Wie ein Schülertheater das Dresdner Kulturleben aufpeppt
Das Vorspiel auf dem Theater findet auf dem Schulhof des Berufsschulzentrums für Agrarwirtschaft und Ernährung in Dresden (BSZ) statt. Hier kontrolliert die strenge Theaterdirektorin die Karten am Einlass, wenige Schritte weiter beschwafelt ein Dichter das gespannte Publikum aus seiner Sicht der Dinge – und auf der Bühne im Schlosspark Altroßthal versucht Charlie Chaplin verzweifelt seinen Hut aufzuheben. Pünktlich zu Ferienbeginn ist wieder Theaterzeit im BSZ. Gespielt wird Goethes „Faust“. Und während die ersten Besucher schon auf den Stühlen vor der Parkbühne Platz nehmen, schleppen einige Schüler noch Bänke und Sofas für die unermüdlich Hereinströmenden herbei.
Das Schlossparktheater des BSZ ist in den vergangenen sechs Jahren nicht nur bei Eltern und Lehrern, sondern auch bei Anliegern aus der Umgebung zu einem kulturellen Geheimtipp geworden. Zu den Vorstellungen kommen inzwischen rund 200 Zuschauer, davon können selbst gestandene Sommertheater in der Stadt an manchem Abend nur träumen. Im versteckt gelegenen Schlosspark in Altroßthal geben die Schüler nun also den „Faust“. Dazu haben sie Zelte mit Snack- und Getränkebars unter schattigen Bäumen aufgebaut und ein hochglänzendes Programmheft mit klugen Texten und faszinierenden Zeichnungen von Erik Hamann drucken lassen.
Regie führt – wie jedes Jahr – Toni Burghard Friedrich, einst selbst Schüler am BSZ in Altroßthal, der erst im Mai dieses Jahres sein Studium der Musiktheaterregie in Wien abgeschlossen hat. Für den „Faust“ hat er eine verblüffend leichte, zur lockeren Parkatmosphäre passende, Lesart gefunden. Die ersten beiden Akte inszeniert er eher als Komödie, denn als Tragödie. Mit Freyja Herold als weiblicher Mephistopheles, aber auch mit Eduard Zhukov als Faust und Wiebke Weiland (Foto: ) als zaghaftes Gretchen kann er in den Hauptrollen auf ein darstellerisch starkes Dreiergespann zählen.
Was das Ganze trägt, ist aber vor allem der Spaß am Theater, der aus dieser Aufführung sprudelt wie Sekt aus einer Schüttelflasche. Da werden drei Engel zu schwulen Wolkenreitern, Mephisto zu Hund, Zauberer, Tunte, Greis und Verführerin. Nicht in der Hexenküche, sondern in einer megahippen Modelounge wird Faust zum Jungspund umgestylt und in Auerbachs Keller treffen die gerade aus Brasilien wieder eingetroffenen Schlaaaand-Fans beim Bierchen zusammen. Schwer verständliche Textstellen wie die Walpurgisnacht und der Walpurgisnachttraum bleiben bloß Andeutung. Dafür haben die Schüler (Fabian Kulitza, Erik Hamann, Charlotte Jäger) passend zum Stück kleine Musikstücke komponiert, die das Geschehen wie gute Filmmusik sehr dezent untermalen.
Mit zwei Pausen ist dieser junge „Faust“ in drei mundgerechte Sommertheaterakte unterteilt, bei denen allein der letzte, dann doch tragische, einen klaren Bruch zur Ungezwungenheit der ersten beiden markiert. Als Gretchen mit der Verdammnis im Kerker kämpft, herrscht längst nächtliche Dunkelheit über dem Park in Altroßthal. Die Bühne steht im Kerzenflimmerlicht und die jungen Darsteller haben sich bis dahin so warm gespielt, dass man fast vergessen könnte, dass es sich hier um eine Schultheateraufführung handelt. Bis Gretchen still erlöst und Faust mit Mephisto auf dem Weg zu neuen Ufern ist, sind drei kurzweilig bunte Stunden wie im Fluge vergangen – eine Leistung, auf die die Gymnasiasten zu recht stolz sein können.
Goethes Faust, Parktheater Altroßthal, Altroßthal 1, am 19. und 20.7., je 20.30, Eintritt: 7 Euro