Das Große steckt oft im Unscheinbaren

„Wie Licht schmeckt“ an der bühne der TU

Sie rascheln und pfeifen und kratzen und summen und brummen, um dann wieder ganz still zu sitzen oder pantomimisch Lachfalten beim Publikum zu produzieren. Mattis Hasler und Maximilian Helm alias Lissy und Ringo sind die heimlichen Stars der aktuellen Produktion von die bühne – das Theater der TU Dresden. Still im Hintergrund, aber doch immer wieder mit herrlich komischer Präsenz in das eigentliche Stück hineinprasselnd sind sie so etwas wie der Pfeffer in einem gelungen angerichteten Theaterabend mit dem vieldeutigen Titel „Wie Licht schmeckt“ (Foto: PR/Paul Krehl).

Vordergründig entspinnt sich in der ersten Inszenierung von Stephan Thiel an der TU-Bühne, jedoch eine nachdenkliche, philosophisch-berührende Geschichte um den 14-jährigen Lukas. Das Stück beruht auf dem gleichnamigen Roman von Friedrich Ani. Im Gegensatz zu dieser Vorlage verzichtet die Dramatisierung von Johannes Schrettle jedoch auf den Hintergrund der Elternfiguren und genaue Ortsangaben. Hier geht es zunächst nur um Lukas, der an seinem 14. Geburtstag drei Tage lang nicht nach Hause gehen und schlicht frei sein mag. Marcus Horn spielt diesen planlosen Jungen, der außer einem Roman von Simon Beckett und ausgedehnten Spaziergängen in seiner Heimatsstadt nichts will und braucht, zunächst noch voll ungestümem Übermut, entwickelt diese Figur im Verlauf des Abends jedoch hin zu immer mehr Tiefe und Besonnenheit.

Auf seinen Streifzügen begegnet Lukas den beiden ulkigen Typen Lissy und Ringo, die zwar ein wenig älter als er, aber letztlich ebenso planlos daherkommen – und manchmal als bloße Phantasiefiguren von Lukas erscheinen, die nur vorübergehend aus Simon Becketts Roman an den Rand der Bühne zu ihm hervorkriechen. Doch dann stolpert Lukas auf einer Rolltreppe plötzlich über den Blindenstock der 17-jährigen Sonja. Er ist fasziniert von dem seltsamen Mädchen, hilft ihr über die Straße – wiederum kunstvoll gemalt mit Geräuschen aus dem Mikro – und verfolgt sie schließlich bis in das Lokal, in dem sie arbeitet. Sarah John könnte man in der Rolle dieser selbstbewussten und doch zerbrechlich wirkenden Sonja ewig zusehen. Mit geschlossenen Augen spielt sie die Figur souverän und berührend, wenn sie etwa Lukas zeigt, dass nicht nur das, was man sieht, wahr sein muss und den übermütigen Jungen mehr als einmal in die Schranken weist.

Und dann ist da noch Sonjas Freundin Vanessa. Maria Rähder lässt diese Kumpeline zwischen großer Sorge um ihre blinde Freundin und kleiner Eifersucht auf die immer mehr sich zwischen dieser und Luaks anbahnende Freundschaft schwanken. Geht sie zu Anfang noch begeistert mit Sonja ins Kino und Schwimmbad, schnattert fröhlich mit ihr über Lieblingsfernsehserien, so tritt sie am Ende eher als Randfigur in Erscheinung. Das, was da zwischen Lukas und Sonja passiert, versteht sie wohl nicht so recht, vielleicht weil sie selbst noch nicht so ganz begriffen hat, wie man ohne Augenlicht, aber dafür viel mehr als die anderen sehen kann.

Dank einem starken Ensemble entsteht so auf der kleinen Bühne im Weberbau der TU Dresden mit einfachen Mitteln großartiges Theater, bei dem viele gute Ideen mitspielen und am Ende zu einem gelungenen Ganzen zusammengesetzt werden. Mit einem Sammelsurium an kreativen Geräuschmachern aus dem Küchenschrank setzen die jungen Schauspieler sowohl die ulkigen als auch die wahrhaft berührenden Momente des Stückes ins richtige Licht. Die Philosophie der eigentlich tiefsinnigen Geschichte entspinnt sich in diesem abwechslungsreichen, vielseitigen Spiel angenehm unaufdringlich, ganz ohne erhobenen Zeigefinger.

Nicole Czerwinka

„Wie Licht schmeckt“, bühne das Theater der TU Dresden, wieder am 31.5., 1.6., 5.6., 7.6., 8.6. jeweils um 20.15 Uhr

Weiterlesen