Freitag, Sonnabend, Sonntag

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KaW ist Kultur am Wochenende – mit drei Weggehtipps

Volle Pulle Kultur in Dresden – und wer die Wahl hat, hat bekanntlich auch die Qual. Wir picken in unserer Rubrik „KaW“ (Kultur am Wochenende) daher ab sofort jede Woche jeweils drei einmalige Veranstaltungen am Freitag, Sonnabend und Sonntag für Dresden in Vorschau heraus.

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Verschwunden im Eismeer

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„Das Kind der Seehundfrau“ an den Landesbühnen

Sphärischer Gesang erklingt auf der Studiobühne der Landesbühnen Sachsen. Eine Melodie wie aus einem fernen Land kündet – ähnlich einer Ouvertüre – von dem, was hier gleich erzählt werden soll. In der Regie von Klaus-Peter Fischer erwacht das alte Inuit-Märchen „Das Kind der Seehundfrau“ als musikalisches Theater für Kinder (ab 8 Jahren) nun zu neuem Leben.

Die Geschichte (Foto: PR/Hagen König) handelt von dem Eskimojungen Oruk, der bis zu seinem siebten Lebensjahr unbeschwert mit Vater und Mutter in einer kleinen Fischer-Hütte am Eismeer lebt. Als seine Mutter plötzlich krank wird, lüftet sich jedoch schon bald ein lang gehütetes Geheimnis seiner Eltern. Denn Oruks Mutter ist eigentlich ein Seehund. Vor der Hochzeit musste sein Vater versprechen, ihr das Seehundfell nach sieben Jahren zurückzugeben, damit sie wieder ins Meer zu den Seehunden gehen kann. Fischers Inszenierung erzählt diese nachdenkliche Geschichte von Liebe und Trennung auf behutsame Weise und hält gekonnt die Waage zwischen traurigen und humorvollen Momenten.

Dies gelingt nicht zuletzt aufgrund der Kompositionen, die der Musiker Jan Heinke für diese Aufführung schuf, so hervorragend. Das Orchester, das er zusammen mit Thomas Tuchscheerer (Celesta) und Demian Kappenstein (Percussion) bildet, vereint teils ungewöhnliche Instrumente aus Schrott, die ein wenig wie ein Sammelsurium in einem Kuriositätenladen wirken – ein Sammelsurium mit 1000 Klangfarben, versteht sich. Da funktioniert ein seltsamer Schlauch als Flöte, ein paar Regenrohre werden zu einer Art Didgeridoo verschraubt und Bürsten dienen als Geräuschmacher auf der Pauke. Nicht zu vergessen Heinkes Stahlcello aus unterschiedlich langen Edelstahlstäben, einem metallischen Resonator, gespielt mit einem Bogen aus Bambus und Angelschnur.

Die Töne, die aus diesem exotischen Orchester strömen, machen zwar das ganze Spektrum arktischer Kälte hörbar, sind dabei aber weit harmonischer und weicher, als die optische Beschreibung der Instrumente vielleicht ahnen lässt. Die Musik wirkt wie eine zweite Erzählebene in dem Stück. Fast schon filmmusikalisch unterstützt sie die Handlung mit Klängen, Geräuschen oder einzelnen Liedern. Sie fängt traurige Momente mit hellen Tönen auf, erzeugt Spannung mit Klängen und verschafft dem Erzählten dank ihres großen Geräuschspektrums eine zusätzliche Tiefe. So wird es auch den kleinen Zuschauern im Saal nie langweilig.

Raffiniert ist auch das Bühnenbild (Ausstattung: Irina Steiner): Drei Stühle symbolisieren Kanus und Eskimohütte. Ein großes blaues Tuch auf dem Boden dient als kuscheliges Bett oder wogendes Meer. Auch dank geschickter Lichtregie (Beleuchtung: Elke Häse) sorgt diese reduzierte Ausstattung für einprägsame Bilder. In der kleinen, gemütlichen Kammerkulisse wechseln Sängerin Stephanie Krone und Schauspieler Grian Duesberg die Rollen von Mutter, Vater, Oruk und dessen Freundin. Krone überzeugt hier nicht nur stimmlich als reife Seehundfrau und junger Backfisch, während Duesberg die brennende Verzweiflung des Vaters und die kindliche Unbeschwertheit Oruks mitreißend transportiert.

So entstehen wirklich berührende Momente, in denen die Weite der arktischen Eiswelt tatsächlich aufzutauchen scheint – und mit der ganzen Poesie dieses nachdenklichen, hierzulande bislang eher unbekannten Märchens aus der Arktis die Herzen der Zuschauer im Nu erobert und wärmt.

