„Mio, mein Mio“ als Plädoyer für die Phantasie am Staatsschauspiel Dresden
Ach, wie gerne würden wir uns doch manchmal so eine geheime Flaschenpost wünschen. Einen Geist, der uns aus der grauen Realität hinaus in ein buntes Zauberreich der Phantasie trägt. So wie den Jungen Bosse in Astrid Lindgrens Märchen „Mio, mein Mio“ (1954). Dieser Bosse verschwindet einfach aus seinem Neubauviertel, und landet in den Armen seines Vaters, dem König eines Reiches, in dem es fliegende Pferde, glitzernde Seen und sprechende Brunnen gibt. Ein Reich also, in dem der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. In der Regie von Matthias Reichwald zieht diese Erzählung nun als bildstarkes Vorweihnachtstheater (Fotos: PR/David Baltzer) die großen und kleinen Zuschauer am Schauspielhaus in ihren Bann.
Traumwelt mit Sternenhimmel und Seidenstoffen
Opulent ausgestaltet mit Sternenhimmel, bunten Seidenstoffen und viel Liebe zum Detail bringt das Staatsschauspiel hier eine Traum- und Zauberwelt auf die Bühne (Bühne und Kostüm: TOTO), die es mit den Kulissen aus Fantasie-Kinofilmen locker aufnehmen kann. Die Hochhäuser des grauen Stadtviertels werden bald von einem sagenhaften Segelschiff abgelöst. Später taucht eine riesige Ritterburg aus dunklem Stein wie aus dem Nichts herauf. Zwei Einräder werden zu magischen Pferdefreunden umfunktioniert und immer wieder bevölkern sagenhafte Phantasiewesen die Bühne. Mittendrin ist nun immer dieser Bosse, im Zauberreich seines Vaters fortan „Mio, mein Mio“ gerufen.
Auch im Reich des Zauberkönigs ist nicht alles gut
Thomas Kitsche verleiht dem Jungen jugendlichen Schwung, gibt ihm das nötige Quäntchen Naivität hinzu und mischt dies mit Unbeschwertheit und kindlicher Angst. Denn schon bald muss Mio feststellen, dass auch im Reich der Phantasie nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist! Der böse Ritter Kato verwandelt Kinder in Vögel und versetzt das Land schon seit Jahren in Angst und Schrecken. Nun ist es dem Neuankömmling vorbestimmt, diesen zu besiegen. Also macht sich Mio zitternd mit seinem Freund Jum-Jum (Christian Clauss) auf, um den Ritter im Wald der Dunkelheit zu suchen.
Ensemble beweist magische Vielseitigkeit
Nun ist es natürlich kein Geheimnis, dass eine magische Kindergeschichte, erst recht so kurz vor Weihnachten, am Theater ein gutes Ende nimmt. Doch spannend bleibt es bis zum Schluss, auch für Erwachsene. Das Ensemble beweist im Reich des Bösen bald unheimliche Vielseitigkeit. Christian Mark verwandelt sich vom König unmerklich in den Schwertschmid, Angela Schlabinger wird von Jum-Jums Mutter zur weissagenden Weberin, die Mio noch einen magischen Tarnmantel mit auf den Weg gibt. Und Jasper Diedrichsen schwingt als einschüchternd donnernder Ritter Kato hoch oben auf der Burg sein Schwert. Richtig gut gelungen ist auch dessen käferhaft trippelnde Wachgarde, die lange braucht, um die zwei jungen Eindringlinge zu finden, dann aber alsbald sirrend Alarm schlägt.
Musik als Tor zu einer wunderbaren Welt
Und so beißen sich die beiden Jungen durch, zauberhaft unterstützt von allerlei magischen Wesen – und der Musik (Michael Kessler), der von Anfang an eine bedeutungsvolle Aufgabe im Stück zukommt. Ist der Jugendliche Rap noch Teil der realen Stadtwelt, so öffnet eine Folkband schließlich die Tür zum Zauberreich des Königs und zarte Flöten helfen den beiden Jungs im dunklen Verlies der Ritterburg schließlich, gutwillige Unterstützer vom Himmel her anzulocken. Das Böse hat da nun wirklich keine Chance mehr, denn wo Musik ist, ist Liebe – und mit Liebe und Phantasie lassen sich bekanntlich fast alle Probleme in Luft auflösen.
Info: Astrid Lindgren: „Mio, mein Mio“, am Staatsschauspiel Dresden, wieder am 4.12., 15 und 19 Uhr sowie am 5., 6., 7., 8., 9.12., 11.12. und 13.12. u.a.