Im Schatten des Rampenlichts

So unterhaltsam wie gesellschaftskritisch: „Show Boat“ an der Staatsoperette Dresden

Das Schaufelrad dreht sich immer im Kreis. Ähnlich wie die Company auf dem über den Mississippi gondelnden „Show Boat“ (Foto: Pawel Sosnowski) im gleichnamigen Musical von Jerome Kern und Oscar Hammerstein, das in der Regie von Pascale-Sabine Chevroton an der Dresdner Staatsoperette Premiere feierte.

Mit schmissigen Melodien und furiosen Balletten behandelt das Stück eine fragile Welt voller Brüche. Im Rampenlicht tanzt ausgelassen die Künstlertruppe um Kapitän Andy und seine Frau Pathy, während hinter dem Vorhang und in den Häfen entlang des Flusses Afroamerikaner die Drecksarbeit verrichten. In diesen Parallelwelten wird auf engem Raum geliebt, getanzt, gelitten. Und im selben Moment, in dem Andys Tochter Magnolia sich in den Spieler Gaylord Ravenal verliebt, wird Julie la Verne, der Star der Show, als versteckte Afroamerikanerin entlarvt und muss das Schiff mit ihrem Ehemann Steve verlassen. Im Rampenlicht ist kein Platz für Schwarze!

Nur wenige Tage vor der US-Wahl kommt hier also ein Stück auf die Bühne, das nichts Geringeres als den Rassenkonflikt in Amerika im 19./20. Jahrhundert behandelt. Eine scheinbar hoffnungslose Story, die in einer aufwendigen Inszenierung für Gänsehaut sorgt. Chevroton erzählt sie aus der Sicht der übernächsten Generation: Kim, die Tochter von Magnolia und Gaylord, erfährt die Geschichte ihrer Eltern von Köchin Queenie und ihrem Mann Joe nach 40 Jahren aus der Perspektive zweier Afroamerikaner.

Kim entdeckt die Geschichte ihrer Eltern in „Show Boat“ aus der Perspektive der nächsten Generation. (Foto: Pawel Sosnowski)

Im Gewand eines großen, bunten, aufwendig produzierten Revuetheaters werden die Konflikte am Rande nur umso augenfälliger. Die Musik treibt die Handlung voran. Kerns Melodien sind nie belanglos, aber immer stimmungsvoll. Ragtime, Blues, Charleston, schwelgende Liebesduette – die stilistische Palette ist vielfältig und greift alles auf, was an Einflüssen einst in die an Nationalitäten diverse amerikanische Gesellschaft überschwappte. Das Orchester der Staatsoperette Dresden lässt es unter der Leitung Michael Ellis Ingram zusammen mit dem Kinderchor und einem eigens gegründeten Bürgerchor (Leitung: Carola Rühle-Keil) gehörig brodeln, bringt das Publikum zum Schwelgen, zaubert betörende Momente. 

Verlässlich wie das Schaufelrad im Mississippi taucht der Song „Old Man River“ immer wieder im Stück auf, interpretiert von V. Savoy McIlwain, der Joe mit einer bitterschweren ernsthaften Nachdenklichkeit auf die Bühne bringt, der Sklave im Schatten des Rampenlichtes. Die Figuren sind facettenreich, wobei Klischees vermieden werden. Charlotte Watzlawik gibt eine verträumte Magnolia, die sich als junges Mädchen vom Glanz der Show und Ravenals Charme verführen lässt, jedoch in eine unglückliche Ehe schlittert. Gero Wendorff verleiht dem Ravenal überzeugende Tiefe. Er ist nicht einfach ein unsteter Lebemann, sondern scheitert auf der Suche nach der wahren Liebe vor allem an sich selbst.

Magnolia und Gaylord Ravenal in „Show Boat“ (Foto: Pawel Sosnowski)

Aswintha Vermeulen zeigt Julie als lebensfrohe Powerfrau und verlässliche Kameradin, deren Verbannung aus der Künstlergruppe umso tragischer wirkt. Dimitra Kalaitzi und Andreas Sauerzapf geben als Ellie und Frank ein herrlich zänkisch-lebensfrohes Künstlerpaar und Markus Liske hält als Kapitän Andy die Show am Laufen, ohne sich von den Missständen beeindrucken zu lassen. Ingeborg Schöpf brilliert an seiner Seite als Kapitänsfrau Pathy, ist als besorgte Mutter und strenge Ehefrau der Kopf der Truppe. Benjamin Pauquet gibt einen durch und durch sympathischen Steve, kann sich in der Partie allerdings nicht so richtig entfalten. Die Stars des Abends sind jedoch Chatherine Daniel und V. Savoy McIlwain, die das schwarze Dienerpaar Queenie und Joe mit unglaublich viel Herz und stimmlicher Größe verkörpern. Was wäre Kim ohne die beiden, die ihr die Vergangenheit erzählen und damit die Hoffnung auf ein Happy End nähren? 

Zusammen mit Kim, der Sybille Lambrich am Bühnenrand entzückend den Idealismus der nächsten Generation einhaucht, schaut das Publikum also gebannt und berührt zu, wie das „Show Boat“ über den Mississippi treibt, der die Menschen an seinen Ufern trennt, wo Flüsse doch eigentlich verbinden sollten. Als Schlusswort steht ein Zitat der amerikanischen Dichterin Amanda Gorman, die ungefähr im Alter von Kim sein müsste. Es handelt von neuen Zeiten, von Veränderung. Die Hoffnung auf Menschlichkeit, sie stirbt bekanntlich zuletzt.

Info: Musical „Show Boat“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 9., 10., 12. November

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