Wenn Mauern musikalisch stürzen

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KlangNetz startet Konzertreihe zum Wendejubiläum

Ein Vierteljahrhundert ist es her, dass die Mauer in Berlin stürzte und für Deutschland eine neue Zeitrechnung anbrach. Viel ist über die Ursachen und Wirkungen jenes gewichtigen Ereignisses schon geschrieben und gesagt, diskutiert und erzählt worden. Das KlangNetz Dresden wird diesen deutsch-deutschen Wendepunkt nun anlässlich 25 Jahre Mauerfall wohl erstmals umfassend musikalisch reflektieren. Sieben Konzerte der verschiedensten Orchester und Ensembles vereinen sich dabei in diesem Jahr unter dem Reihentitel „Einstürzende Mauern“ und machen die facettenreichen Entwicklungen Neuer Musik auf beiden Seiten der Mauer erstmals in gebündelter Form in Dresden hörbar.

Als Kooperationspartner für die Reihe gewann KlangNetz das Deutsche Hygiene-Museum Dresden, wo das Ensemble AuditivVokal am 27. Februar (19.30 Uhr) auch das Auftaktkonzert gestalten wird. Anschließend werden bis zum November auch Chor und Orchester der Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von Weber (6.4., 11 Uhr), das elole Klaviertrio (3.7., 19.30 Uhr), das Ensemble El Perro Andaluz (11.9., 19.30 Uhr), Sinfonietta Dresden (2.10., 19.30 Uhr), die Dresdner Philharmonie (22.10., 20 Uhr) und das Ensemble Courage (6.11., 19.30 Uhr) die weiteren Konzerte gestalten. „Jedes Ensemble arbeitet das übergeordnete Leitthema selbstständig für sich ab, dabei kommen ganz unterschiedliche Konzertprogramme zustande“, sagt Georg Preißler von KlangNetz Dresden.

Einer zeitgeschichtlichen Chronologie folgt die Anordnung der Konzerte nicht. In der Gesamtheit jedoch werfen die beteiligten Ensembles einen Blick auf beide Seiten der Mauer und zeigen, dass der politische Ost-West-Konflikt auch die musikalischen Verhältnisse nicht unberührt ließ – und wie Kultur zur gemeinsamen Identitätsfindung beitragen kann. Im Mittelpunkt der sieben Abende stehen dabei Werke zeitgenössischer Komponisten aus Ost und West sowie der Nachwendegeneration. Allerdings beschränken sich die Konzertprogramme nicht allein auf Kompositionen, die während der Deutschen Teilung entstanden sind, sondern wollen auch auf die unmittelbare Gegenwart verweisen.

So stellt AuditivVokal Dresden (Foto: PR/David Campesino) etwa im Eröffnungskonzert noch nie aufgeführte Stücke des DDR-Komponisten Reiner Bredemeyer (1929-1995) neben Kompositionen, die aktuelle politische (dennoch mit der Mauerproblematik verwandte) Themen, wie zum Beispiel die Flüchtlings- und Grenzpolitik in Lampedusa, zum Inhalt haben. Zum Abschluss des Abends wird mit Marc Yeats Auftragskomposition für dieses Konzert abermals eine Uraufführung erklingen. Sein Werk ist aus Graffiti-Sprüchen von der Berliner Mauer komponiert, acht Sänger singen hier jeweils um eine Sekunde versetzt dieselbe Arie und bauen so musikalisch gleichsam selbst eine durchlässige Mauer, deren Durchbruch wohl allein dem Publikum obliegt.

Nicole Czerwinka

Linktipp: http://klangnetz-dresden.de

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