Hörtipp des Monats: Capella de la Torre „Ciaconna“
Interpretationen alter Musik haftet oft das Vorurteil an, sie seien bloß museal, würden die Klänge aus vergangenen Zeiten konservieren, anstatt sie in die Gegenwart zu übersetzen. Wie jung und frisch die Lieder der Renaissance dagegen auch heute noch klingen können, beweist die Capella de la Torre mit ihrer jüngsten Einspielung. Das Spezialensemble für Musik der Renaissance gründete sich vor genau zehn Jahren mit dem Ziel, vergessene Werke für historische Holz- und Blechblasinstrumente wie Schalmei, Posaune und Dulzian wiederzubeleben.
Anlässlich ihres zehnjährigen Geburtstages vereint die Capella de la Torre unter dem schönen italienischen Namen „CIACONNA“ 19 Stücke plus einen Bonustrack in einer ungemein beschwingt klingenden Einspielung. Das Ensemble aus Spezialisten für historische Aufführungspraxis bestritt sein erstes Konzert 2005 in der Dresdner Dreikönigskirche – und spielte hier jüngst auch den Auftakt für die Meisterkonzerte auf Schloss Albrechtsberg. Die Gruppe hat sich ganz der authentischen Interpretation alter Musik verschrieben, interpretiert diese allerdings so lebendig und leicht, dass es sich für heutige Ohren keinen Moment lang befremdlich oder altmodisch anhört. Vielmehr entdecken die Musiker etwa in Kompositionen von Monteverdi, Falconieri oder Manelli aus dem 15. bis 17. Jahrhundert stilistische Parallelen zur modernen Jazzmusik – und entlocken den Werken auch zarte Improvisationen und experimentelle Momente.
Die „Ciaconna“ bezieht sich nicht nur auf ein Stück von Andrea Falconieri, sondern bezeichnet ein Satzmodell aus Tänzen und Liedern im 16. Jahrhundert. Dem Ostinato-Prinzip, das darin angewandt wird, widmet sich die Capella de la Torre in den hier wiederentdeckten Stücken auf besondere Weise. Über die stilistischen Grenzen verschiedener Epochen hinweg lassen die Musiker Kompositionen aus rund 500 Jahren Musikgeschichte neu erklingen. Sie holen die Werke, allen voran die italienischen Frottola (Volkslieder), mit unbeschwerter Lebendigkeit ins Heute, zeigen ihre tänzerische Leichtigkeit und verknüpfen den teils volkstümlich anmutenden Grundton scheinbar spielend leicht mit jazzigen Spielweisen auf historischem Instrumentarium.
Vergangene und gegenwärtige Interpretationsarten gehen hier erstaunlich leichtfüßig Hand in Hand. Manchmal schrammen die authentischen Interpretationen sogar schon ganz nah an der Populärmusik, doch hört man dabei stets den Klang vergangener Jahrhunderte in ihnen lebendig werden. Das Ensemble macht die Musik vergangener Zeiten damit auf einmalige Weise gegenwärtig. Es zeigt, wie man alte Noten nicht bloß klanglich präsentiert, sondern diese in der Verbindung aus historischem und gegenwärtigem zeitlichen Kontext zu wirklich neuem Leben erweckt, ohne dass es eintönig, alt oder gar museal anmutet.