Ein Erlebnisbericht zum 13. Februar
Seit Jahren nutzen Neonazis den 13. Februar, um das Gedenken an Krieg und Zerstörung für ihre Zwecke zu missbrauchen und einen der größten Aufmärsche Rechtsradikaler in Europa zu organisieren. Besonders nach den Krawallen vom letzten Jahr wurde heftig diskutiert, wie die Stadt und ihre Menschen sich gegen die Vereinnahmung dieses Gedenktages wehren können. Meinungen gibt es viele, Möglichkeiten auch.
Auch ich beteilige mich seit Jahren an den Protesten und auch den diesjährigen 13. Februar habe ich dick eingepackt auf den Straßen von Dresden erlebt.
Nachdem ich mich an einem Treffpunkt einer größeren Menge Gegendemonstranten angeschlossen hatte, war relativ schnell klar, wo ich den Rest des Tages verbringen würde: Die Straßenkreuzung vor dem World Trade Center war einer der beiden Blockadepunkte, die sich direkt auf der geplanten Demonstrationsstrecke der Rechtsradikalen befand. Umstellt von Polizeikräften harrten hier mehrere hundert Gegendemonstranten in der Kälte aus. Die Menschenkette fand etwa zeitgleich statt und entgegen der Annahme, dass das bürgerliche Dresden neben diesem symbolischen Akt des Protestes und des stillen Gedenkens an der Frauenkirche für aktiven Protest nichts übrig habe, gesellten sich hunderte der Teilnehmer der Menschenkette nach deren zu den Menschen an die beiden Blockadepunkte.
Das Bild, das sich dort bot, war vielfältig: Bunt verkleidete, tanzende Demonstranten neben parteifahnenschwenkenden Mitvierzigern, trommelnde Alternative neben Gruppen von Schülern, alte Menschen neben Jungen, Urdresdner neben eigens Angereisten. Überall schwebten pinke Luftbalons mit der Aufschrift „Dresden stellt sich quer“, Seifenblasen schwirrten durch die Luft, es gab Musik aus Lautsprecherwagen und von einer Liveband.
Stundenlang harrten die Leute hier in der Kälte aus, die Stimmung war fröhlich und entspannt; man half sich gegenseitig mit Decken und Getränken aus, über Liveticker und Durchsagen kam immer wieder die Meldung: „Durchhalten.“
Und tatsächlich bewirkten die beiden Blockaden eine erhebliche Verkürzung der geplanten Strecke. des rechten Fackelzuges; nicht mal ein Kilometer Strecke war mehr übrig geblieben: Jubel an den Blockadepunkten. Gefeiert wurde dann mit einer Abschlusskundgebung auf dem Postplatz; mit erfrorenen Füßen und lauter Musik.
Kritiker mögen jetzt einwenden, dass angesichts der Opfer Dresdens und angesichts des Leidens, das der Zweite Weltkrieg über Europa gebracht hat, ein lauter, bunter, fröhlicher Protest eine geschmacklose Entgleisung ist.
Dem möchte ich entgegensetzen, dass gerade die Vielfalt, die die Dresdner an diesem Tag an den Tag legen das offenbart, was diese Stadt für mich ausmacht.
Das stille Gedenken der Angehörigen am Heidefriedhof und das Kerzenmeer am Neumarkt zeugten von den Wunden, die in Dresden wohl nie ganz verheilen werden. Die Menschenkette erzeugte ein eindrucksvolles Sinnbild für die Überzeugung der Nachgeborenen, dass die Stadt vor denen geschützt werden muss, die ihre Geschichte für ihre Zwecke vereinnahmen wollen. Auch die Menschen der Blockaden verfolgen dieses Ziel, denn eines ist klar: Dresden hält zusammen.
Annett Baumgarten