Von Mutti und den Mohrenköpfen

Breschke und Schuch servieren Spitzzüngiges in der „Striezelmarktwirtschaft“

Weihnachten kann 2015 ruhig ein bisschen eher beginnen. Schließlich lenkt die schöne Adventszeit alle Jahre wieder auch von echten politischen Problemen ab. Das tut allen gut – der Kanzlerin sowieso und dem Volk erst recht. So öffnete die „Striezelmarktwirtschaft“ am Kabarett Breschke und Schuch (Foto: PR) schon am Abend vor dem Buß- und Bettag. Allerdings trifft diese Show in Sachen Krisenpolitik anno 2015 ganz besonders schonungslos ins schwarze Herz der Republik.

Gleich der erste Beitrag legt den Finger tief in die Wunde der Flüchtlingskrise. Schuchs Parodie auf eine Ulbig-Rede in Heidenau gelingt grandios, sie endet vielsagend mit den Worten: „Vielleicht haben wir ja bald Kriegsflüchtlinge aus Deutschland“ – und mündet in der Erkenntnis, dass „Gestalten durch Spalten“ der neue deutsche Kurs zu sein scheint. Dresdner Stadt- und Striezelmarktkolorit treten dieses Jahr jedoch zugunsten größerer Zusammenhänge in den Hintergrund. Selbst Pegida taugt hier angesichts zahlreicher doch wichtigerer Brennpunkte im Land lediglich als spaßhafte Randerscheinung. Der olle Siegfried Mömmerich nämlich, ja, der, dem zur Flut 2002 noch seine Laube davonschwamm – er hinterher! – geht montags mit. Nicht, weil Pegida ihm wichtig wäre, sondern weil er einmal in der Woche zwei Stunden Urlaub vom Hausdrachen daheim braucht.

Doch das ist nur ein kleiner Wink. Nach zehn Jahren Merkel-Herrschaft hängen 18 Uhren plus ein VW-Logo auf der Bühne, die Uhren zeigen alle auf 10 nach 10 (oder eben 13 Uhr). Und Thomas Schuch spielt mit dem Spiel im Spiel, in dem er jetzt eben einfach keine Lust mehr hat, die Mutti Merkel zu geben. Er zielt dabei genau ins Zentrum deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik, für die „militärische Verantwortung“ nur eine elegante Umschreibung dafür ist, Probleme mit Bomben zu bekämpfen. Da steckt viel Zündstoff drin, und dennoch gelingt es den beiden Kabarettisten stets, die Waage zu halten zwischen klarer Kritik und unterhaltsamer Kunst. Weitsichtig holen sie auch fast vergessene Themen wieder auf den Gabentisch ihrer „Jahresendzeitabrechnung“, der Lehrermangel wird hier ebenso mit einem bitteren Augenzwinkern durch die Mangel genommen wie das TTIP-Abkommen oder das Tarifeinheitsgesetz. Nicht nur Merkel bekommt ihr Fett weg, auch Sigmar Gabriel, Andrea „Bandales“ Nahles und jenen Ulbig ziehen die zwei durch den Kabarettkakao. Zum Schluss gibt es sogar noch ein kurzes Wiedersehen mit Gerhard Schröder – und natürlich die Neujahrsansprache, hier als vorfristiges Gemeinschaftswerk von Merkel und Gabriel.

Manfred Breschke und Thomas Schuch offenbaren dabei eine gesunde Weltanschauung, verpacken ihre Spitzen geschickt in ein kurzweiliges Programm. Nie schießen sie mit ihren Sketchen übers Ziel hinaus, die Texte scheinen wohl überlegt, sind dabei aber arg treffsicher. Der Multiinstrumentalist Daniel Vedres lockert das Ganze mit musikalischen Spontaneinlagen zwischendrin auf. Und natürlich ist zum Jahresende auch das Wiedersehen mit alten Bekannten Programm, hier trifft sich die gute alte Kabarett-Familie zum Fest: Breschkes Rockband „Schrammstein“ spielt auf, Herr Unten aus Prohlis und Herr Oben vom Weißen Hirsch geben sich am Flaschencontainer ein Stelldichein und Familie Mömmerich ist gar mit einem selbstgebackenen Schokoschaumkusskuchen für die Flüchtlinge angereist.

So zeigt die „Striezelmarktwirtschaft“ den Wahnsinn eines unheimlich ereiferungsskandalvollen Jahres auf. Eine Endzeitabrechnung, die sich gewaschen hat und deshalb im Programm mit dem augenzwinkernden Hinweis: „Streng nach den Vorgaben von Wirtschaft und Politik“ versehen ist. Das taugt zwar nicht gerade, um in der stillen Zeit von den Problemen der Welt abzulenken, wohl aber um diese wenigstens zwei Stunden lang ein bisschen erträglicher zu machen.


Kabarett Breschke und Schuch: „Die Striezelmarktwirtschaft“, bis zum Jahresende fast täglich, 19.30 Uhr

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