dennoch werden wir an Sachkosten künftig sparen müssen“, sagt sie. Die Frage, ob das Publikum schon bereit wäre, in vollen Sälen Kunst zu genießen, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Dennoch: The show must go on – und das wird sie an der Staatsoperette trotz allem auf vielversprechende Weise.

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