Ungeschliffene Diamanten tanzen in der Manufaktur

Fahrzeugturm VW Judith Michael

Die Künstlerin Judith Michael verwandelt den Fahrzeugturm der Gläsernen VW-Manufaktur derzeit in einen bunten Diamanten.

 

Projekt „Bohème 2020“ nimmt Gestalt an

Auf der Orangerie der Gläsernen Manufaktur in Dresden stehen acht junge Leute beflissen flüsternd im Kreis, bevor sie im sachten Gleichschritt über das helle Parkett tanzen. Hier wird ein künstlerischer Freiraum mit jugendlicher Kreativität gefüllt. Geschaffen hat ihn Musikfestspielintendant Jan Vogler, der im Rahmen der diesjährigen Festspiele auch das Projekt „Bohème 2020“ ins Leben rief. Acht Nachwuchskünstler aus sieben Ländern sollen bei diesem genreübergreifenden Projekt nun zeigen, wie die „Goldenen Zwanziger“ des 21. Jahrhunderts vielleicht schillern könnten.

„Man kann sich das etwa so vorstellen, dass die Musikfestspiele acht Nachwuchskünstler in einen Raum sperren, ihnen die Möglichkeit geben, alle Konzerte zu besuchen, dafür aber fordern, dass diese ihr eigenes Kunstprojekt bei den Festspielen aufführen“, erklärt Textkünstlerin Theresa Hahl (*1989 in Bochum) in der Probenpause mit einem Augenzwinkern. Am kommenden Dienstag wollen die acht Mitwirkenden ihr kreatives, junges Gesamtkunstwerk aus Text, Theater, Video, Tanz, Licht und Musik hier einmalig aufführen. Die Zeit ist knapp, die Motivation dafür bei allen Beteiligten riesengroß, wie das lockere Gespräch mit den Künstlern zeigt.

Zum ersten Mal die meisten von ihnen im Januar zusammengetroffen, danach gab es zwischen ihnen noch drei Skype-Konferenzen. „Das war für das Kennenlernen wichtig, aber richtig loslegen konnten wir erst in den letzten Tagen“, sagt Schauspielerin Carolin Wedler (*1989 in Hamburg). Als Thema für ihr gemeinsames „Kunstding“, wie sie es humorvoll nennen, haben sie – passend zum Festspielmotto – eine Zeitreise durch die Jahrhunderte erkoren. Schnell sei klar gewesen, dass alle acht Künstler sich als Gruppe präsentieren wollen, mit einer Performance, bei der jeder seine Fähigkeiten einbringt.

Theresa Hahl ist für die Texte verantwortlich, Carolin Wedler und Altamasch Noor (*1990 in Hamburg) für den darstellerischen Part. Marita Matzk (*1982 in Dresden) erarbeitet die Choreografien und Tung-Yen-Chou (*1981 in Taipeh) ist als Videokünstler mit von der Partie. Für den musikalischen Teil zeichnen Caroline Goulding (*1992 in Boston) und Raquel Garcia-Tomás (*1984 in Barcelona) verantwortlich. Sie hat bei ihren Kompositionen auch Maschinengeräusche der teuren VWs eingearbeitet. Eine Lichtsinfonie, bei der der Besucher zum Dirigenten wird, stammt von Judith Michael (*1984 in Dresden), die 2013 schon die Lichtinstallation in der Zitronenpresse gestaltet hat. Derzeist stimmt sie mit der Lichtinstallation „Diamond Explosion“ in der Manufaktur (Foto: Judith Michael) schon auf das Projekt ein.

Etwa acht intensive Arbeitstage hatten die Künstler Zeit, diese Elemente nun übereinzubringen. Am Samstag (31.5.) begannen die Proben in der Gläsernen Manufaktur. Den Raum der Autofabrik wollen sie in ihr Projekt mit einbeziehen. „Wir haben einen Abend, um uns von unserer besten Seite zu zeigen – und auch wenn es stressig ist, es macht wirklich Spaß“, sagt Carolin Wedler. Die Zeit sei knapp bemessen, das sei fast schon Kreativität auf Knopfdruck, die hier gefordert ist, gibt Altamasch Noor zu. „Aber das funktioniert hier ganz gut, manchmal ist weniger Zeit sogar besser“, sagt er dann.

Unter den acht Künstlern herrscht eine freundschaftliche Atmosphäre. Ihre Motivation schöpfen sie auch aus der seltenen Möglichkeit, die sich im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele in dieser Form wohl erstmals für junge Künstler ergibt: einen kreativen Freiraum zu besetzten, noch dazu mit großer Unterstützung der Festivalleitung. „Es ist wirklich ein Freiraum, in dem wir uns ausprobieren können. Wir dürfen die Konzerte anhören und kriegen alle technischen Hilfen, die wir für unser Projekt brauchen“, sagt Marita Matzk. Obwohl so wenig Zeit ist, genieße sie die fruchtbare Zusammenarbeit mit den anderen sehr, meint sie. „Die verschiedenen Kunstsprachen zusammenbringen zu können, ist wirklich schön und nicht gerade selbstverständlich“, ergänzt Judith Michael. Es sei durchaus denkbar, dass sich aus diesem ersten Zusammentreffen auch weitere Projekte entwickeln können. Zunächst jedoch steht die Aufführung am Dienstag (3.6.) im Fokus – die sei im Moment noch ein wenig wie ein ungeschliffener Diamant, aus dem die acht am Ende aber dennoch eine runde Sache machen wollen.

„Bohème 2020“, Abschlusspräsentation am 3. Juni, 20 Uhr in der Gläsernen Manufaktur Dresden

Linktipp: www.boheme2020.de

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