Diese Show ist wie ein gutes Buch

Album des Monats Oktober: Bill Murray, Jan Vogler & Friends „New Worlds“

Konzert oder Lesung? „New Worlds“ ist keines von beiden. Das Programm von Hollywoodstar Bill Murray und Cellist Jan Vogler trägt eher die Züge einer Show. Allerdings ist es keine der Shows, die auf äußerlichen Glamour aus sind. Sie wirkt eher wie ein tiefsinniges Bühnenstück, das mitreißt, zum Träumen und Nachdenken anregt. Zusammen mit der Violinistin Mira Wang und Pianistin Vanessa Perez paaren die beiden in „New Worlds“ Texte von Mark Twain, Arthur Miller und Ernest Hemingway mit Kompositionen von Bach, Schubert oder Piazzolla. Entstanden ist das Ganze für die Dresdner Musikfestspiele, wo im Juni die Weltpremiere stattfand.

Das außergewöhnliche Quartett hat mit diesem Programm längst auch das Publikum in Amerika bezaubert. Die jüngste Tour endete am 16. Oktober in der New Yorker Carnegie Hall. Die CD zum Projekt haben die vier Freunde schon im Frühjahr 2017 bei Universal aufgenommen – und stärker noch als im Konzert strahlt sie eine geradezu flirrende, intime Atmosphäre aus. Die Dramaturgie des Programms nimmt einen sofort gefangen.

Die Musik unterläuft die Textpassagen teils wie im Film. Zwischen den Zeilen schillert ein Stück Amerika, die neue Welt, belebt von vier Menschen, die spielend leicht und ebenso leidenschaftlich verschiedene Herkünfte auf der Bühne vereinen: der Cellist aus Ost-Berlin, die Geigerin aus China und die Pianistin aus Venezuela – allen voran natürlich Hollywoodstar Bill Murray.

Er überrascht, zeigt sich lesend von seiner tiefsinnigen Seite und interpretiert facettenreich die Texte großer Literaten, mal schelmisch und lustig, dann wieder ernsthaft, fast melancholisch. Wenn er zu Schuberts Piano Trio Nr. 1 zu rezitieren beginnt, bekommt man das so schnell nicht mehr aus dem Sinn. Natürlich singt er auch! Bei „When Will I Ever Learn To Live In God“ von Van Morrison wird es lauschig. Kaum stimmt er „There is a place for us“ aus Bernsteins „Westsidestory“ an, prickelt Gänsehaut, bevor er mit „I feel pretty“ wieder hemmungslos humorvolle Töne anschlägt.

Klassische Kompositionen wechseln wie selbstverständlich mit Stücken aus Musical und Popmusik. Das geht nicht nur ins Ohr, sondern zu Herzen. Die Melodien verleihen dem englischen Text zusätzlich Tiefe, der Klang trägt die Worte. Da ist kein Platz für Verklärung und säuselnde Romantik, Musik wie Rezitation wirken authentisch, lebendig und pulsieren im Strom dieser Zeit. Sensibel, wild, ungezwungen, dann wieder sinnend spannt sich der Bogen wie die Climax eines guten Buches: Kaum ausgelesen, möchte man am liebsten sofort wieder von vorn beginnen.

*Die Autorin dieses Beitrags ist Pressereferentin der Dresdner Musikfestspiele, der Artikel entstand dennoch (so wie alle auf dieser Seite) unentgeltlich und unabhängig von dieser Aufgabe.

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