Kleists Pferdehändler im Schwarz-Weiß-Kreisel

Das Schauspielstudio Dresden bringt „Michael Kohlhaas“ auf die Bühne des Kleinen Hauses

Genau 208 Jahre ist es her, dass Heinrich von Kleist die Novelle „Michael Kohlhaas“ schrieb. Die Geschichte des Pferdehändlers aus Kohlhaasenbrück an der Havel, dem ein Unrecht geschieht und der den Herrschenden im Land daraufhin den Krieg erklärt, beruht auf einer wahren Begebenheit aus dem 16. Jahrhundert. Am Staatsschauspiel Dresden (Fotos: PR/Matthias Horn) sind es nun die ganz Jungen, die Studenten des Schauspielstudios, die in der ersten Regiearbeit von Schauspieler Philipp Lux für eine aufgeweckte Wiederbelebung des Stückes sorgen.

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Wer Macht hat, hat auch recht

„Der zerbrochene Krug“ am Staatsschauspiel

Hoch waren die Erwartungen an Roger Vontobels zweite Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden, nachdem sein „Don Carlos“ sich zum gefeierten Dauerbrenner entwickelt hatte.  Dass er danach mit Kleists „Zerbrochenen Krug“ ein Lustspiel inszenieren würde, hatte wohl kaum einer erwartet.

Kleists Lustspiel behandelt einen Stoff, aus dem man auch eine Tragödie machen könnte. Denn die Geschichte des Dorfrichters Adam, der über ein Verbrechen zu Gericht sitzt, dass er selbst begangen hat, erscheint in ihrer Absurdität immer auch beklemmend. Denn Recht haben hier zunächst diejenigen, die Macht über andere haben.

Genau dieser Aspekt scheint Vontobel besonders fasziniert zu haben. Vielfältig sind die Bedrohungen, die Machtdemonstrationen und Machtgefällte, die sich während des Prozesses unter den Dorfbewohnern entfalten. Denn es geht hier nicht um einen profanen Krug, sondern um Gewalt und Machtmissbrauch, um sexuelle Nötigung und Erpressung.

Das erste Drittel der Inszenierung ist ganz im Kleistschen Sinne noch sehr slapstickartig gehalten. So werden die unterschiedlichen Versionen der Vorgänge, die zur Zerstörung des Krugs führten, nicht einfach erzählt, sondern szenisch nachgestellt. Das anfangs etwas altbacken wirkende Bühnenbild von Magda Willi entfaltet hier seine volle Wirkung, denn jeder Gegenstand, jedes Gestaltungselement des vollgestopften Raumes hat hier seinen Zweck. Rasante Szenen folgen aufeinander; ständig passiert etwas auf der Bühne; es wird gerannt, man stürzt, kämpft und rangelt miteinander.

Das Publikum lacht und applaudiert und bemerkt darüber kaum, den erzählerischen Sog, der die Geschehnisse zunehmend drastischer, düsterer und gefährlicher macht. Unversehens eskaliert die Gewalt, vor allem gegen den Angeklagten Ruprecht Tümpel, den Sebastian Wendelin als herrlich naiven Simpel anlegt.

Auch Burghart Klaußners Adam, der sich zunächst mit albernen Ablenkunsmanövern der Lächerlichkeit preisgibt, durch Charme, Schmeichelei und Betulichkeit seine Felle zu retten versucht, wird zunehmend polternder, reizbarer, ja gefährlicher.

Je näher man der Lösung des Rätsels kommt, desto mehr kann das Ensemble auftrumpfen. Als Zuschauer rückt man unwillkürlich auf dem Sitz nach vorn, wenn Sonja Beißwenger als gestrenge Gerichtsrätin im Businesskostüm sich langsam selbst im Gespinst der Lügen zu verirren droht, Marthe Rull (Hannelore Koch) ihre Tochter immer mehr unter Druck setzt und das Mädchen (gespielt von Karina Plachetka) schließlich zusammenbricht und nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch Rache einfordert.

Die abschließenden Erklärungen gestalten sich dann doch etwas zu langwierig, nach all der Rasanz nimmt sich die genaue Erklärung der Abläufe, die den Krug zu Boden gehen ließen etwas zu statisch aus.

Insgesamt  ist Roger Vontobel nicht der ganz große zweite Wurf gelungen, doch sein „Zerbrochener Krug“ ist mitreißend inszeniert und gespielt, hervorragend besetzt und intellektuell anregend.

Annett Baumgarten

„Der zerbrochene Krug“ am Staatsschauspiel Dresden, wieder am 18.3., 19.00 Uhr, 27.3., 19.30 Uhr, 9.4., 19.30 Uhr

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