Das 28. Moritzburg Festival startet furios unter freiem Himmel
Wer seine Sache mit Leidenschaft tut, wird sich auch von kleinen und großen Hindernissen nicht in die Flucht schlagen lassen. Sprichwörtlich dafür steht das diesjährige Moritzburg Festival, das aufgrund der aktuellen Hygieneauflagen erstmals komplett unter freiem Himmel, auf der Nordterrasse von Augusts Jagdschloss spielt. Dass hier nach gut zwei Wochen Sonnenschein just zur Eröffnung ein dickes Regengebiet regierte, hielt weder Musiker noch Publikum am Sonntag (2.8.) davon ab, sich ganz der Faszination der Kammermusik hinzugeben. Im Gegenteil!
„Wir spielen auf alle Fälle“, begrüßte Festivalchef Jan Vogler seine Gäste euphorisch am Eingang – und diese Euphorie schien auch die Künstler zu beflügeln. Das Publikum in schützende Ponchos gepackt, die Musiker in Höchstform wurde dieser Abend zu einem der schönsten in Moritzburg überhaupt, wobei der Regen die Besonderheit des Ereignisses nurmehr hervorzuheben schien. Für Wärme in Herzen und Seelen sorgte schließlich ganz allein die Musik, die zunächst mit zwei selten gehörten Gitarrenquintetten aus Italien schnell feurige Atmosphäre zauberte, indes die Regentropfen beinahe romantisch auf Bühnendach und Ponchos knisterten, als müsse es so sein.
Mit Mario Castelnuovo-Tedescos Gitarrenquintett op. 143 stand nun ein helles Sommerstück am Anfang des Programms, gut geeignet für heiße Sommernächte, das auch an diesem Regenabend seine Wirkung nicht verfehlte. Der finnische Gitarrist Ismo Eskelinen und die Streicher Baiba Skride, Kevin Zhu (Violine), Sindy Mohamed (Viola) und Christian-Pierre La Marca (Violoncello) verliehen dem mit folkloristischen Farbtupfern gefärbten Stück beschwingte Lebensfreude. Ein schöner Auftakt, der mit Luigi Boccherinis Gitarrenquintett D-Dur G. 448 noch gesteigert wurde. Spätestens jetzt entflammte endgültig jenes Prickeln, das man von den Konzerten aus Moritzburg kennt und liebt. Das Stück beginnt leicht und unbeschwert wie ein Lärchenflug, aus dem sich bald ein packender Tanz der Leidenschaften entwickelt. Kevin Zhu, Baiba Skride, Ismo Eskelinen, Sindy Mohamed und Henri de Marquette (Violoncello), dazu der spanische Dirigent Josep Caballé Domenech an den Kastagnetten, ließen das südländische Feuer zwischen Flamenco und tiefer Sehnsucht lodern und entwickelten dabei einen Sog, der alles ringsum vergessen machte.
Dennoch ging es – wetterbedingt – ohne Pause direkt weiter in den zweiten Teil, der mit Antonín Dvořáks Klavierquintett Nr. 2 A-Dur ebenso sehnsuchtsvoll wie lebendig aufbrandete. Mit diesem wunderschönen Stück ließen Andrea Lucchesini am Flügel, Mira Wang, Nathan Meltzer (Violine), Ulrich Eichenauer (Viola) und Andrei Ionita (Violoncello) einen wahren Funkenregen auf der Terrasse herabgehen und bewiesen einmal mehr, dass Musik imstande ist, Wärme in die Welt zu bringen und uns durch stürmische Zeiten zu tragen. Apropos Regen: Der spielte in der intimen Atmosphäre, die die Musiker mit ihrem energievollen Spiel zauberten, allenfalls noch eine plätschernde Nebenrolle. Glücksgefühle können schließlich nicht nass werden. Umso heißer flackert nun die Vorfreude auf die kommenden Festivalabende bis zum 16. August. Die Feuertaufe unter freiem Himmel jedenfalls ist mit Bravour bestanden!