Nicole Czerwinka

„Das Kind der Seehundfrau“ an den Landesbühnen Sachsen, wieder am 16.12., 10 Uhr; 18.12., 10 Uhr; 22.12., 15 Uhr; 23.12., 15 Uhr in Radebeul u. am 12.2.14, 10 Uhr im Theater Meißen

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Figaros Hochzeit im futuristischen Ufo

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„Die Hochzeit des Figaro“ an den Landesbühnen

Ein bisschen Eifersucht, viel Leidenschaft und eine Prise Aufmüpf sind das Geheimrezept, mit dem Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Die Hochzeit des Figaro“ (1786) das Publikum bis heute in ihren Bann zieht. Die Geschichte vom gräflichen Diener Figaro, der seine Susanna heiraten will, auf die wiederum auch Graf Almaviva ein zwinkerndes Auge geworfen hat, erobert in einer optisch unkonventionellen Inszenierung von Anja Sündermann nun auch die Landesbühnen Sachsen.

Sündermann bewegt sich inhaltlich nah am Original der Oper, die damals die erste von drei gemeinsamen Arbeiten Mozarts mit dem Librettisten Lorenzo Da Ponte war. Sie versetzt die Handlung auf der Bühne in einen von Ausstatterin Olga von Wahl geschaffenen, futuristischen und sehr technisch anmutenden Glitzerraum, der im Wesentlichen aus einer großen Metallwelle und einem liebesroten, ufoartigen Ring besteht, mit dem der Graf – hier Herr über die Fernsteuerung – Susanna einfangen möchte.

Diese ist, wie auch die anderen Figuren im Spiel, von Emotionen und Leidenschaften getrieben, hin und hergerissen zwischen dem mächtigen, erfahrenen Grafen und ihrem lässigen Jungspund Figaro. Miriam Sabba (Foto: PR/Robert Jentzsch) verleiht ihrer Susanna dabei wahrhaft kämpferische Züge und meistert die Partie, die der größte Gesangspart in der Oper überhaupt ist, souverän und vielgestaltig. Die Inszenierung stellt ihr zudem noch zwei weitere Bräute zur Seite. Denn auch Marcellina, die ebenfalls gern mit Figaro verheiratet werden möchte, wird hier von Silke Richter in silbernen Stiefeln und mit weißer Korsage als mondänes Vollweib im Brautkleid gezeigt.

Die dritte Braut im Bunde ist schließlich die Gräfin. Stephanie Krone singt diese Partie so wunderbar gefühlvoll und berührend, dass man ihr den Kampf der langjährigen Ehefrau um ihren Gatten gern abnimmt. Doch auch sie ist gegen die Verführung des Fremden nicht ganz immun. Vor allem der lebenslustige Page Cherubino hat es ihr angetan. In der beliebten Hosenrolle gehört Patrizia Häusermann gewiss zu den großen Stimmen des Abends. Sie ist der sorglose Fixpunkt der Inszenierung, springt selbst in Stöckelschuhen unbeschwert über die Bühne und lässt sich von keiner Regel fangen.

Obwohl die Herren – allen voran Kazuhisa Kurumada als Graf und Paul G. Song als Figaro – sowohl musikalisch als auch darstellerisch keine Wünsche offen lassen, scheint die Bühne hier eher den Damen zu gehören. Sie treiben das Spiel an, kontern die Intrigen des Grafen und Figaros schließlich mit ihrer eigenen und sind auch optisch irgendwie stets im Fokus. Hinzu kommt ein mit lustigen Kappen begleiteter Chor, der wie ein Spähtrupp des Grafen immer dann beobachtend zur Stelle ist, wenn der Hausherr mal nicht an seinem blinkenden Steuerrad steht.

Überhaupt bietet die mit vielen neckischen Ideen garnierte Inszenierung jede Menge zum Schauen. Das sonst häufig im „Figaro“ gezeigte Türengeklapper – zum Zimmer rein, zum Zimmer raus, ins Versteck und wieder zurück – wird hier durch einen aufgeweckten allgemeinen Trubel ersetzt, der nicht nur Kurzweil, sondern bisweilen auch viel Komik erzeugt. Einziges Manko des quirligen Spiels: Der eine oder andere Handlungsfaden kann dem Zuschauer in diesem bunten Treiben schon mal verloren gehen.

Doch das ist im Strudel der Aufführung schnell wieder vergessen. Gelungen ist diese auch deswegen, weil die langen Rezitative der Oper im Vorfeld massiv gekürzt wurden. Der musikalische Leiter Jan Michael Horstmann hat dazu flüssige Anschlüsse gefunden und führt die Elbland Philharmonie Sachsen sowie das Ensemble am Premierenabend werkgetreu durch die Oper. Musik und Bühne gehen dabei trotz des ungewöhnlichen Bildaufbaus erstaunlich gut Hand in Hand, sodass dieser „Figaro“ als pfiffige und lebhafte Interpretation in bester Erinnerung bleibt.

Nicole Czerwinka

Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ an den Landesbühnen Sachsen, wieder am 18.10., 17.11. und 29.11. im Stammhaus Radebeul

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